Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

der allgem. Vernunftwahrheiten, etc.
8) Fortsetzung des vorhergehenden. Warum
die Schönheit mehr etwas blos subjektivi-
sches sey als die Wahrheit?

9) Fortsetzung der Betrachtung über die Er-
fodernisse bey unsern Jmpressionen, wenn
die Erkenntniß objektivisch seyn soll.

10) Gang der gesunden Vernunft, wenn sie
ihre Kenntnisse für mehr als bloßen Schein
ansieht. Beweis daß etwas Objektivisches
in unserer Erkenntniß von wirklichen Din-
gen enthalten sey.

11) Worauf die Unterscheidung zwischen noth-
wendigen und zufälligen Wahrheiten beruhe.

12) Das subjektivische Gesetz des zufälligen
Beyfalls, und das Gesetz, nach welchem
etwas objektivisch für zufällig erkannt wird

1.

Die subjektivische Nothwendigkeit nach den allge-
meinen Gesetzen des Verstandes zu denken, erken-
nen wir aus der Beobachtung. Wir empfinden es, daß
wir keine viereckte Zirkel uns vorstellen, und kein Ding
für unterschieden von sich selbst halten können. Auf diese
subjektivische Nothwendigkeit gründen wir die objekti-
vische:
Die Unmöglichkeit, die Dinge anders zu den-
ken, wird den Dingen außer dem Verstande beygeleget.
Unsere Jdeen sind nun nicht mehr Jdeen in uns; es
sind Sachen außer uns. Die Beschaffenheiten und Ver-
hältnisse, die wir in jenen gewahrnehmen, stellen sich
uns als Beschaffenheiten und Verhältnisse der Sachen
selbst vor, die diesen auch ohne unser Denken zukommen,
und von jedem andern denkenden Wesen in ihnen erkannt

werden
L l 2

der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
8) Fortſetzung des vorhergehenden. Warum
die Schoͤnheit mehr etwas blos ſubjektivi-
ſches ſey als die Wahrheit?

9) Fortſetzung der Betrachtung uͤber die Er-
foderniſſe bey unſern Jmpreſſionen, wenn
die Erkenntniß objektiviſch ſeyn ſoll.

10) Gang der geſunden Vernunft, wenn ſie
ihre Kenntniſſe fuͤr mehr als bloßen Schein
anſieht. Beweis daß etwas Objektiviſches
in unſerer Erkenntniß von wirklichen Din-
gen enthalten ſey.

11) Worauf die Unterſcheidung zwiſchen noth-
wendigen und zufaͤlligen Wahrheiten beruhe.

12) Das ſubjektiviſche Geſetz des zufaͤlligen
Beyfalls, und das Geſetz, nach welchem
etwas objektiviſch fuͤr zufaͤllig erkannt wird

1.

Die ſubjektiviſche Nothwendigkeit nach den allge-
meinen Geſetzen des Verſtandes zu denken, erken-
nen wir aus der Beobachtung. Wir empfinden es, daß
wir keine viereckte Zirkel uns vorſtellen, und kein Ding
fuͤr unterſchieden von ſich ſelbſt halten koͤnnen. Auf dieſe
ſubjektiviſche Nothwendigkeit gruͤnden wir die objekti-
viſche:
Die Unmoͤglichkeit, die Dinge anders zu den-
ken, wird den Dingen außer dem Verſtande beygeleget.
Unſere Jdeen ſind nun nicht mehr Jdeen in uns; es
ſind Sachen außer uns. Die Beſchaffenheiten und Ver-
haͤltniſſe, die wir in jenen gewahrnehmen, ſtellen ſich
uns als Beſchaffenheiten und Verhaͤltniſſe der Sachen
ſelbſt vor, die dieſen auch ohne unſer Denken zukommen,
und von jedem andern denkenden Weſen in ihnen erkannt

werden
L l 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <argument>
            <p>
              <pb facs="#f0591" n="531"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der allgem. Vernunftwahrheiten, &#x204A;c.</hi> </fw><lb/>
              <list>
                <item>8) <hi rendition="#fr">Fort&#x017F;etzung des vorhergehenden. Warum<lb/>
die Scho&#x0364;nheit mehr etwas blos &#x017F;ubjektivi-<lb/>
&#x017F;ches &#x017F;ey als die Wahrheit?</hi></item><lb/>
                <item>9) <hi rendition="#fr">Fort&#x017F;etzung der Betrachtung u&#x0364;ber die Er-<lb/>
foderni&#x017F;&#x017F;e bey un&#x017F;ern Jmpre&#x017F;&#x017F;ionen, wenn<lb/>
die Erkenntniß objektivi&#x017F;ch &#x017F;eyn &#x017F;oll.</hi></item><lb/>
                <item>10) <hi rendition="#fr">Gang der ge&#x017F;unden Vernunft, wenn &#x017F;ie<lb/>
ihre Kenntni&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r mehr als bloßen Schein<lb/>
an&#x017F;ieht. Beweis daß etwas Objektivi&#x017F;ches<lb/>
in un&#x017F;erer Erkenntniß von wirklichen Din-<lb/>
gen enthalten &#x017F;ey.</hi></item><lb/>
                <item>11) <hi rendition="#fr">Worauf die Unter&#x017F;cheidung zwi&#x017F;chen noth-<lb/>
wendigen und zufa&#x0364;lligen Wahrheiten beruhe.</hi></item><lb/>
                <item>12) <hi rendition="#fr">Das &#x017F;ubjektivi&#x017F;che Ge&#x017F;etz des zufa&#x0364;lligen<lb/>
Beyfalls, und das Ge&#x017F;etz, nach welchem<lb/>
etwas objektivi&#x017F;ch fu&#x0364;r zufa&#x0364;llig erkannt wird</hi></item>
              </list>
            </p>
          </argument><lb/>
          <div n="3">
            <head>1.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie <hi rendition="#fr">&#x017F;ubjektivi&#x017F;che</hi> Nothwendigkeit nach den allge-<lb/>
meinen Ge&#x017F;etzen des Ver&#x017F;tandes zu denken, erken-<lb/>
nen wir aus der Beobachtung. Wir empfinden es, daß<lb/>
wir keine viereckte Zirkel uns vor&#x017F;tellen, und kein Ding<lb/>
fu&#x0364;r unter&#x017F;chieden von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t halten ko&#x0364;nnen. Auf die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ubjektivi&#x017F;che Nothwendigkeit gru&#x0364;nden wir die <hi rendition="#fr">objekti-<lb/>
vi&#x017F;che:</hi> Die Unmo&#x0364;glichkeit, die Dinge anders zu den-<lb/>
ken, wird den Dingen außer dem Ver&#x017F;tande beygeleget.<lb/>
Un&#x017F;ere Jdeen &#x017F;ind nun nicht mehr Jdeen in uns; es<lb/>
&#x017F;ind Sachen außer uns. Die Be&#x017F;chaffenheiten und Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, die wir in jenen gewahrnehmen, &#x017F;tellen &#x017F;ich<lb/>
uns als Be&#x017F;chaffenheiten und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Sachen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t vor, die die&#x017F;en auch ohne un&#x017F;er Denken zukommen,<lb/>
und von jedem andern denkenden We&#x017F;en in ihnen erkannt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l 2</fw><fw place="bottom" type="catch">werden</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[531/0591] der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c. 8) Fortſetzung des vorhergehenden. Warum die Schoͤnheit mehr etwas blos ſubjektivi- ſches ſey als die Wahrheit? 9) Fortſetzung der Betrachtung uͤber die Er- foderniſſe bey unſern Jmpreſſionen, wenn die Erkenntniß objektiviſch ſeyn ſoll. 10) Gang der geſunden Vernunft, wenn ſie ihre Kenntniſſe fuͤr mehr als bloßen Schein anſieht. Beweis daß etwas Objektiviſches in unſerer Erkenntniß von wirklichen Din- gen enthalten ſey. 11) Worauf die Unterſcheidung zwiſchen noth- wendigen und zufaͤlligen Wahrheiten beruhe. 12) Das ſubjektiviſche Geſetz des zufaͤlligen Beyfalls, und das Geſetz, nach welchem etwas objektiviſch fuͤr zufaͤllig erkannt wird 1. Die ſubjektiviſche Nothwendigkeit nach den allge- meinen Geſetzen des Verſtandes zu denken, erken- nen wir aus der Beobachtung. Wir empfinden es, daß wir keine viereckte Zirkel uns vorſtellen, und kein Ding fuͤr unterſchieden von ſich ſelbſt halten koͤnnen. Auf dieſe ſubjektiviſche Nothwendigkeit gruͤnden wir die objekti- viſche: Die Unmoͤglichkeit, die Dinge anders zu den- ken, wird den Dingen außer dem Verſtande beygeleget. Unſere Jdeen ſind nun nicht mehr Jdeen in uns; es ſind Sachen außer uns. Die Beſchaffenheiten und Ver- haͤltniſſe, die wir in jenen gewahrnehmen, ſtellen ſich uns als Beſchaffenheiten und Verhaͤltniſſe der Sachen ſelbſt vor, die dieſen auch ohne unſer Denken zukommen, und von jedem andern denkenden Weſen in ihnen erkannt werden L l 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/591
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/591>, abgerufen am 25.04.2024.