Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr; für den gewöhnlichen Mägdedienst hat sie zu viel, für eine höhere Stellung zu wenig gelernt."

Sein Gast war im Zimmer auf und ab gegangen. "Freilich, ein anziehendes Köpfchen!" sagte er; aber seine Worte klangen tonlos, als sei in der Tiefe die Seele noch mit Anderem beschäftigt.

"Hm, Richard," fuhr der Bürgermeister, seine Acten zusammenbindend, fort, "da stimmst du mit unserem Physikus; er meint - er hat mitunter solche Einfälle - die Augen seien ein halbes Dutzend Jahre älter, als das Mädchen selbst."

"Und wer ist jetzt ihr Vormund, Fritz?"

"Ihr Vormund? - sie hat keinen Verwandten; wir hatten augenblicklich keinen Anderen, es ist der Schustermeister an der Hafenecke; seit Beginn der Untersuchung wohnt sie auch bei ihm."

- - Eine Stunde später sah man den Gast des Bürgermeisters aus einem kleinen Hause an der Hafenecke treten und durch eine gegenüberliegende Straße aus der Stadt hinausschreiten.

Draußen vor den letzten Häusern hielt ein offener Wagen. Ein großer, löwengelber Hund, den der auf

ihr; für den gewöhnlichen Mägdedienst hat sie zu viel, für eine höhere Stellung zu wenig gelernt.“

Sein Gast war im Zimmer auf und ab gegangen. „Freilich, ein anziehendes Köpfchen!“ sagte er; aber seine Worte klangen tonlos, als sei in der Tiefe die Seele noch mit Anderem beschäftigt.

„Hm, Richard,“ fuhr der Bürgermeister, seine Acten zusammenbindend, fort, „da stimmst du mit unserem Physikus; er meint – er hat mitunter solche Einfälle – die Augen seien ein halbes Dutzend Jahre älter, als das Mädchen selbst.“

„Und wer ist jetzt ihr Vormund, Fritz?“

„Ihr Vormund? – sie hat keinen Verwandten; wir hatten augenblicklich keinen Anderen, es ist der Schustermeister an der Hafenecke; seit Beginn der Untersuchung wohnt sie auch bei ihm.“

– – Eine Stunde später sah man den Gast des Bürgermeisters aus einem kleinen Hause an der Hafenecke treten und durch eine gegenüberliegende Straße aus der Stadt hinausschreiten.

Draußen vor den letzten Häusern hielt ein offener Wagen. Ein großer, löwengelber Hund, den der auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="13"/>
ihr; für den gewöhnlichen Mägdedienst hat sie zu viel, für eine höhere Stellung zu wenig gelernt.&#x201C;</p>
        <p>Sein Gast war im Zimmer auf und ab gegangen. &#x201E;Freilich, ein anziehendes Köpfchen!&#x201C; sagte er; aber seine Worte klangen tonlos, als sei in der Tiefe die Seele noch mit Anderem beschäftigt.</p>
        <p>&#x201E;Hm, Richard,&#x201C; fuhr der Bürgermeister, seine Acten zusammenbindend, fort, &#x201E;da stimmst du mit unserem Physikus; er meint &#x2013; er hat mitunter solche Einfälle &#x2013; die Augen seien ein halbes Dutzend Jahre älter, als das Mädchen selbst.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Und wer ist jetzt ihr Vormund, Fritz?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ihr Vormund? &#x2013; sie hat keinen Verwandten; wir hatten augenblicklich keinen Anderen, es ist der Schustermeister an der Hafenecke; seit Beginn der Untersuchung wohnt sie auch bei ihm.&#x201C;</p>
        <p>&#x2013; &#x2013; Eine Stunde später sah man den Gast des Bürgermeisters aus einem kleinen Hause an der Hafenecke treten und durch eine gegenüberliegende Straße aus der Stadt hinausschreiten.</p>
        <p>Draußen vor den letzten Häusern hielt ein offener Wagen. Ein großer, löwengelber Hund, den der auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0017] ihr; für den gewöhnlichen Mägdedienst hat sie zu viel, für eine höhere Stellung zu wenig gelernt.“ Sein Gast war im Zimmer auf und ab gegangen. „Freilich, ein anziehendes Köpfchen!“ sagte er; aber seine Worte klangen tonlos, als sei in der Tiefe die Seele noch mit Anderem beschäftigt. „Hm, Richard,“ fuhr der Bürgermeister, seine Acten zusammenbindend, fort, „da stimmst du mit unserem Physikus; er meint – er hat mitunter solche Einfälle – die Augen seien ein halbes Dutzend Jahre älter, als das Mädchen selbst.“ „Und wer ist jetzt ihr Vormund, Fritz?“ „Ihr Vormund? – sie hat keinen Verwandten; wir hatten augenblicklich keinen Anderen, es ist der Schustermeister an der Hafenecke; seit Beginn der Untersuchung wohnt sie auch bei ihm.“ – – Eine Stunde später sah man den Gast des Bürgermeisters aus einem kleinen Hause an der Hafenecke treten und durch eine gegenüberliegende Straße aus der Stadt hinausschreiten. Draußen vor den letzten Häusern hielt ein offener Wagen. Ein großer, löwengelber Hund, den der auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/17
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/17>, abgerufen am 23.04.2024.