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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Scha
schildern den gegenwärtigen Charakter der Repu-
blik. Dieses gehöret zum Aesthetischen.

Auf der hintern Seite liegen auf einem steiner-
nen mit einem Teppich bedekten Würfel ein Lorbeer-
und ein Olivenkranz und die Ueberschrift ist: Virtuti
et prudentiae.
Dieses kann auch noch als historisch
angesehen werden; weil dadurch schlechthin ausge-
drukt wird, daß der Künstler dieses Werk aus Hoch-
achtung für die Tugend und Weißheit dieser Repu-
blik verfertiget habe.

Die wesentliche Vollkommenheit der historischen
Schaumünze besteht darin, daß sie die Sache, die
sie blos zur Nachricht ausbreiten will, bestimmt,
deutlich, und kurz ausdrüke, so wie es etwa eine
historische Jnschrift thun würde. Man könnte den
Zwek in der That mit bloßer Schrift auf der Schau-
münz erreichen, und in viel Fällen wären keine Bil-
der nothwendig. Allein wolgezeichnete und gut ge-
arbeitete Bilder, wenn sie auch nichts zur Nach-
richt beytragen, welches der Fall der Hinterseiten
auf den meisten antiken Münzen ist, machen die
Schaumünze schäzbarer; veranlassen, daß man sie
gern und oft betrachtet, und daß dadurch der Zwek
desto sicherer erhalten wird.

Die Bilder, die man auf historische Münzen sezet,
sind Portraite der Personen, die man durch solche
Denkmale ehret; bildliche Vorstellungen der That
oder Begebenheit, wodurch das Denkmal veranlas-
set worden ist, oder der Personen, des Staats,
der Stadt, welche das Denkmal gestiftet hat;
bisweilen wahre Abbildungen von Werken, oder
Erfindungen, die man für wichtig genug hält,
zu vieler Menschen Kenntniß, oder auf die Nach-
welt zu kommen, dergleichen verschiedene merkwür-
dige Gebäude sind, die man auf alten Münzen an-
trifft. Hierüber haben wir außer dem, was vorher
über ihre Deutlichkeit, Kürze und Richtigkeit ange-
merkt worden nichts zu sagen; weil sie ihre übrige
Beschaffenheit, was die Schönheit und den Geschmak
betrifft, mit den andern Werken zeichnender Künste
gemein haben. Nur scheinet es, daß Würde und
edle Einfalt wesentlicher zu solchen Werken, als zu
irgend einer andern Gattung, erfodert werden;
weil es meist öffentliche Werke sind, die ein ganzes
Volk veranstaltet hat, und die für ein ganzes Volk,
auch wol gar für die Nachwelt besonders, bestimmt
sind. Hiezu findet man die besten Muster in den
Sammlungen griechischer und römischer Münzen.
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Scha
Die neuern Werke dieser Art fallen gar oft ins
Schwülstige, ins Uebertriebene, ins Schweere, oder
gar ins Niedrige.

Mehr Nachdenken und Erfindung fodern die ästhe-
tischen Schaumünzen, und es wäre der Bemühung
eines Mannes von Geschmak nicht unwürdig die
Theorie dieses besonderen Nebenzweyges der schönen
Künste zu bearbeiten. Man trifft kaum in irgend
einem andern Theil mehr Mißbrauch, schlechten Ge-
schmak und so vollen Unsinn an, als hier. Unter
der ungeheuren Menge neuerer Schaumünzen sind
die, denen ein Mann von Geschmak Beyfall geben
könnte, höchst selten. Die Hauptsache kommt auf
zwey Punkte an. 1. Daß man einen wichtigen der
Sach angemessenen Gedanken erfinde, der, auch in
so fern er durch Worte ausgedrukt würde, der Sach
anständig, auch vollkommen kräftig, oder ästhetisch
sey. 2. Das eine wolausgesonnene Allegorie die-
sen Gedanken nicht nur richtig ausdruke, sondern
ihn noch stärker und nachdrüklicher sage, als bloße
Worte es vermochten. Dies ist ein höchst schweerer
Punkt. Jch will zur Erläuterung dieser Sach ein
Beyspiehl anführen. Man hat ein Schaustük, das,
wo ich nicht irre, auf den Erbstatthalter der verei-
nigten Niederlande, Wilhelm V, geprägt worden.
Die besondere Veranlassung dazu ist mir nicht be-
kannt, und ich habe das Stük auch nicht bey der
Hand. Nur erinnere ich mich, daß der Gedanken,
den man hat vorstellen wollen, dieser ist: daß der
Prinz vermöge des engen aber zwanglosen Bandes,
das ihn an die vereinigten Republiken heftet, diese
nicht als ein Herr beherrsche, sondern durch seinen
Einfluß die Quelle einer dauerhaften Ordnung und
des Wolstandes geworden. Der Gedanken ist an
sich gut und wichtig. Die Allegorie, wodurch er
sinnlich ausgedrukt wird, ist das Planeten System,
das blos durch den Einfluß der Sonne, daurende
Ordnung, Leben und Nahrung bekommt. Blos
das allgemeine Gesez der Schweere, folglich ein ganz
natürliches Band, verbindet darinn alles zusammen,
und das Haupt, nämlich die Sonne, herrscht zwar,
aber blos zum Wolthun, und nicht despotisch, in-
dem sie selbst dem Zug der Planeten nachgiebt und
beständig von diesen aus ihrer Ruhe gerükt wird.
Dieses wird durch die Umschrift: Unus traho septem,
trahorque ab illis,
wol ausgedrukt. Die Allegorie
ist vollkommen richtig und geistreich: aber sie ist et-
was zu gelehrt, und denn hat sie mehr die Kraft

eines
Zweyter Theil. L l l l l l

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Scha
ſchildern den gegenwaͤrtigen Charakter der Repu-
blik. Dieſes gehoͤret zum Aeſthetiſchen.

Auf der hintern Seite liegen auf einem ſteiner-
nen mit einem Teppich bedekten Wuͤrfel ein Lorbeer-
und ein Olivenkranz und die Ueberſchrift iſt: Virtuti
et prudentiae.
Dieſes kann auch noch als hiſtoriſch
angeſehen werden; weil dadurch ſchlechthin ausge-
drukt wird, daß der Kuͤnſtler dieſes Werk aus Hoch-
achtung fuͤr die Tugend und Weißheit dieſer Repu-
blik verfertiget habe.

Die weſentliche Vollkommenheit der hiſtoriſchen
Schaumuͤnze beſteht darin, daß ſie die Sache, die
ſie blos zur Nachricht ausbreiten will, beſtimmt,
deutlich, und kurz ausdruͤke, ſo wie es etwa eine
hiſtoriſche Jnſchrift thun wuͤrde. Man koͤnnte den
Zwek in der That mit bloßer Schrift auf der Schau-
muͤnz erreichen, und in viel Faͤllen waͤren keine Bil-
der nothwendig. Allein wolgezeichnete und gut ge-
arbeitete Bilder, wenn ſie auch nichts zur Nach-
richt beytragen, welches der Fall der Hinterſeiten
auf den meiſten antiken Muͤnzen iſt, machen die
Schaumuͤnze ſchaͤzbarer; veranlaſſen, daß man ſie
gern und oft betrachtet, und daß dadurch der Zwek
deſto ſicherer erhalten wird.

Die Bilder, die man auf hiſtoriſche Muͤnzen ſezet,
ſind Portraite der Perſonen, die man durch ſolche
Denkmale ehret; bildliche Vorſtellungen der That
oder Begebenheit, wodurch das Denkmal veranlaſ-
ſet worden iſt, oder der Perſonen, des Staats,
der Stadt, welche das Denkmal geſtiftet hat;
bisweilen wahre Abbildungen von Werken, oder
Erfindungen, die man fuͤr wichtig genug haͤlt,
zu vieler Menſchen Kenntniß, oder auf die Nach-
welt zu kommen, dergleichen verſchiedene merkwuͤr-
dige Gebaͤude ſind, die man auf alten Muͤnzen an-
trifft. Hieruͤber haben wir außer dem, was vorher
uͤber ihre Deutlichkeit, Kuͤrze und Richtigkeit ange-
merkt worden nichts zu ſagen; weil ſie ihre uͤbrige
Beſchaffenheit, was die Schoͤnheit und den Geſchmak
betrifft, mit den andern Werken zeichnender Kuͤnſte
gemein haben. Nur ſcheinet es, daß Wuͤrde und
edle Einfalt weſentlicher zu ſolchen Werken, als zu
irgend einer andern Gattung, erfodert werden;
weil es meiſt oͤffentliche Werke ſind, die ein ganzes
Volk veranſtaltet hat, und die fuͤr ein ganzes Volk,
auch wol gar fuͤr die Nachwelt beſonders, beſtimmt
ſind. Hiezu findet man die beſten Muſter in den
Sammlungen griechiſcher und roͤmiſcher Muͤnzen.
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Scha
Die neuern Werke dieſer Art fallen gar oft ins
Schwuͤlſtige, ins Uebertriebene, ins Schweere, oder
gar ins Niedrige.

Mehr Nachdenken und Erfindung fodern die aͤſthe-
tiſchen Schaumuͤnzen, und es waͤre der Bemuͤhung
eines Mannes von Geſchmak nicht unwuͤrdig die
Theorie dieſes beſonderen Nebenzweyges der ſchoͤnen
Kuͤnſte zu bearbeiten. Man trifft kaum in irgend
einem andern Theil mehr Mißbrauch, ſchlechten Ge-
ſchmak und ſo vollen Unſinn an, als hier. Unter
der ungeheuren Menge neuerer Schaumuͤnzen ſind
die, denen ein Mann von Geſchmak Beyfall geben
koͤnnte, hoͤchſt ſelten. Die Hauptſache kommt auf
zwey Punkte an. 1. Daß man einen wichtigen der
Sach angemeſſenen Gedanken erfinde, der, auch in
ſo fern er durch Worte ausgedrukt wuͤrde, der Sach
anſtaͤndig, auch vollkommen kraͤftig, oder aͤſthetiſch
ſey. 2. Das eine wolausgeſonnene Allegorie die-
ſen Gedanken nicht nur richtig ausdruke, ſondern
ihn noch ſtaͤrker und nachdruͤklicher ſage, als bloße
Worte es vermochten. Dies iſt ein hoͤchſt ſchweerer
Punkt. Jch will zur Erlaͤuterung dieſer Sach ein
Beyſpiehl anfuͤhren. Man hat ein Schauſtuͤk, das,
wo ich nicht irre, auf den Erbſtatthalter der verei-
nigten Niederlande, Wilhelm V, gepraͤgt worden.
Die beſondere Veranlaſſung dazu iſt mir nicht be-
kannt, und ich habe das Stuͤk auch nicht bey der
Hand. Nur erinnere ich mich, daß der Gedanken,
den man hat vorſtellen wollen, dieſer iſt: daß der
Prinz vermoͤge des engen aber zwangloſen Bandes,
das ihn an die vereinigten Republiken heftet, dieſe
nicht als ein Herr beherrſche, ſondern durch ſeinen
Einfluß die Quelle einer dauerhaften Ordnung und
des Wolſtandes geworden. Der Gedanken iſt an
ſich gut und wichtig. Die Allegorie, wodurch er
ſinnlich ausgedrukt wird, iſt das Planeten Syſtem,
das blos durch den Einfluß der Sonne, daurende
Ordnung, Leben und Nahrung bekommt. Blos
das allgemeine Geſez der Schweere, folglich ein ganz
natuͤrliches Band, verbindet darinn alles zuſammen,
und das Haupt, naͤmlich die Sonne, herrſcht zwar,
aber blos zum Wolthun, und nicht deſpotiſch, in-
dem ſie ſelbſt dem Zug der Planeten nachgiebt und
beſtaͤndig von dieſen aus ihrer Ruhe geruͤkt wird.
Dieſes wird durch die Umſchrift: Unus traho ſeptem,
trahorque ab illis,
wol ausgedrukt. Die Allegorie
iſt vollkommen richtig und geiſtreich: aber ſie iſt et-
was zu gelehrt, und denn hat ſie mehr die Kraft

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Zweyter Theil. L l l l l l
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[1019[1001]/0448] Scha Scha ſchildern den gegenwaͤrtigen Charakter der Repu- blik. Dieſes gehoͤret zum Aeſthetiſchen. Auf der hintern Seite liegen auf einem ſteiner- nen mit einem Teppich bedekten Wuͤrfel ein Lorbeer- und ein Olivenkranz und die Ueberſchrift iſt: Virtuti et prudentiae. Dieſes kann auch noch als hiſtoriſch angeſehen werden; weil dadurch ſchlechthin ausge- drukt wird, daß der Kuͤnſtler dieſes Werk aus Hoch- achtung fuͤr die Tugend und Weißheit dieſer Repu- blik verfertiget habe. Die weſentliche Vollkommenheit der hiſtoriſchen Schaumuͤnze beſteht darin, daß ſie die Sache, die ſie blos zur Nachricht ausbreiten will, beſtimmt, deutlich, und kurz ausdruͤke, ſo wie es etwa eine hiſtoriſche Jnſchrift thun wuͤrde. Man koͤnnte den Zwek in der That mit bloßer Schrift auf der Schau- muͤnz erreichen, und in viel Faͤllen waͤren keine Bil- der nothwendig. Allein wolgezeichnete und gut ge- arbeitete Bilder, wenn ſie auch nichts zur Nach- richt beytragen, welches der Fall der Hinterſeiten auf den meiſten antiken Muͤnzen iſt, machen die Schaumuͤnze ſchaͤzbarer; veranlaſſen, daß man ſie gern und oft betrachtet, und daß dadurch der Zwek deſto ſicherer erhalten wird. Die Bilder, die man auf hiſtoriſche Muͤnzen ſezet, ſind Portraite der Perſonen, die man durch ſolche Denkmale ehret; bildliche Vorſtellungen der That oder Begebenheit, wodurch das Denkmal veranlaſ- ſet worden iſt, oder der Perſonen, des Staats, der Stadt, welche das Denkmal geſtiftet hat; bisweilen wahre Abbildungen von Werken, oder Erfindungen, die man fuͤr wichtig genug haͤlt, zu vieler Menſchen Kenntniß, oder auf die Nach- welt zu kommen, dergleichen verſchiedene merkwuͤr- dige Gebaͤude ſind, die man auf alten Muͤnzen an- trifft. Hieruͤber haben wir außer dem, was vorher uͤber ihre Deutlichkeit, Kuͤrze und Richtigkeit ange- merkt worden nichts zu ſagen; weil ſie ihre uͤbrige Beſchaffenheit, was die Schoͤnheit und den Geſchmak betrifft, mit den andern Werken zeichnender Kuͤnſte gemein haben. Nur ſcheinet es, daß Wuͤrde und edle Einfalt weſentlicher zu ſolchen Werken, als zu irgend einer andern Gattung, erfodert werden; weil es meiſt oͤffentliche Werke ſind, die ein ganzes Volk veranſtaltet hat, und die fuͤr ein ganzes Volk, auch wol gar fuͤr die Nachwelt beſonders, beſtimmt ſind. Hiezu findet man die beſten Muſter in den Sammlungen griechiſcher und roͤmiſcher Muͤnzen. Die neuern Werke dieſer Art fallen gar oft ins Schwuͤlſtige, ins Uebertriebene, ins Schweere, oder gar ins Niedrige. Mehr Nachdenken und Erfindung fodern die aͤſthe- tiſchen Schaumuͤnzen, und es waͤre der Bemuͤhung eines Mannes von Geſchmak nicht unwuͤrdig die Theorie dieſes beſonderen Nebenzweyges der ſchoͤnen Kuͤnſte zu bearbeiten. Man trifft kaum in irgend einem andern Theil mehr Mißbrauch, ſchlechten Ge- ſchmak und ſo vollen Unſinn an, als hier. Unter der ungeheuren Menge neuerer Schaumuͤnzen ſind die, denen ein Mann von Geſchmak Beyfall geben koͤnnte, hoͤchſt ſelten. Die Hauptſache kommt auf zwey Punkte an. 1. Daß man einen wichtigen der Sach angemeſſenen Gedanken erfinde, der, auch in ſo fern er durch Worte ausgedrukt wuͤrde, der Sach anſtaͤndig, auch vollkommen kraͤftig, oder aͤſthetiſch ſey. 2. Das eine wolausgeſonnene Allegorie die- ſen Gedanken nicht nur richtig ausdruke, ſondern ihn noch ſtaͤrker und nachdruͤklicher ſage, als bloße Worte es vermochten. Dies iſt ein hoͤchſt ſchweerer Punkt. Jch will zur Erlaͤuterung dieſer Sach ein Beyſpiehl anfuͤhren. Man hat ein Schauſtuͤk, das, wo ich nicht irre, auf den Erbſtatthalter der verei- nigten Niederlande, Wilhelm V, gepraͤgt worden. Die beſondere Veranlaſſung dazu iſt mir nicht be- kannt, und ich habe das Stuͤk auch nicht bey der Hand. Nur erinnere ich mich, daß der Gedanken, den man hat vorſtellen wollen, dieſer iſt: daß der Prinz vermoͤge des engen aber zwangloſen Bandes, das ihn an die vereinigten Republiken heftet, dieſe nicht als ein Herr beherrſche, ſondern durch ſeinen Einfluß die Quelle einer dauerhaften Ordnung und des Wolſtandes geworden. Der Gedanken iſt an ſich gut und wichtig. Die Allegorie, wodurch er ſinnlich ausgedrukt wird, iſt das Planeten Syſtem, das blos durch den Einfluß der Sonne, daurende Ordnung, Leben und Nahrung bekommt. Blos das allgemeine Geſez der Schweere, folglich ein ganz natuͤrliches Band, verbindet darinn alles zuſammen, und das Haupt, naͤmlich die Sonne, herrſcht zwar, aber blos zum Wolthun, und nicht deſpotiſch, in- dem ſie ſelbſt dem Zug der Planeten nachgiebt und beſtaͤndig von dieſen aus ihrer Ruhe geruͤkt wird. Dieſes wird durch die Umſchrift: Unus traho ſeptem, trahorque ab illis, wol ausgedrukt. Die Allegorie iſt vollkommen richtig und geiſtreich: aber ſie iſt et- was zu gelehrt, und denn hat ſie mehr die Kraft eines Zweyter Theil. L l l l l l

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1019[1001]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/448>, abgerufen am 20.04.2024.