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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Neuntes Kapitel. §. 98.
als auch hier ein sagenhaftes Element vorauszusetzen.
Diess hat man so versucht, dass man ein wirkliches aber
natürliches Faktum als zum Grunde liegend annahm, dass
nämlich Jesus einmal den Petrus angewiesen habe, so lan-
ge zu fischen, bis die Tempelsteuer erangelt wäre, woraus
dann die Sage entstanden sei, der Fisch habe die Steuer-
münze im Maule gehabt 27). Diesen immer ungenügenden
Mittelweg zwischen natürlicher und mythischer Erklärung
zu vermeiden, denken wir uns lieber als Veranlassung die-
ser Anekdote das vielbenüzte Thema von einem Fischfang
des Petrus auf der einen, und die bekannten Erzählungen
von Kostbarkeiten, die im Leibe von Fischen gefunden
worden, auf der andern Seite. Petrus war, wie wir aus
Matth. 4, Luc. 5, Joh. 21. wissen, in der evangelischen
Sage der Fischer, welchem Jesus in verschiedenen Formen,
zunächst symbolisch, dann eigentlich, den reichen Fang
bescheert hatte. Das Werthvolle des Fangs tritt nun hier
als Geldmünze heraus, welche, wie dergleichen Dinge sonst
im Bauche von Fischen, so durch eine Steigerung des
Wunders gleich im Maule des Fisches gefunden werden
sollte. Dass es gerade der zur Tempelsteuer erforderliche
Stater ist, könnte durch eine wirkliche Äusserung Jesu
über sein Verhältniss zu dieser Abgabe, welche zufällig
mit jener Anekdote in Verbindung kam, veranlasst sein,
oder könnte umgekehrt der in der Sage vom Fischfang zu-
fällig vorhandene Stater an die Tempelabgabe, welche für
zwei Personen eben so viel betrug, und den darauf be-
züglichen Ausspruch Jesu erinnert haben.

In diesen mährchenhaften Ausläufer endigen die See- und
Fisch-Anekdoten.

§. 98.
Die wunderbare Speisung.

Wie in den zulezt betrachteten Geschichten Jesus be-

27) Kaiskr, bibl. Theol. 1, S. 200. vgl. Hase a. a. O.

Neuntes Kapitel. §. 98.
als auch hier ein sagenhaftes Element vorauszusetzen.
Dieſs hat man so versucht, daſs man ein wirkliches aber
natürliches Faktum als zum Grunde liegend annahm, daſs
nämlich Jesus einmal den Petrus angewiesen habe, so lan-
ge zu fischen, bis die Tempelsteuer erangelt wäre, woraus
dann die Sage entstanden sei, der Fisch habe die Steuer-
münze im Maule gehabt 27). Diesen immer ungenügenden
Mittelweg zwischen natürlicher und mythischer Erklärung
zu vermeiden, denken wir uns lieber als Veranlassung die-
ser Anekdote das vielbenüzte Thema von einem Fischfang
des Petrus auf der einen, und die bekannten Erzählungen
von Kostbarkeiten, die im Leibe von Fischen gefunden
worden, auf der andern Seite. Petrus war, wie wir aus
Matth. 4, Luc. 5, Joh. 21. wissen, in der evangelischen
Sage der Fischer, welchem Jesus in verschiedenen Formen,
zunächst symbolisch, dann eigentlich, den reichen Fang
bescheert hatte. Das Werthvolle des Fangs tritt nun hier
als Geldmünze heraus, welche, wie dergleichen Dinge sonst
im Bauche von Fischen, so durch eine Steigerung des
Wunders gleich im Maule des Fisches gefunden werden
sollte. Daſs es gerade der zur Tempelsteuer erforderliche
Stater ist, könnte durch eine wirkliche Äusserung Jesu
über sein Verhältniſs zu dieser Abgabe, welche zufällig
mit jener Anekdote in Verbindung kam, veranlaſst sein,
oder könnte umgekehrt der in der Sage vom Fischfang zu-
fällig vorhandene Stater an die Tempelabgabe, welche für
zwei Personen eben so viel betrug, und den darauf be-
züglichen Ausspruch Jesu erinnert haben.

In diesen mährchenhaften Ausläufer endigen die See- und
Fisch-Anekdoten.

§. 98.
Die wunderbare Speisung.

Wie in den zulezt betrachteten Geschichten Jesus be-

27) Kaiskr, bibl. Theol. 1, S. 200. vgl. Hase a. a. O.
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[197/0216] Neuntes Kapitel. §. 98. als auch hier ein sagenhaftes Element vorauszusetzen. Dieſs hat man so versucht, daſs man ein wirkliches aber natürliches Faktum als zum Grunde liegend annahm, daſs nämlich Jesus einmal den Petrus angewiesen habe, so lan- ge zu fischen, bis die Tempelsteuer erangelt wäre, woraus dann die Sage entstanden sei, der Fisch habe die Steuer- münze im Maule gehabt 27). Diesen immer ungenügenden Mittelweg zwischen natürlicher und mythischer Erklärung zu vermeiden, denken wir uns lieber als Veranlassung die- ser Anekdote das vielbenüzte Thema von einem Fischfang des Petrus auf der einen, und die bekannten Erzählungen von Kostbarkeiten, die im Leibe von Fischen gefunden worden, auf der andern Seite. Petrus war, wie wir aus Matth. 4, Luc. 5, Joh. 21. wissen, in der evangelischen Sage der Fischer, welchem Jesus in verschiedenen Formen, zunächst symbolisch, dann eigentlich, den reichen Fang bescheert hatte. Das Werthvolle des Fangs tritt nun hier als Geldmünze heraus, welche, wie dergleichen Dinge sonst im Bauche von Fischen, so durch eine Steigerung des Wunders gleich im Maule des Fisches gefunden werden sollte. Daſs es gerade der zur Tempelsteuer erforderliche Stater ist, könnte durch eine wirkliche Äusserung Jesu über sein Verhältniſs zu dieser Abgabe, welche zufällig mit jener Anekdote in Verbindung kam, veranlaſst sein, oder könnte umgekehrt der in der Sage vom Fischfang zu- fällig vorhandene Stater an die Tempelabgabe, welche für zwei Personen eben so viel betrug, und den darauf be- züglichen Ausspruch Jesu erinnert haben. In diesen mährchenhaften Ausläufer endigen die See- und Fisch-Anekdoten. §. 98. Die wunderbare Speisung. Wie in den zulezt betrachteten Geschichten Jesus be- 27) Kaiskr, bibl. Theol. 1, S. 200. vgl. Hase a. a. O.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/216>, abgerufen am 29.03.2024.