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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Neuntes Kapitel. §. 88.
namentlich persischen, Pneumatologie unter Hebräern und
Griechen ausgebildet 13). Daher denn bei Josephus die
Rede von daimonia tois zosin eisduomena 14), egkathezome-
na 15), und dieselben Vorstellungen auch bei Lucian 16)
und Philostratus 17).

Über die Natur und Herkunft dieser Geister finden
wir in den Evangelien nichts ausdrücklich bemerkt, als
dass sie zum Haushalt des Satan gehören (Matth. 12, 26 ff.
parall.), wesswegen denn, was einer von ihnen thut, auch
geradezu dem Satan zugeschrieben wird (Luc. 13, 16).
Durch Josephus 18), Justin den Märtyrer 19) und Philo-
stratus 20), mit welchen auch rabbinische Schriften über-
einstimmen 21), erfahren wir nun aber, dass diese Dämo-
nien von Hause aus eigentlich abgeschiedene Seelen böser
Menschen seien, und neuere Theologen haben keinen An-
stand genommen, diese Ansicht von ihrer Herkunft auch
dem N. T. unterzulegen 22). Näher bestimmen jedoch

13) s. Creuzer, Symbolik, 3, S. 69 f.; Baur, Apollonius von
Tyana und Christus, S. 144.
14) Bell. jud. 7, 6, 3.
15) Antiq. 6, 11, 2. von dem Zustand Sauls.
16) Philopseud. 16.
17) vita Apollon. 4, 20, 25., vgl. Baur, a. a. O. S. 38 f. 42. In-
dessen spricht auch schon Aristoteles, de mirab. 166. ed Bekk.,
von daimoni tini genomenois katokhois.
18) a. a. O. des bell j.: ta gr kaloumena daimonia -- poneron
esin anthropon pneumata, tsis zosin eisduomena kai kteinonta
tous boetheias me tugkhanontas.
19) Apoll. 1, 18.
20) a. a. O. 3, 38.
21) s. Eisenmenger, entdecktes Judenthum, 2, S. 427.
22) Paulus, exeg. Handb. 2, S. 39; L. J. 1, a, S. 217. Er be-
ruft sich hiefür namentlich auf Matth. 14, 2., wo Herodes
auf das Gerücht von Jesu Wunderthaten hin sagt: ou`~tos esin
Ioannes o baptises, autos egerthe apo ton nekron;
worin Pau-
lus
die rabbinische Ansicht vom `ybvr findet, vermöge des-

Neuntes Kapitel. §. 88.
namentlich persischen, Pneumatologie unter Hebräern und
Griechen ausgebildet 13). Daher denn bei Josephus die
Rede von δαιμόνια τοῖς ζῶσιν εἰσδυόμενα 14), ἐγκαϑεζόμε-
να 15), und dieselben Vorstellungen auch bei Lucian 16)
und Philostratus 17).

Über die Natur und Herkunft dieser Geister finden
wir in den Evangelien nichts ausdrücklich bemerkt, als
daſs sie zum Haushalt des Satan gehören (Matth. 12, 26 ff.
parall.), weſswegen denn, was einer von ihnen thut, auch
geradezu dem Satan zugeschrieben wird (Luc. 13, 16).
Durch Josephus 18), Justin den Märtyrer 19) und Philo-
stratus 20), mit welchen auch rabbinische Schriften über-
einstimmen 21), erfahren wir nun aber, daſs diese Dämo-
nien von Hause aus eigentlich abgeschiedene Seelen böser
Menschen seien, und neuere Theologen haben keinen An-
stand genommen, diese Ansicht von ihrer Herkunft auch
dem N. T. unterzulegen 22). Näher bestimmen jedoch

13) s. Creuzer, Symbolik, 3, S. 69 f.; Baur, Apollonius von
Tyana und Christus, S. 144.
14) Bell. jud. 7, 6, 3.
15) Antiq. 6, 11, 2. von dem Zustand Sauls.
16) Philopseud. 16.
17) vita Apollon. 4, 20, 25., vgl. Baur, a. a. O. S. 38 f. 42. In-
dessen spricht auch schon Aristoteles, de mirab. 166. ed Bekk.,
von δαίμονί τινι γενομένοις κατόχοις.
18) a. a. O. des bell j.: τὰ γρ καλούμενα δαιμόνια — πονηρῶν
ἐςιν ἀνϑρώπων πνεύματα, τσῖς ζῶσιν εἰσδυόμενα καὶ κτείνοντα
τοὺς βοηϑείας μὴ τυγχάνοντας.
19) Apoll. 1, 18.
20) a. a. O. 3, 38.
21) s. Eisenmenger, entdecktes Judenthum, 2, S. 427.
22) Paulus, exeg. Handb. 2, S. 39; L. J. 1, a, S. 217. Er be-
ruft sich hiefür namentlich auf Matth. 14, 2., wo Herodes
auf das Gerücht von Jesu Wunderthaten hin sagt: ου῟τός ἐςιν
Ἰωάννης ὁ βαπτιςὴς, αὐτὸς ἠγέρϑη ἀπὸ τῶν νεκρῶν·
worin Pau-
lus
die rabbinische Ansicht vom עיבור findet, vermöge des-
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[11/0030] Neuntes Kapitel. §. 88. namentlich persischen, Pneumatologie unter Hebräern und Griechen ausgebildet 13). Daher denn bei Josephus die Rede von δαιμόνια τοῖς ζῶσιν εἰσδυόμενα 14), ἐγκαϑεζόμε- να 15), und dieselben Vorstellungen auch bei Lucian 16) und Philostratus 17). Über die Natur und Herkunft dieser Geister finden wir in den Evangelien nichts ausdrücklich bemerkt, als daſs sie zum Haushalt des Satan gehören (Matth. 12, 26 ff. parall.), weſswegen denn, was einer von ihnen thut, auch geradezu dem Satan zugeschrieben wird (Luc. 13, 16). Durch Josephus 18), Justin den Märtyrer 19) und Philo- stratus 20), mit welchen auch rabbinische Schriften über- einstimmen 21), erfahren wir nun aber, daſs diese Dämo- nien von Hause aus eigentlich abgeschiedene Seelen böser Menschen seien, und neuere Theologen haben keinen An- stand genommen, diese Ansicht von ihrer Herkunft auch dem N. T. unterzulegen 22). Näher bestimmen jedoch 13) s. Creuzer, Symbolik, 3, S. 69 f.; Baur, Apollonius von Tyana und Christus, S. 144. 14) Bell. jud. 7, 6, 3. 15) Antiq. 6, 11, 2. von dem Zustand Sauls. 16) Philopseud. 16. 17) vita Apollon. 4, 20, 25., vgl. Baur, a. a. O. S. 38 f. 42. In- dessen spricht auch schon Aristoteles, de mirab. 166. ed Bekk., von δαίμονί τινι γενομένοις κατόχοις. 18) a. a. O. des bell j.: τὰ γρ καλούμενα δαιμόνια — πονηρῶν ἐςιν ἀνϑρώπων πνεύματα, τσῖς ζῶσιν εἰσδυόμενα καὶ κτείνοντα τοὺς βοηϑείας μὴ τυγχάνοντας. 19) Apoll. 1, 18. 20) a. a. O. 3, 38. 21) s. Eisenmenger, entdecktes Judenthum, 2, S. 427. 22) Paulus, exeg. Handb. 2, S. 39; L. J. 1, a, S. 217. Er be- ruft sich hiefür namentlich auf Matth. 14, 2., wo Herodes auf das Gerücht von Jesu Wunderthaten hin sagt: ου῟τός ἐςιν Ἰωάννης ὁ βαπτιςὴς, αὐτὸς ἠγέρϑη ἀπὸ τῶν νεκρῶν· worin Pau- lus die rabbinische Ansicht vom עיבור findet, vermöge des-

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/30>, abgerufen am 28.03.2024.