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Strouhal, Vincenz: Ueber eine besondere Art der Tonerregung. In: Annalen der Physik und Chemie. Leipzig, 1878. NF. Bd. V, H. 10, S. 216-251.

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V. Strouhal.
§. 15. Theoretisches.

Die durch Beobachtungen gewonnenen Gesetze der
Luftreibungstöne zeigen, dass diese Art der Tonerregung
in ihrem Wesen von allen sonstigen verschieden sein muss.
Denn wenn auch die Stärke des Anblasens oder Anschlagens
eines musikalischen Instrumentes bekanntlich nicht ohne
Einfluss auf die Tonhöhe ist, so sind diese Einwirkungen
immer von untergeordnetem Betrage. Hier aber findet, wie
wir gesehen haben, ein ungefähr gleichmässiges Wachsen
der Höhe des Reibungstones mit der Bewegungsgeschwin-
digkeit des denselben erzeugenden festen Körpers statt.
Demgemäss wird man auf eine Erklärung durch die An-
regung eines in den räumlichen Verhältnissen begründeten
Eigentones des festen Körpers von vornherein verzichten
müssen.

Wollte man etwa die ringförmige, den Draht um-
gebende Luftmasse ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass
bei den zu den Beobachtungen angewandten cylindrischen
Körpern die Dimensionen des Luftringes Tönen entsprechen
würden, die weit über die Grenze der Wahrnehmbarkeit
liegen. Ein in der Luft bewegter Draht von beispielsweise
1 mm Dicke gibt je nach der Geschwindigkeit verschieden
hohe aber deutlich wahrnehmbare Töne. Eine ringförmige,
den Draht umschliessende Pfeife von etwa 3 mm Länge,
also in diesem Falle, bei der einfachsten Schwingungsweise,
von 3 mm Wellenlänge müsste bei 333 m Schallgeschwindig-
keit einen Ton von 111000 Schwingungen geben; ihr tiefster
Ton würde also weit über die Hörgrenze fallen.

Eine erschöpfende Theorie der Reibungstöne zu geben
bin ich bis jetzt nicht im Stande. Soviel scheint jedoch
ausser allem Zweifel zu stehen, dass die Entstehung
periodischer Luftbewegung bei gleichförmiger Bewegung
eines festen Körpers in der Luft auf Reibung zurück-
zuführen ist, sowohl auf die äussere, welche zwischen dem
festen Körper und den Luftschichten, als auch auf die

V. Strouhal.
§. 15. Theoretisches.

Die durch Beobachtungen gewonnenen Gesetze der
Luftreibungstöne zeigen, dass diese Art der Tonerregung
in ihrem Wesen von allen sonstigen verschieden sein muss.
Denn wenn auch die Stärke des Anblasens oder Anschlagens
eines musikalischen Instrumentes bekanntlich nicht ohne
Einfluss auf die Tonhöhe ist, so sind diese Einwirkungen
immer von untergeordnetem Betrage. Hier aber findet, wie
wir gesehen haben, ein ungefähr gleichmässiges Wachsen
der Höhe des Reibungstones mit der Bewegungsgeschwin-
digkeit des denselben erzeugenden festen Körpers statt.
Demgemäss wird man auf eine Erklärung durch die An-
regung eines in den räumlichen Verhältnissen begründeten
Eigentones des festen Körpers von vornherein verzichten
müssen.

Wollte man etwa die ringförmige, den Draht um-
gebende Luftmasse ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass
bei den zu den Beobachtungen angewandten cylindrischen
Körpern die Dimensionen des Luftringes Tönen entsprechen
würden, die weit über die Grenze der Wahrnehmbarkeit
liegen. Ein in der Luft bewegter Draht von beispielsweise
1 mm Dicke gibt je nach der Geschwindigkeit verschieden
hohe aber deutlich wahrnehmbare Töne. Eine ringförmige,
den Draht umschliessende Pfeife von etwa 3 mm Länge,
also in diesem Falle, bei der einfachsten Schwingungsweise,
von 3 mm Wellenlänge müsste bei 333 m Schallgeschwindig-
keit einen Ton von 111000 Schwingungen geben; ihr tiefster
Ton würde also weit über die Hörgrenze fallen.

Eine erschöpfende Theorie der Reibungstöne zu geben
bin ich bis jetzt nicht im Stande. Soviel scheint jedoch
ausser allem Zweifel zu stehen, dass die Entstehung
periodischer Luftbewegung bei gleichförmiger Bewegung
eines festen Körpers in der Luft auf Reibung zurück-
zuführen ist, sowohl auf die äussere, welche zwischen dem
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[247/0045] V. Strouhal. §. 15. Theoretisches. Die durch Beobachtungen gewonnenen Gesetze der Luftreibungstöne zeigen, dass diese Art der Tonerregung in ihrem Wesen von allen sonstigen verschieden sein muss. Denn wenn auch die Stärke des Anblasens oder Anschlagens eines musikalischen Instrumentes bekanntlich nicht ohne Einfluss auf die Tonhöhe ist, so sind diese Einwirkungen immer von untergeordnetem Betrage. Hier aber findet, wie wir gesehen haben, ein ungefähr gleichmässiges Wachsen der Höhe des Reibungstones mit der Bewegungsgeschwin- digkeit des denselben erzeugenden festen Körpers statt. Demgemäss wird man auf eine Erklärung durch die An- regung eines in den räumlichen Verhältnissen begründeten Eigentones des festen Körpers von vornherein verzichten müssen. Wollte man etwa die ringförmige, den Draht um- gebende Luftmasse ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass bei den zu den Beobachtungen angewandten cylindrischen Körpern die Dimensionen des Luftringes Tönen entsprechen würden, die weit über die Grenze der Wahrnehmbarkeit liegen. Ein in der Luft bewegter Draht von beispielsweise 1 mm Dicke gibt je nach der Geschwindigkeit verschieden hohe aber deutlich wahrnehmbare Töne. Eine ringförmige, den Draht umschliessende Pfeife von etwa 3 mm Länge, also in diesem Falle, bei der einfachsten Schwingungsweise, von 3 mm Wellenlänge müsste bei 333 m Schallgeschwindig- keit einen Ton von 111000 Schwingungen geben; ihr tiefster Ton würde also weit über die Hörgrenze fallen. Eine erschöpfende Theorie der Reibungstöne zu geben bin ich bis jetzt nicht im Stande. Soviel scheint jedoch ausser allem Zweifel zu stehen, dass die Entstehung periodischer Luftbewegung bei gleichförmiger Bewegung eines festen Körpers in der Luft auf Reibung zurück- zuführen ist, sowohl auf die äussere, welche zwischen dem festen Körper und den Luftschichten, als auch auf die

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Zitationshilfe: Strouhal, Vincenz: Ueber eine besondere Art der Tonerregung. In: Annalen der Physik und Chemie. Leipzig, 1878. NF. Bd. V, H. 10, S. 216-251, hier S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strouhal_tonerregung_1878/45>, abgerufen am 28.03.2024.