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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen.
Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder-
herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus
seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach
der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso
an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein
Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der
Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt,
und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten
auch dieser besonders schwierige Wunderakt.

§. 95.
Sabbatheilungen.

Grossen Anstoss erregte den evangelischen Nachrichten
zufolge Jesus dadurch, dass er nicht selten seine Heilungs-
wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei
Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen-
thümlich, und zwei dem Johannes.

In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli-
chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei-
ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth.
12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung
des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.).
Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über
das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so
fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg
in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts
sich verfügt, und hier aus Anlass der Heilung des Men-
schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über
die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber
waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn-
lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, wesswegen
hier Lukas zu loben ist, dass er durch die Worte: en ete-
ro sabbato den chronologischen Zusammenhang zwischen

Zweiter Abschnitt.
Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen.
Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder-
herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus
seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach
der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso
an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein
Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der
Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt,
und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten
auch dieser besonders schwierige Wunderakt.

§. 95.
Sabbatheilungen.

Groſsen Anstoſs erregte den evangelischen Nachrichten
zufolge Jesus dadurch, daſs er nicht selten seine Heilungs-
wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei
Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen-
thümlich, und zwei dem Johannes.

In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli-
chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei-
ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth.
12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung
des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.).
Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über
das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so
fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg
in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts
sich verfügt, und hier aus Anlaſs der Heilung des Men-
schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über
die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber
waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn-
lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, weſswegen
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ρῳ σαββάτῳ den chronologischen Zusammenhang zwischen

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[122/0141] Zweiter Abschnitt. Erzählung als nothwendiges Gegenbild jener A. T.lichen. Wie dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wieder- herstellung nicht glauben will, wenn der Prophet nicht aus seinem Hause heraus zu ihm trete: so zweifelt hier nach der einen Redaktion der für den Kranken Bittende ebenso an der Möglichkeit der Heilung, wenn nicht Jesus in sein Haus trete, nach der andern im Gegentheil ist er von der Wirksamkeit der Heilkraft Jesu auch ohne das überzeugt, und nach beiden gelingt hier Jesu wie dort dem Propheten auch dieser besonders schwierige Wunderakt. §. 95. Sabbatheilungen. Groſsen Anstoſs erregte den evangelischen Nachrichten zufolge Jesus dadurch, daſs er nicht selten seine Heilungs- wunder am Sabbat verrichtete, wovon ein Beispiel den drei Synoptikern gemeinschaftlich ist, zwei dem Lukas eigen- thümlich, und zwei dem Johannes. In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli- chen Erzählung sind zwei Fälle vermeinter Sabbatsenthei- ligung verbunden, das Ährenraufen der Jünger (Matth. 12, 1. parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung des Menschen mit der verdorrten Hand (V. 9 ff. parall.). Nach der auf dem Felde vorgefallenen Verhandlung über das Ährenraufen fahren die beiden ersten Evangelisten so fort, wie wenn Jesus unmittelbar von dieser Scene weg in die Synagoge desselben nicht näher bezeichneten Orts sich verfügt, und hier aus Anlaſs der Heilung des Men- schen mit der verdorrten Hand abermals einen Streit über die Heiligung des Sabbats gehabt hätte. Offenbar aber waren diese beiden Geschichten ursprünglich nur der Ähn- lichkeit des Inhalts wegen zusammengestellt, weſswegen hier Lukas zu loben ist, daſs er durch die Worte: ἐν ἑτέ- ρῳ σαββάτῳ den chronologischen Zusammenhang zwischen

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/141>, abgerufen am 29.03.2024.