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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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150. Der geizige Graf von Eberstein.

Unter den Grafen von Eberstein, die in alten Zeiten auf ihrem Schlosse bei Naugard gewohnt haben, ist einstmals ein sehr grausamer und geiziger Herr gewesen. Er ist besonders gegen seine Leute so schlimm gewesen, daß er den Mägden, wenn sie nicht genug gesponnen hatten, die Hände abhauen ließ; oder er ließ sie gar in Flachs einwickeln und so verbrennen. Die armen Leute, welche sich Holz aus seinem Walde holten, ließ er in tiefe Gruben werfen, wo sie eines schrecklichen Hungertodes sterben mußten. Seine Frau ist fast noch böser gewesen als er.

Nachdem Beide ihre Grausamkeiten lange getrieben hatten, hat der Herzog von Stettin zuletzt ein Einsehen gethan, und das Schloß belagert. Der Graf hat zwar mehrere unterirdische Gänge gehabt, um dadurch zu entkommen. Aber er ist sammt seinem Weibe doch zuletzt gefangen, und beide sind zum Tode verurtheilt und geköpft worden. Darauf hat man zum warnenden Andenken ihre Bildnisse in der Capelle zu Naugard aufgerichtet, und auf das Gestell ihre Frevelthaten eingeschrieben. Die Bilder stehen da noch, die Schrift ist aber verlöscht. Vor vielen Jahren nämlich kamen eines Tages zwei vornehme fremde Herren nach Naugard, die haben den Küster gebeten, ihnen die Capelle zu zeigen, was derselbe auch gethan. Wie sie nun darin gewesen, haben sie auf einmal den Küster fortgeschickt, etwas für sie zu holen, und als der Küster zurückkehrt, da ist die Inschrift an dem Gestell verlöscht gewesen. Die beiden Fremden aber waren verschwunden. Man glaubt, daß es zwei Verwandte des Grafengeschlechts aus fernen Landen gewesen seyen.

Mündlich.
150. Der geizige Graf von Eberstein.

Unter den Grafen von Eberstein, die in alten Zeiten auf ihrem Schlosse bei Naugard gewohnt haben, ist einstmals ein sehr grausamer und geiziger Herr gewesen. Er ist besonders gegen seine Leute so schlimm gewesen, daß er den Mägden, wenn sie nicht genug gesponnen hatten, die Hände abhauen ließ; oder er ließ sie gar in Flachs einwickeln und so verbrennen. Die armen Leute, welche sich Holz aus seinem Walde holten, ließ er in tiefe Gruben werfen, wo sie eines schrecklichen Hungertodes sterben mußten. Seine Frau ist fast noch böser gewesen als er.

Nachdem Beide ihre Grausamkeiten lange getrieben hatten, hat der Herzog von Stettin zuletzt ein Einsehen gethan, und das Schloß belagert. Der Graf hat zwar mehrere unterirdische Gänge gehabt, um dadurch zu entkommen. Aber er ist sammt seinem Weibe doch zuletzt gefangen, und beide sind zum Tode verurtheilt und geköpft worden. Darauf hat man zum warnenden Andenken ihre Bildnisse in der Capelle zu Naugard aufgerichtet, und auf das Gestell ihre Frevelthaten eingeschrieben. Die Bilder stehen da noch, die Schrift ist aber verlöscht. Vor vielen Jahren nämlich kamen eines Tages zwei vornehme fremde Herren nach Naugard, die haben den Küster gebeten, ihnen die Capelle zu zeigen, was derselbe auch gethan. Wie sie nun darin gewesen, haben sie auf einmal den Küster fortgeschickt, etwas für sie zu holen, und als der Küster zurückkehrt, da ist die Inschrift an dem Gestell verlöscht gewesen. Die beiden Fremden aber waren verschwunden. Man glaubt, daß es zwei Verwandte des Grafengeschlechts aus fernen Landen gewesen seyen.

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[190/0222] 150. Der geizige Graf von Eberstein. Unter den Grafen von Eberstein, die in alten Zeiten auf ihrem Schlosse bei Naugard gewohnt haben, ist einstmals ein sehr grausamer und geiziger Herr gewesen. Er ist besonders gegen seine Leute so schlimm gewesen, daß er den Mägden, wenn sie nicht genug gesponnen hatten, die Hände abhauen ließ; oder er ließ sie gar in Flachs einwickeln und so verbrennen. Die armen Leute, welche sich Holz aus seinem Walde holten, ließ er in tiefe Gruben werfen, wo sie eines schrecklichen Hungertodes sterben mußten. Seine Frau ist fast noch böser gewesen als er. Nachdem Beide ihre Grausamkeiten lange getrieben hatten, hat der Herzog von Stettin zuletzt ein Einsehen gethan, und das Schloß belagert. Der Graf hat zwar mehrere unterirdische Gänge gehabt, um dadurch zu entkommen. Aber er ist sammt seinem Weibe doch zuletzt gefangen, und beide sind zum Tode verurtheilt und geköpft worden. Darauf hat man zum warnenden Andenken ihre Bildnisse in der Capelle zu Naugard aufgerichtet, und auf das Gestell ihre Frevelthaten eingeschrieben. Die Bilder stehen da noch, die Schrift ist aber verlöscht. Vor vielen Jahren nämlich kamen eines Tages zwei vornehme fremde Herren nach Naugard, die haben den Küster gebeten, ihnen die Capelle zu zeigen, was derselbe auch gethan. Wie sie nun darin gewesen, haben sie auf einmal den Küster fortgeschickt, etwas für sie zu holen, und als der Küster zurückkehrt, da ist die Inschrift an dem Gestell verlöscht gewesen. Die beiden Fremden aber waren verschwunden. Man glaubt, daß es zwei Verwandte des Grafengeschlechts aus fernen Landen gewesen seyen. Mündlich.

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/222>, abgerufen am 29.03.2024.