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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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und über das Denken.
Mannigfaltigen in ihr besonders gewahrgenommen wer-
den. Aber dieß ist es nicht allein; auch dieß Mannig-
faltige muß in seinen Beziehungen auf einander gewahr-
genommen werden. Die Theile, aus denen die Uhr
bestehet, stellen sich in ihrer Lage und Verbindung dar,
wenn die Jdee deutlich ist. Werden die Beziehungen
der Theile selbst gewahrgenommen, so giebt es Urtheile,
welche zu der Jdee allein nicht erfodert werden; nicht
weiter nemlich, als in so ferne sie dunkle Urtheile, oder
Gewahrnehmungen der Dinge in ihren Beziehun-
gen
sind.

6.

Das logische Urtheil setzet schon Jdeen voraus,
und ist eine Art von Gedanken, nemlich, ein Gedanke
von dem Verhältniß, oder von der Beziehung der
Jdeen,
das ist, eine Gewahrnehmung einer Bezie-
hung der Jdeen. Wenn jede Beziehung oder jede Ge-
wahrnehmung ein Urtheil genennet wird, so wird Urthei-
len und Denken einerley seyn.

Da nun nicht jedes Verhältniß oder jede Beziehung
in Einerleyheit und Verschiedenheit bestehet, so kann die
Aktion des Urtheilens auch nicht allemal ein Vergleichen
seyn. So weit ist es gewiß ein Fehler in der Vernunft-
lehre, den ich oben dafür angegeben habe. Es muß
vielmehr Urtheile von verschiedenen Formen geben, und
es giebt auch dergleichen, davon folgende die allgemein-
sten und einfachsten sind:

Eine Sache hat eine Beschaffenheit in sich
und an sich, oder nicht.

Ein Ding ist einerley mit dem andern oder
verschieden von ihm.

Ein Ding ist Ursache oder Wirkung von dem
andern.

Ein

und uͤber das Denken.
Mannigfaltigen in ihr beſonders gewahrgenommen wer-
den. Aber dieß iſt es nicht allein; auch dieß Mannig-
faltige muß in ſeinen Beziehungen auf einander gewahr-
genommen werden. Die Theile, aus denen die Uhr
beſtehet, ſtellen ſich in ihrer Lage und Verbindung dar,
wenn die Jdee deutlich iſt. Werden die Beziehungen
der Theile ſelbſt gewahrgenommen, ſo giebt es Urtheile,
welche zu der Jdee allein nicht erfodert werden; nicht
weiter nemlich, als in ſo ferne ſie dunkle Urtheile, oder
Gewahrnehmungen der Dinge in ihren Beziehun-
gen
ſind.

6.

Das logiſche Urtheil ſetzet ſchon Jdeen voraus,
und iſt eine Art von Gedanken, nemlich, ein Gedanke
von dem Verhaͤltniß, oder von der Beziehung der
Jdeen,
das iſt, eine Gewahrnehmung einer Bezie-
hung der Jdeen. Wenn jede Beziehung oder jede Ge-
wahrnehmung ein Urtheil genennet wird, ſo wird Urthei-
len und Denken einerley ſeyn.

Da nun nicht jedes Verhaͤltniß oder jede Beziehung
in Einerleyheit und Verſchiedenheit beſtehet, ſo kann die
Aktion des Urtheilens auch nicht allemal ein Vergleichen
ſeyn. So weit iſt es gewiß ein Fehler in der Vernunft-
lehre, den ich oben dafuͤr angegeben habe. Es muß
vielmehr Urtheile von verſchiedenen Formen geben, und
es giebt auch dergleichen, davon folgende die allgemein-
ſten und einfachſten ſind:

Eine Sache hat eine Beſchaffenheit in ſich
und an ſich, oder nicht.

Ein Ding iſt einerley mit dem andern oder
verſchieden von ihm.

Ein Ding iſt Urſache oder Wirkung von dem
andern.

Ein
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[365/0425] und uͤber das Denken. Mannigfaltigen in ihr beſonders gewahrgenommen wer- den. Aber dieß iſt es nicht allein; auch dieß Mannig- faltige muß in ſeinen Beziehungen auf einander gewahr- genommen werden. Die Theile, aus denen die Uhr beſtehet, ſtellen ſich in ihrer Lage und Verbindung dar, wenn die Jdee deutlich iſt. Werden die Beziehungen der Theile ſelbſt gewahrgenommen, ſo giebt es Urtheile, welche zu der Jdee allein nicht erfodert werden; nicht weiter nemlich, als in ſo ferne ſie dunkle Urtheile, oder Gewahrnehmungen der Dinge in ihren Beziehun- gen ſind. 6. Das logiſche Urtheil ſetzet ſchon Jdeen voraus, und iſt eine Art von Gedanken, nemlich, ein Gedanke von dem Verhaͤltniß, oder von der Beziehung der Jdeen, das iſt, eine Gewahrnehmung einer Bezie- hung der Jdeen. Wenn jede Beziehung oder jede Ge- wahrnehmung ein Urtheil genennet wird, ſo wird Urthei- len und Denken einerley ſeyn. Da nun nicht jedes Verhaͤltniß oder jede Beziehung in Einerleyheit und Verſchiedenheit beſtehet, ſo kann die Aktion des Urtheilens auch nicht allemal ein Vergleichen ſeyn. So weit iſt es gewiß ein Fehler in der Vernunft- lehre, den ich oben dafuͤr angegeben habe. Es muß vielmehr Urtheile von verſchiedenen Formen geben, und es giebt auch dergleichen, davon folgende die allgemein- ſten und einfachſten ſind: Eine Sache hat eine Beſchaffenheit in ſich und an ſich, oder nicht. Ein Ding iſt einerley mit dem andern oder verſchieden von ihm. Ein Ding iſt Urſache oder Wirkung von dem andern. Ein

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/425>, abgerufen am 18.04.2024.