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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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wir uns wie nach abgethanen Werken, und bald, da Niemand außer uns im Zimmer war, saßen wir plaudernd neben einander.

Es war ein stattlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, mit kurz geschorenem, schon ergrautem Haupthaar; über dem Vollbart schauten ein paar freundliche Augen, und ein leichter Humor, der bald in seinen Worten spielte, zeugte von der Behaglichkeit seines inneren Menschen. Er hatte eine kurze Jagdpfeife angebrannt und erzählte mir von dem jungen Burschen, welchen er einige Jahre in seinem Hause gehabt und nun zur weiteren Ausbildung an einen älteren Freund und Amtsbruder empfohlen habe. Als ich ihn, seiner Vorhaltung an den Jungen gedenkend, frug, was für Leides ihm die Poeten denn gethan hätten, schüttelte er lachend den Kopf.

"Gar keines, lieber Herr", sagte er, "im Gegentheil! Ich bin ein Landpastorensohn, und mein Vater war selber so ein Stück von einem Poeten; wenigstens wird ein Kirchenlied von ihm, das er einmal als fliegendes Blatt hatte drucken lassen, noch heutigen Tages nach ,Befiehl du deine Wege'

wir uns wie nach abgethanen Werken, und bald, da Niemand außer uns im Zimmer war, saßen wir plaudernd neben einander.

Es war ein stattlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, mit kurz geschorenem, schon ergrautem Haupthaar; über dem Vollbart schauten ein paar freundliche Augen, und ein leichter Humor, der bald in seinen Worten spielte, zeugte von der Behaglichkeit seines inneren Menschen. Er hatte eine kurze Jagdpfeife angebrannt und erzählte mir von dem jungen Burschen, welchen er einige Jahre in seinem Hause gehabt und nun zur weiteren Ausbildung an einen älteren Freund und Amtsbruder empfohlen habe. Als ich ihn, seiner Vorhaltung an den Jungen gedenkend, frug, was für Leides ihm die Poeten denn gethan hätten, schüttelte er lachend den Kopf.

„Gar keines, lieber Herr“, sagte er, „im Gegentheil! Ich bin ein Landpastorensohn, und mein Vater war selber so ein Stück von einem Poeten; wenigstens wird ein Kirchenlied von ihm, das er einmal als fliegendes Blatt hatte drucken lassen, noch heutigen Tages nach ‚Befiehl du deine Wege‘

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[9/0009] wir uns wie nach abgethanen Werken, und bald, da Niemand außer uns im Zimmer war, saßen wir plaudernd neben einander. Es war ein stattlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, mit kurz geschorenem, schon ergrautem Haupthaar; über dem Vollbart schauten ein paar freundliche Augen, und ein leichter Humor, der bald in seinen Worten spielte, zeugte von der Behaglichkeit seines inneren Menschen. Er hatte eine kurze Jagdpfeife angebrannt und erzählte mir von dem jungen Burschen, welchen er einige Jahre in seinem Hause gehabt und nun zur weiteren Ausbildung an einen älteren Freund und Amtsbruder empfohlen habe. Als ich ihn, seiner Vorhaltung an den Jungen gedenkend, frug, was für Leides ihm die Poeten denn gethan hätten, schüttelte er lachend den Kopf. „Gar keines, lieber Herr“, sagte er, „im Gegentheil! Ich bin ein Landpastorensohn, und mein Vater war selber so ein Stück von einem Poeten; wenigstens wird ein Kirchenlied von ihm, das er einmal als fliegendes Blatt hatte drucken lassen, noch heutigen Tages nach ‚Befiehl du deine Wege‘

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/9>, abgerufen am 25.04.2024.