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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Poß
das man poßirlich nennt. Dieses Poßirliche auch
von wizigen Köpfen zur rechten Zeit nachgeahmt,
wär also das, was in den schönen Künsten zu brau-
chen seyn möchte. Ein poßirlicher Kerl war unstreitig
Sancho Pansta, und ich denke, es werde kein Mensch
vom Geschmak sich scheuhen zu gestehen, daß dieser
trefliche irrende Stallmeister ihm beynahe so viel
Vergnügen gemacht habe, als sein Herr selbst.

Wir können zum Poßirlichen auch die Carricatu-
ren, und was ihnen ähnlich ist, rechnen; wo na-
türliche ins seltsame fallende Fehler auf eine geist-
reiche Art etwas weiter getrieben, und in ein helle-
res Licht gesezt werden.

Man kann von dem Poßirlichen einen doppelten
Gebrauch machen; denn es dienet entweder blos
zur Belustigung, oder zur Verspottung gewisser ernst-
hafter Narrheiten. Die es zur erstern Absicht brauchen
wollen, haben doch dabey zu bedenken, daß das, was
man eigentlich Belustigung und Ergözlichkeit nennt,
von verständigen Menschen nie als ein Hauptge-
schäft, oder eine Hauptangelegenheit, betrieben werde.
Sie ist als eine Erfrischung des Gemüths, das durch
wichtigere Geschäfte ermüdet, oder zu einer allzu
ernsthafter. Stimmung gekommen, anzusehen. Und
diejenigen, die gern einen Hauptstoff daraus machen
möchten, den die Künstler vorzüglich zu bearbeiten
haben, würden die Sach eben so übertreiben, als
die, welche die Lustbarkeiten, als eine Hauptange-
legenheit des Lebens der Menschen ansehen. Nun
ist wol keine verständige Nation, wo nicht die Art
Menschen, die keine wichtigere Angelegenheit kennt,
als ihr Leben in beständiger Lustbarkeit zuzubringen,
ihres Rangs und Reichthums ungeachtet, als eine
Classe sehr wenig bedeutender Menschen angesehen
wird. Darum müssen wir auch, da der Fall ganz
ähnlich ist, eben dieses Urtheil von der Classe der
Künstler fällen, die das blos belnstigende Poßirliche
zu einem Hauptstoff der schönen Künste machen.

Es gehört freylich sehr viel Originalgenie, und
Scharfsinn dazu, im Poßirlichen so glüklich zu seyn,
als Plautus, Cervantes in dem Don Quichotte, Butt-
ler in seinem Hudibras, oder Hogarth in seinen Zeich-
nungen. Aber man muß immer bedenken, daß die
schönen Künste noch eine höhere Besummung haben,
als nur den Originalgeistern lustiger und wiziger
Art Gelegenheit sich zu zeigen, an die Hand zu geben.
Die Kunst ist nicht des Künstlers, sondern dieser ist
der Kunst halber da.

[Spaltenumbruch]
Post

Wichtig kann der Gebrauch des Poßirlichen da-
durch werden, daß es zur Verspottung gewisser wich-
tiger Narrheiten, politischer, sittlicher oder religiö-
ser Schwermereyen, die unter den Menschen große
Verwüstung anrichten könnten, mit viel Nachdruk
kann gebraucht werden. Einem Menschen, der nur
noch etwas von Ehrliebe hat, kann nichts empfind-
licher seyn, als in einem poßirlichen Lichte zu er-
scheinen; weil es gerade die verächtlichste Seite ist,
in der sich ein Mensch zeigen kann. Mancher scheu-
het sich viel weniger davor, daß er für lasterhaft,
als daß er für poßirlich gehalten werde. Ein Künst-
ler, der sich diese Gesinnungen der Menschen zu be-
dienen weiß, kann dadurch viel ausrichten, um sie
im Zaum zu halten. Wir haben aber hiervon schon
anderswo auch gesprochen. (*)

Postament.
(Baukunst.)

Wird auch Basement geschrieben. Eine regelmäßig
verziehrte Erhöhung, auf welche Statuen, Vasen
oder andre Werke der Bildhauer gesezt werden. Das
Postament ist für dergleichen Werke, was der Sän-
lenstuhl für die Säulen ist. Man macht sie sowol
vierekicht, als rund, auch wol gar oval. Allemal
aber bestehen sie aus drey Haupttheilen, dem Fuß,
dem eigentlichen Körper des Postaments, der auf
dem Fuße steht, und dem Kranz, der gleichsam den
Kopf ausmacht. Fuß und Kranz bestehen aus mehr
oder weniger Gliedern, nachdem man dem Posta-
ment mehr oder weniger Zierlichkeit geben will.
Der Haupttheil hat ofte die Figur eines Würfels,
und wird alsdenn auch mit diesem Namen genennt:
meistentheils aber übertrift seine Höhe die Dike.
Ofte werden an den Postamenten der Statuen die
vier Seiten des Würfels, oder Stammes, mit hi-
storischem, oder allegorischem Schnizwerk verziehret.
Die runden Postamente findet man ofte mit aufge-
schlagenen Vorhängen, einer sehr unbedeuteuden Zier-
rath. Der gute Geschmak scheinet für das Posta-
ment Einfalt, als eine Haupteigenschaft zu fodern,
damit nicht das Aug von der Hauptsache, dem dar-
auf stehenden Bild abgezogen, und durch die Menge
der Dinge zerstreut werde. Doch kann es bey Sta-
tuen dienlich seyn, da historische, oder allegorische
Vorstellungen in flachem Schnizwerk, an dem Wür-
fel des Postaments, deren Deutung auf die Sta-
tue geht, sehr wol angebracht sind.

Pracht.
(*) S.
Lächerlich,
Parodie,
Spott.

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Poß
das man poßirlich nennt. Dieſes Poßirliche auch
von wizigen Koͤpfen zur rechten Zeit nachgeahmt,
waͤr alſo das, was in den ſchoͤnen Kuͤnſten zu brau-
chen ſeyn moͤchte. Ein poßirlicher Kerl war unſtreitig
Sancho Panſta, und ich denke, es werde kein Menſch
vom Geſchmak ſich ſcheuhen zu geſtehen, daß dieſer
trefliche irrende Stallmeiſter ihm beynahe ſo viel
Vergnuͤgen gemacht habe, als ſein Herr ſelbſt.

Wir koͤnnen zum Poßirlichen auch die Carricatu-
ren, und was ihnen aͤhnlich iſt, rechnen; wo na-
tuͤrliche ins ſeltſame fallende Fehler auf eine geiſt-
reiche Art etwas weiter getrieben, und in ein helle-
res Licht geſezt werden.

Man kann von dem Poßirlichen einen doppelten
Gebrauch machen; denn es dienet entweder blos
zur Beluſtigung, oder zur Verſpottung gewiſſer ernſt-
hafter Narrheiten. Die es zur erſtern Abſicht brauchen
wollen, haben doch dabey zu bedenken, daß das, was
man eigentlich Beluſtigung und Ergoͤzlichkeit nennt,
von verſtaͤndigen Menſchen nie als ein Hauptge-
ſchaͤft, oder eine Hauptangelegenheit, betrieben werde.
Sie iſt als eine Erfriſchung des Gemuͤths, das durch
wichtigere Geſchaͤfte ermuͤdet, oder zu einer allzu
ernſthafter. Stimmung gekommen, anzuſehen. Und
diejenigen, die gern einen Hauptſtoff daraus machen
moͤchten, den die Kuͤnſtler vorzuͤglich zu bearbeiten
haben, wuͤrden die Sach eben ſo uͤbertreiben, als
die, welche die Luſtbarkeiten, als eine Hauptange-
legenheit des Lebens der Menſchen anſehen. Nun
iſt wol keine verſtaͤndige Nation, wo nicht die Art
Menſchen, die keine wichtigere Angelegenheit kennt,
als ihr Leben in beſtaͤndiger Luſtbarkeit zuzubringen,
ihres Rangs und Reichthums ungeachtet, als eine
Claſſe ſehr wenig bedeutender Menſchen angeſehen
wird. Darum muͤſſen wir auch, da der Fall ganz
aͤhnlich iſt, eben dieſes Urtheil von der Claſſe der
Kuͤnſtler faͤllen, die das blos belnſtigende Poßirliche
zu einem Hauptſtoff der ſchoͤnen Kuͤnſte machen.

Es gehoͤrt freylich ſehr viel Originalgenie, und
Scharfſinn dazu, im Poßirlichen ſo gluͤklich zu ſeyn,
als Plautus, Cervantes in dem Don Quichotte, Butt-
ler in ſeinem Hudibras, oder Hogarth in ſeinen Zeich-
nungen. Aber man muß immer bedenken, daß die
ſchoͤnen Kuͤnſte noch eine hoͤhere Beſummung haben,
als nur den Originalgeiſtern luſtiger und wiziger
Art Gelegenheit ſich zu zeigen, an die Hand zu geben.
Die Kunſt iſt nicht des Kuͤnſtlers, ſondern dieſer iſt
der Kunſt halber da.

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Poſt

Wichtig kann der Gebrauch des Poßirlichen da-
durch werden, daß es zur Verſpottung gewiſſer wich-
tiger Narrheiten, politiſcher, ſittlicher oder religioͤ-
ſer Schwermereyen, die unter den Menſchen große
Verwuͤſtung anrichten koͤnnten, mit viel Nachdruk
kann gebraucht werden. Einem Menſchen, der nur
noch etwas von Ehrliebe hat, kann nichts empfind-
licher ſeyn, als in einem poßirlichen Lichte zu er-
ſcheinen; weil es gerade die veraͤchtlichſte Seite iſt,
in der ſich ein Menſch zeigen kann. Mancher ſcheu-
het ſich viel weniger davor, daß er fuͤr laſterhaft,
als daß er fuͤr poßirlich gehalten werde. Ein Kuͤnſt-
ler, der ſich dieſe Geſinnungen der Menſchen zu be-
dienen weiß, kann dadurch viel ausrichten, um ſie
im Zaum zu halten. Wir haben aber hiervon ſchon
anderswo auch geſprochen. (*)

Poſtament.
(Baukunſt.)

Wird auch Baſement geſchrieben. Eine regelmaͤßig
verziehrte Erhoͤhung, auf welche Statuen, Vaſen
oder andre Werke der Bildhauer geſezt werden. Das
Poſtament iſt fuͤr dergleichen Werke, was der Saͤn-
lenſtuhl fuͤr die Saͤulen iſt. Man macht ſie ſowol
vierekicht, als rund, auch wol gar oval. Allemal
aber beſtehen ſie aus drey Haupttheilen, dem Fuß,
dem eigentlichen Koͤrper des Poſtaments, der auf
dem Fuße ſteht, und dem Kranz, der gleichſam den
Kopf ausmacht. Fuß und Kranz beſtehen aus mehr
oder weniger Gliedern, nachdem man dem Poſta-
ment mehr oder weniger Zierlichkeit geben will.
Der Haupttheil hat ofte die Figur eines Wuͤrfels,
und wird alsdenn auch mit dieſem Namen genennt:
meiſtentheils aber uͤbertrift ſeine Hoͤhe die Dike.
Ofte werden an den Poſtamenten der Statuen die
vier Seiten des Wuͤrfels, oder Stammes, mit hi-
ſtoriſchem, oder allegoriſchem Schnizwerk verziehret.
Die runden Poſtamente findet man ofte mit aufge-
ſchlagenen Vorhaͤngen, einer ſehr unbedeuteuden Zier-
rath. Der gute Geſchmak ſcheinet fuͤr das Poſta-
ment Einfalt, als eine Haupteigenſchaft zu fodern,
damit nicht das Aug von der Hauptſache, dem dar-
auf ſtehenden Bild abgezogen, und durch die Menge
der Dinge zerſtreut werde. Doch kann es bey Sta-
tuen dienlich ſeyn, da hiſtoriſche, oder allegoriſche
Vorſtellungen in flachem Schnizwerk, an dem Wuͤr-
fel des Poſtaments, deren Deutung auf die Sta-
tue geht, ſehr wol angebracht ſind.

Pracht.
(*) S.
Laͤcherlich,
Parodie,
Spott.
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[922[904]/0340] Poß Poſt das man poßirlich nennt. Dieſes Poßirliche auch von wizigen Koͤpfen zur rechten Zeit nachgeahmt, waͤr alſo das, was in den ſchoͤnen Kuͤnſten zu brau- chen ſeyn moͤchte. Ein poßirlicher Kerl war unſtreitig Sancho Panſta, und ich denke, es werde kein Menſch vom Geſchmak ſich ſcheuhen zu geſtehen, daß dieſer trefliche irrende Stallmeiſter ihm beynahe ſo viel Vergnuͤgen gemacht habe, als ſein Herr ſelbſt. Wir koͤnnen zum Poßirlichen auch die Carricatu- ren, und was ihnen aͤhnlich iſt, rechnen; wo na- tuͤrliche ins ſeltſame fallende Fehler auf eine geiſt- reiche Art etwas weiter getrieben, und in ein helle- res Licht geſezt werden. Man kann von dem Poßirlichen einen doppelten Gebrauch machen; denn es dienet entweder blos zur Beluſtigung, oder zur Verſpottung gewiſſer ernſt- hafter Narrheiten. Die es zur erſtern Abſicht brauchen wollen, haben doch dabey zu bedenken, daß das, was man eigentlich Beluſtigung und Ergoͤzlichkeit nennt, von verſtaͤndigen Menſchen nie als ein Hauptge- ſchaͤft, oder eine Hauptangelegenheit, betrieben werde. Sie iſt als eine Erfriſchung des Gemuͤths, das durch wichtigere Geſchaͤfte ermuͤdet, oder zu einer allzu ernſthafter. Stimmung gekommen, anzuſehen. Und diejenigen, die gern einen Hauptſtoff daraus machen moͤchten, den die Kuͤnſtler vorzuͤglich zu bearbeiten haben, wuͤrden die Sach eben ſo uͤbertreiben, als die, welche die Luſtbarkeiten, als eine Hauptange- legenheit des Lebens der Menſchen anſehen. Nun iſt wol keine verſtaͤndige Nation, wo nicht die Art Menſchen, die keine wichtigere Angelegenheit kennt, als ihr Leben in beſtaͤndiger Luſtbarkeit zuzubringen, ihres Rangs und Reichthums ungeachtet, als eine Claſſe ſehr wenig bedeutender Menſchen angeſehen wird. Darum muͤſſen wir auch, da der Fall ganz aͤhnlich iſt, eben dieſes Urtheil von der Claſſe der Kuͤnſtler faͤllen, die das blos belnſtigende Poßirliche zu einem Hauptſtoff der ſchoͤnen Kuͤnſte machen. Es gehoͤrt freylich ſehr viel Originalgenie, und Scharfſinn dazu, im Poßirlichen ſo gluͤklich zu ſeyn, als Plautus, Cervantes in dem Don Quichotte, Butt- ler in ſeinem Hudibras, oder Hogarth in ſeinen Zeich- nungen. Aber man muß immer bedenken, daß die ſchoͤnen Kuͤnſte noch eine hoͤhere Beſummung haben, als nur den Originalgeiſtern luſtiger und wiziger Art Gelegenheit ſich zu zeigen, an die Hand zu geben. Die Kunſt iſt nicht des Kuͤnſtlers, ſondern dieſer iſt der Kunſt halber da. Wichtig kann der Gebrauch des Poßirlichen da- durch werden, daß es zur Verſpottung gewiſſer wich- tiger Narrheiten, politiſcher, ſittlicher oder religioͤ- ſer Schwermereyen, die unter den Menſchen große Verwuͤſtung anrichten koͤnnten, mit viel Nachdruk kann gebraucht werden. Einem Menſchen, der nur noch etwas von Ehrliebe hat, kann nichts empfind- licher ſeyn, als in einem poßirlichen Lichte zu er- ſcheinen; weil es gerade die veraͤchtlichſte Seite iſt, in der ſich ein Menſch zeigen kann. Mancher ſcheu- het ſich viel weniger davor, daß er fuͤr laſterhaft, als daß er fuͤr poßirlich gehalten werde. Ein Kuͤnſt- ler, der ſich dieſe Geſinnungen der Menſchen zu be- dienen weiß, kann dadurch viel ausrichten, um ſie im Zaum zu halten. Wir haben aber hiervon ſchon anderswo auch geſprochen. (*) Poſtament. (Baukunſt.) Wird auch Baſement geſchrieben. Eine regelmaͤßig verziehrte Erhoͤhung, auf welche Statuen, Vaſen oder andre Werke der Bildhauer geſezt werden. Das Poſtament iſt fuͤr dergleichen Werke, was der Saͤn- lenſtuhl fuͤr die Saͤulen iſt. Man macht ſie ſowol vierekicht, als rund, auch wol gar oval. Allemal aber beſtehen ſie aus drey Haupttheilen, dem Fuß, dem eigentlichen Koͤrper des Poſtaments, der auf dem Fuße ſteht, und dem Kranz, der gleichſam den Kopf ausmacht. Fuß und Kranz beſtehen aus mehr oder weniger Gliedern, nachdem man dem Poſta- ment mehr oder weniger Zierlichkeit geben will. Der Haupttheil hat ofte die Figur eines Wuͤrfels, und wird alsdenn auch mit dieſem Namen genennt: meiſtentheils aber uͤbertrift ſeine Hoͤhe die Dike. Ofte werden an den Poſtamenten der Statuen die vier Seiten des Wuͤrfels, oder Stammes, mit hi- ſtoriſchem, oder allegoriſchem Schnizwerk verziehret. Die runden Poſtamente findet man ofte mit aufge- ſchlagenen Vorhaͤngen, einer ſehr unbedeuteuden Zier- rath. Der gute Geſchmak ſcheinet fuͤr das Poſta- ment Einfalt, als eine Haupteigenſchaft zu fodern, damit nicht das Aug von der Hauptſache, dem dar- auf ſtehenden Bild abgezogen, und durch die Menge der Dinge zerſtreut werde. Doch kann es bey Sta- tuen dienlich ſeyn, da hiſtoriſche, oder allegoriſche Vorſtellungen in flachem Schnizwerk, an dem Wuͤr- fel des Poſtaments, deren Deutung auf die Sta- tue geht, ſehr wol angebracht ſind. Pracht. (*) S. Laͤcherlich, Parodie, Spott.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 922[904]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/340>, abgerufen am 20.04.2024.