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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
sammenhang, welcher von selbst auf einen solchen Sinn
des Ausdrucks führt, indem in der Prophetenstelle vor
dem en te emera te trite - meta duo emeras, in der evan-
gelischen aber vor dem te trite - semeron kai aurion steht:
wogegen in allen Stellen, wo Jesus seine Auferstehung
verkündigt, jede solche Veranlassung, von dem bestimmten
Sinn des Ausdrucks abzugehen, fehlt 4). Hat also Jesus
wirklich die Ausdrücke, und in dem Zusammenhang, ge-
braucht, wie die Evangelisten sie ihm in den Mund legen,
so kann er durch dieselben nicht blos uneigentlich den
baldigen Sieg seiner Sache haben verkündigen wollen, son-
dern seine Meinung muss die gewesen sein, er selbst wer-
de drei Tage nach seinem gewaltsamen Tod auf's Neue in
das Leben zurückkehren.

Da jedoch Jesus, dem Benehmen seiner Jünger nach
seinem Tode zufolge, seine Auferstehung nicht mit deutli-
chen Worten vorherverkündigt haben kann: so haben sich
andre Ausleger zu der Einräumung verstanden, die Evan-
gelisten haben den Reden Jesu nach dem Erfolg eine Be-
stimmtheit gegeben, welche sie in Jesu Mund noch nicht
gehabt haben; sie haben das, was Jesus bildlich vom Auf-
schwung seiner Sache nach seinem Tode gesagt habe, nicht
bloss eigentlich verstanden, sondern es dieser Auffassung
gemäss auch so umgeformt, dass, wie wir es jezt lesen,
wir es allerdings eigentlich verstehen müssen 5). Doch
nicht alle betreffenden Reden Jesu seien auf diese Weise
verändert, sondern hie und da auch noch seine ursprüng-
lichen Ausdrücke stehen geblieben.

4) vgl. Süskind, einige Bemerkungen über die Frage, ob Jesus
seine Auferstehung bestimmt vorhergesagt habe? in Flatt's
Magazin, 7, S. 203 ff.
5) Paulus, a. a. O. 2, S. 415 ff. Hase, L. J. §. 109.

Dritter Abschnitt.
sammenhang, welcher von selbst auf einen solchen Sinn
des Ausdrucks führt, indem in der Prophetenstelle vor
dem ἐν τῇ ἡμέρᾳ τῇ τρίτῃ – μετὰ δύο ἡμέρας, in der evan-
gelischen aber vor dem τῇ τρίτῃ – σήμερον καὶ αὔριον steht:
wogegen in allen Stellen, wo Jesus seine Auferstehung
verkündigt, jede solche Veranlassung, von dem bestimmten
Sinn des Ausdrucks abzugehen, fehlt 4). Hat also Jesus
wirklich die Ausdrücke, und in dem Zusammenhang, ge-
braucht, wie die Evangelisten sie ihm in den Mund legen,
so kann er durch dieselben nicht blos uneigentlich den
baldigen Sieg seiner Sache haben verkündigen wollen, son-
dern seine Meinung muſs die gewesen sein, er selbst wer-
de drei Tage nach seinem gewaltsamen Tod auf's Neue in
das Leben zurückkehren.

Da jedoch Jesus, dem Benehmen seiner Jünger nach
seinem Tode zufolge, seine Auferstehung nicht mit deutli-
chen Worten vorherverkündigt haben kann: so haben sich
andre Ausleger zu der Einräumung verstanden, die Evan-
gelisten haben den Reden Jesu nach dem Erfolg eine Be-
stimmtheit gegeben, welche sie in Jesu Mund noch nicht
gehabt haben; sie haben das, was Jesus bildlich vom Auf-
schwung seiner Sache nach seinem Tode gesagt habe, nicht
bloſs eigentlich verstanden, sondern es dieser Auffassung
gemäſs auch so umgeformt, daſs, wie wir es jezt lesen,
wir es allerdings eigentlich verstehen müssen 5). Doch
nicht alle betreffenden Reden Jesu seien auf diese Weise
verändert, sondern hie und da auch noch seine ursprüng-
lichen Ausdrücke stehen geblieben.

4) vgl. Süskind, einige Bemerkungen über die Frage, ob Jesus
seine Auferstehung bestimmt vorhergesagt habe? in Flatt's
Magazin, 7, S. 203 ff.
5) Paulus, a. a. O. 2, S. 415 ff. Hase, L. J. §. 109.
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[328/0347] Dritter Abschnitt. sammenhang, welcher von selbst auf einen solchen Sinn des Ausdrucks führt, indem in der Prophetenstelle vor dem ἐν τῇ ἡμέρᾳ τῇ τρίτῃ – μετὰ δύο ἡμέρας, in der evan- gelischen aber vor dem τῇ τρίτῃ – σήμερον καὶ αὔριον steht: wogegen in allen Stellen, wo Jesus seine Auferstehung verkündigt, jede solche Veranlassung, von dem bestimmten Sinn des Ausdrucks abzugehen, fehlt 4). Hat also Jesus wirklich die Ausdrücke, und in dem Zusammenhang, ge- braucht, wie die Evangelisten sie ihm in den Mund legen, so kann er durch dieselben nicht blos uneigentlich den baldigen Sieg seiner Sache haben verkündigen wollen, son- dern seine Meinung muſs die gewesen sein, er selbst wer- de drei Tage nach seinem gewaltsamen Tod auf's Neue in das Leben zurückkehren. Da jedoch Jesus, dem Benehmen seiner Jünger nach seinem Tode zufolge, seine Auferstehung nicht mit deutli- chen Worten vorherverkündigt haben kann: so haben sich andre Ausleger zu der Einräumung verstanden, die Evan- gelisten haben den Reden Jesu nach dem Erfolg eine Be- stimmtheit gegeben, welche sie in Jesu Mund noch nicht gehabt haben; sie haben das, was Jesus bildlich vom Auf- schwung seiner Sache nach seinem Tode gesagt habe, nicht bloſs eigentlich verstanden, sondern es dieser Auffassung gemäſs auch so umgeformt, daſs, wie wir es jezt lesen, wir es allerdings eigentlich verstehen müssen 5). Doch nicht alle betreffenden Reden Jesu seien auf diese Weise verändert, sondern hie und da auch noch seine ursprüng- lichen Ausdrücke stehen geblieben. 4) vgl. Süskind, einige Bemerkungen über die Frage, ob Jesus seine Auferstehung bestimmt vorhergesagt habe? in Flatt's Magazin, 7, S. 203 ff. 5) Paulus, a. a. O. 2, S. 415 ff. Hase, L. J. §. 109.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/347>, abgerufen am 18.04.2024.