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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Werthschätzung eines Landguts.
zirender Bürger würde, ohne darum alle kriegerischen Uebungen zu vernachlässigen,
so müßte ein solcher Staat gegen feindliche Einfälle eben so gesichert, als glücklich und
vermögend in seinem Innern seyn.

§. 112.

Bevölkerung.Je stärker die Bevölkerung eines Landes, um desto vortheilhafter ist der Acker-
bau, und um desto größer der Werth des Grund und Bodens. Es kömmt aber
noch besonders auf die Art der Bevölkerung, auf die Stärke der verschiedenen Klassen
der Menschen und deren Verhältniß zu einander an.

Eine große städtische Bevölkerung ist dem Ackerbau in merkantilischer Rücksicht
sehr günstig, indem sie den Absatz vieler und mannigfaltiger Produkte sichert. Dage-
gen aber entziehen viele und große Städte dem Ackerbau auch die brauchbarsten und
thätigsten Menschen, verderben durch ihre nahe Nachbarschaft oft die Moralität des
Landvolks, und erschweren dadurch den Betrieb der Landwirthschaft. Auf die Nähe
einer großen Stadt muß die ganze Wirthschaftsart besonders berechnet seyn, wenn
man den möglichsten Vortheil daraus ziehen will, der dann freilich andere daraus er-
folgende Beschwerden leicht überwiegt. Für den, der eine ruhige, feste Wirth-
schaft liebt, nur produziren, nicht spekuliren mag, ist die zu große Nähe einer Stadt
gerade nicht sehr wünschenswerth, und er wird sich daselbst nicht ankaufen, weil der
Preis der Grundstücke hier natürlich um vieles höher ist.

Die ländliche Bevölkerung kann groß seyn in Ansehung derer, die selbst Wirth-
schaft betreiben, oder in Ansehung der für andere arbeitenden und dienenden Klasse.
Wo das Landeigenthum sehr vertheilt ist und die Besitzungen klein sind, da ist in der
Regel der Werth der Grundstücke am größten und die Produktion am stärksten, be-
sonders wenn nicht fehlerhafte Einrichtungen und zu große Armuth, vielleicht eine gar
zu übertriebene Zerstückelung, die Betriebsamkeit der Landbauer lähmt. Eine grö-
ßere Landwirthschaft wird hier aber selten mit Vortheil betrieben werden können, in-
dem der Grund und Boden nicht nur sehr theuer ist, und eine hohe Rente an und für
sich gewährt, sondern auch die Arbeit gewöhnlich hoch bezahlt werden muß, und über-
dem der Absatz der Produkte schwierig zu seyn pflegt, indem jeder seinen Bedarf selbst
bauet, und in der Regel einen Ueberschuß hat, den er zu Markte bringt, und so
die große Konkurrenz der Verkäufer den Marktpreis oft unter den Produktions-
preis herabsetzt.


Werthſchaͤtzung eines Landguts.
zirender Buͤrger wuͤrde, ohne darum alle kriegeriſchen Uebungen zu vernachlaͤſſigen,
ſo muͤßte ein ſolcher Staat gegen feindliche Einfaͤlle eben ſo geſichert, als gluͤcklich und
vermoͤgend in ſeinem Innern ſeyn.

§. 112.

Bevoͤlkerung.Je ſtaͤrker die Bevoͤlkerung eines Landes, um deſto vortheilhafter iſt der Acker-
bau, und um deſto groͤßer der Werth des Grund und Bodens. Es koͤmmt aber
noch beſonders auf die Art der Bevoͤlkerung, auf die Staͤrke der verſchiedenen Klaſſen
der Menſchen und deren Verhaͤltniß zu einander an.

Eine große ſtaͤdtiſche Bevoͤlkerung iſt dem Ackerbau in merkantiliſcher Ruͤckſicht
ſehr guͤnſtig, indem ſie den Abſatz vieler und mannigfaltiger Produkte ſichert. Dage-
gen aber entziehen viele und große Staͤdte dem Ackerbau auch die brauchbarſten und
thaͤtigſten Menſchen, verderben durch ihre nahe Nachbarſchaft oft die Moralitaͤt des
Landvolks, und erſchweren dadurch den Betrieb der Landwirthſchaft. Auf die Naͤhe
einer großen Stadt muß die ganze Wirthſchaftsart beſonders berechnet ſeyn, wenn
man den moͤglichſten Vortheil daraus ziehen will, der dann freilich andere daraus er-
folgende Beſchwerden leicht uͤberwiegt. Fuͤr den, der eine ruhige, feſte Wirth-
ſchaft liebt, nur produziren, nicht ſpekuliren mag, iſt die zu große Naͤhe einer Stadt
gerade nicht ſehr wuͤnſchenswerth, und er wird ſich daſelbſt nicht ankaufen, weil der
Preis der Grundſtuͤcke hier natuͤrlich um vieles hoͤher iſt.

Die laͤndliche Bevoͤlkerung kann groß ſeyn in Anſehung derer, die ſelbſt Wirth-
ſchaft betreiben, oder in Anſehung der fuͤr andere arbeitenden und dienenden Klaſſe.
Wo das Landeigenthum ſehr vertheilt iſt und die Beſitzungen klein ſind, da iſt in der
Regel der Werth der Grundſtuͤcke am groͤßten und die Produktion am ſtaͤrkſten, be-
ſonders wenn nicht fehlerhafte Einrichtungen und zu große Armuth, vielleicht eine gar
zu uͤbertriebene Zerſtuͤckelung, die Betriebſamkeit der Landbauer laͤhmt. Eine groͤ-
ßere Landwirthſchaft wird hier aber ſelten mit Vortheil betrieben werden koͤnnen, in-
dem der Grund und Boden nicht nur ſehr theuer iſt, und eine hohe Rente an und fuͤr
ſich gewaͤhrt, ſondern auch die Arbeit gewoͤhnlich hoch bezahlt werden muß, und uͤber-
dem der Abſatz der Produkte ſchwierig zu ſeyn pflegt, indem jeder ſeinen Bedarf ſelbſt
bauet, und in der Regel einen Ueberſchuß hat, den er zu Markte bringt, und ſo
die große Konkurrenz der Verkaͤufer den Marktpreis oft unter den Produktions-
preis herabſetzt.


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[74/0104] Werthſchaͤtzung eines Landguts. zirender Buͤrger wuͤrde, ohne darum alle kriegeriſchen Uebungen zu vernachlaͤſſigen, ſo muͤßte ein ſolcher Staat gegen feindliche Einfaͤlle eben ſo geſichert, als gluͤcklich und vermoͤgend in ſeinem Innern ſeyn. §. 112. Je ſtaͤrker die Bevoͤlkerung eines Landes, um deſto vortheilhafter iſt der Acker- bau, und um deſto groͤßer der Werth des Grund und Bodens. Es koͤmmt aber noch beſonders auf die Art der Bevoͤlkerung, auf die Staͤrke der verſchiedenen Klaſſen der Menſchen und deren Verhaͤltniß zu einander an. Bevoͤlkerung. Eine große ſtaͤdtiſche Bevoͤlkerung iſt dem Ackerbau in merkantiliſcher Ruͤckſicht ſehr guͤnſtig, indem ſie den Abſatz vieler und mannigfaltiger Produkte ſichert. Dage- gen aber entziehen viele und große Staͤdte dem Ackerbau auch die brauchbarſten und thaͤtigſten Menſchen, verderben durch ihre nahe Nachbarſchaft oft die Moralitaͤt des Landvolks, und erſchweren dadurch den Betrieb der Landwirthſchaft. Auf die Naͤhe einer großen Stadt muß die ganze Wirthſchaftsart beſonders berechnet ſeyn, wenn man den moͤglichſten Vortheil daraus ziehen will, der dann freilich andere daraus er- folgende Beſchwerden leicht uͤberwiegt. Fuͤr den, der eine ruhige, feſte Wirth- ſchaft liebt, nur produziren, nicht ſpekuliren mag, iſt die zu große Naͤhe einer Stadt gerade nicht ſehr wuͤnſchenswerth, und er wird ſich daſelbſt nicht ankaufen, weil der Preis der Grundſtuͤcke hier natuͤrlich um vieles hoͤher iſt. Die laͤndliche Bevoͤlkerung kann groß ſeyn in Anſehung derer, die ſelbſt Wirth- ſchaft betreiben, oder in Anſehung der fuͤr andere arbeitenden und dienenden Klaſſe. Wo das Landeigenthum ſehr vertheilt iſt und die Beſitzungen klein ſind, da iſt in der Regel der Werth der Grundſtuͤcke am groͤßten und die Produktion am ſtaͤrkſten, be- ſonders wenn nicht fehlerhafte Einrichtungen und zu große Armuth, vielleicht eine gar zu uͤbertriebene Zerſtuͤckelung, die Betriebſamkeit der Landbauer laͤhmt. Eine groͤ- ßere Landwirthſchaft wird hier aber ſelten mit Vortheil betrieben werden koͤnnen, in- dem der Grund und Boden nicht nur ſehr theuer iſt, und eine hohe Rente an und fuͤr ſich gewaͤhrt, ſondern auch die Arbeit gewoͤhnlich hoch bezahlt werden muß, und uͤber- dem der Abſatz der Produkte ſchwierig zu ſeyn pflegt, indem jeder ſeinen Bedarf ſelbſt bauet, und in der Regel einen Ueberſchuß hat, den er zu Markte bringt, und ſo die große Konkurrenz der Verkaͤufer den Marktpreis oft unter den Produktions- preis herabſetzt.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/104>, abgerufen am 28.03.2024.