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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
das Ganze übertragen hat, Anordnungen macht und Befehle giebt an Unterverwal-
ter oder Ackervoigte, so wird sich kein rechtlicher Mann dieses gefallen lassen, son-
dern sofort seinen Dienst niederlegen, wozu er dann, wenn er sich anders in dem
Kontrakte gehörig vorgesehen hat, das völlige Recht besitzt.

§. 205.

Die Eigenschaften, welche der Direktor einer großen Wirthschaft besitzenEigenschaften
eines Wirth-
schaftsdirek-
tors.

muß, sind dieselben, die ich von jedem rationellen Landwirthe gefordert habe.
Daß dazu noch eine vorzügliche Rechtschaffenheit und ein entschiedenes Ueberge-
wicht des Pflichtgefühls über alle Regungen des Egoismus hinzukommen müsse,
wenn die Wirthschaft nicht sein Eigenthum ist, versteht sich von selbst. Männer
dieser Art sind selten, und konnten unter den bisherigen Verhältnissen und der
Rohheit, worin sich das landwirthschaftliche Gewerbe befand, nicht häufig ge-
bildet werden. Indessen giebt es solche, die sich, besonders durch Enthusiasmus
für die Sache, dem sie lange jede persönliche Rücksicht aufopferten, zu einer
Stufe seltener Vollkommenheit emporgeschwungen haben, und dennoch wegen
des größern Wirkungskreises lieber die Administration großer Landgüter führen,
als selbst eine kleinere Pachtung annehmen. Es ist zu bedauern, daß dagegen
andere vorzügliche Subjekte, aus Neigung, eine eigenthümliche Wirthschaft zu
besitzen, ihre Thätigkeit und Talente mehrentheils auf einen zu kleinen Wirkungs-
kreis beschränkten, obwohl man ihnen dies keinesweges verdenken kann.

Daß Männer dieser Art so salarirt seyn wollen und müssen, daß sie nicht
nur mit derjenigen Bequemlichkeit leben können, welche Anstrengung des Geistes
durchaus erfordert, sondern auch ihren Kindern eine gebildete Erziehung geben
können, ist eine sehr gerechte Forderung, und wer mit ihrer Salarirung geizt,
weil er nicht bedenkt, wie groß die Vortheile sind, die ein einsichtsvoller Mann
ihm schaffen kann, der wird nie einen solchen erhalten.

§. 206.

Die Art der Salarirung wird verschieden bestimmt. Man hat es mehren-Salarirung
desselben.

theils für vortheilhaft gehalten, eine bestimmte Quote von dem reinen Ertrage
im Ganzen, oder aber von dem, was eine Wirthschaft über eine gewisse An-
schlagssumme giebt, als Hauptsalarium zu bestimmen. Diese Einrichtung hat,
von einer Seite betrachtet, sehr vieles für sich, und fällt bei einem wirklich

Erster Theil. A a

Direktion der Wirthſchaft.
das Ganze uͤbertragen hat, Anordnungen macht und Befehle giebt an Unterverwal-
ter oder Ackervoigte, ſo wird ſich kein rechtlicher Mann dieſes gefallen laſſen, ſon-
dern ſofort ſeinen Dienſt niederlegen, wozu er dann, wenn er ſich anders in dem
Kontrakte gehoͤrig vorgeſehen hat, das voͤllige Recht beſitzt.

§. 205.

Die Eigenſchaften, welche der Direktor einer großen Wirthſchaft beſitzenEigenſchaften
eines Wirth-
ſchaftsdirek-
tors.

muß, ſind dieſelben, die ich von jedem rationellen Landwirthe gefordert habe.
Daß dazu noch eine vorzuͤgliche Rechtſchaffenheit und ein entſchiedenes Ueberge-
wicht des Pflichtgefuͤhls uͤber alle Regungen des Egoismus hinzukommen muͤſſe,
wenn die Wirthſchaft nicht ſein Eigenthum iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Maͤnner
dieſer Art ſind ſelten, und konnten unter den bisherigen Verhaͤltniſſen und der
Rohheit, worin ſich das landwirthſchaftliche Gewerbe befand, nicht haͤufig ge-
bildet werden. Indeſſen giebt es ſolche, die ſich, beſonders durch Enthuſiasmus
fuͤr die Sache, dem ſie lange jede perſoͤnliche Ruͤckſicht aufopferten, zu einer
Stufe ſeltener Vollkommenheit emporgeſchwungen haben, und dennoch wegen
des groͤßern Wirkungskreiſes lieber die Adminiſtration großer Landguͤter fuͤhren,
als ſelbſt eine kleinere Pachtung annehmen. Es iſt zu bedauern, daß dagegen
andere vorzuͤgliche Subjekte, aus Neigung, eine eigenthuͤmliche Wirthſchaft zu
beſitzen, ihre Thaͤtigkeit und Talente mehrentheils auf einen zu kleinen Wirkungs-
kreis beſchraͤnkten, obwohl man ihnen dies keinesweges verdenken kann.

Daß Maͤnner dieſer Art ſo ſalarirt ſeyn wollen und muͤſſen, daß ſie nicht
nur mit derjenigen Bequemlichkeit leben koͤnnen, welche Anſtrengung des Geiſtes
durchaus erfordert, ſondern auch ihren Kindern eine gebildete Erziehung geben
koͤnnen, iſt eine ſehr gerechte Forderung, und wer mit ihrer Salarirung geizt,
weil er nicht bedenkt, wie groß die Vortheile ſind, die ein einſichtsvoller Mann
ihm ſchaffen kann, der wird nie einen ſolchen erhalten.

§. 206.

Die Art der Salarirung wird verſchieden beſtimmt. Man hat es mehren-Salarirung
deſſelben.

theils fuͤr vortheilhaft gehalten, eine beſtimmte Quote von dem reinen Ertrage
im Ganzen, oder aber von dem, was eine Wirthſchaft uͤber eine gewiſſe An-
ſchlagsſumme giebt, als Hauptſalarium zu beſtimmen. Dieſe Einrichtung hat,
von einer Seite betrachtet, ſehr vieles fuͤr ſich, und faͤllt bei einem wirklich

Erſter Theil. A a
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[185/0215] Direktion der Wirthſchaft. das Ganze uͤbertragen hat, Anordnungen macht und Befehle giebt an Unterverwal- ter oder Ackervoigte, ſo wird ſich kein rechtlicher Mann dieſes gefallen laſſen, ſon- dern ſofort ſeinen Dienſt niederlegen, wozu er dann, wenn er ſich anders in dem Kontrakte gehoͤrig vorgeſehen hat, das voͤllige Recht beſitzt. §. 205. Die Eigenſchaften, welche der Direktor einer großen Wirthſchaft beſitzen muß, ſind dieſelben, die ich von jedem rationellen Landwirthe gefordert habe. Daß dazu noch eine vorzuͤgliche Rechtſchaffenheit und ein entſchiedenes Ueberge- wicht des Pflichtgefuͤhls uͤber alle Regungen des Egoismus hinzukommen muͤſſe, wenn die Wirthſchaft nicht ſein Eigenthum iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Maͤnner dieſer Art ſind ſelten, und konnten unter den bisherigen Verhaͤltniſſen und der Rohheit, worin ſich das landwirthſchaftliche Gewerbe befand, nicht haͤufig ge- bildet werden. Indeſſen giebt es ſolche, die ſich, beſonders durch Enthuſiasmus fuͤr die Sache, dem ſie lange jede perſoͤnliche Ruͤckſicht aufopferten, zu einer Stufe ſeltener Vollkommenheit emporgeſchwungen haben, und dennoch wegen des groͤßern Wirkungskreiſes lieber die Adminiſtration großer Landguͤter fuͤhren, als ſelbſt eine kleinere Pachtung annehmen. Es iſt zu bedauern, daß dagegen andere vorzuͤgliche Subjekte, aus Neigung, eine eigenthuͤmliche Wirthſchaft zu beſitzen, ihre Thaͤtigkeit und Talente mehrentheils auf einen zu kleinen Wirkungs- kreis beſchraͤnkten, obwohl man ihnen dies keinesweges verdenken kann. Eigenſchaften eines Wirth- ſchaftsdirek- tors. Daß Maͤnner dieſer Art ſo ſalarirt ſeyn wollen und muͤſſen, daß ſie nicht nur mit derjenigen Bequemlichkeit leben koͤnnen, welche Anſtrengung des Geiſtes durchaus erfordert, ſondern auch ihren Kindern eine gebildete Erziehung geben koͤnnen, iſt eine ſehr gerechte Forderung, und wer mit ihrer Salarirung geizt, weil er nicht bedenkt, wie groß die Vortheile ſind, die ein einſichtsvoller Mann ihm ſchaffen kann, der wird nie einen ſolchen erhalten. §. 206. Die Art der Salarirung wird verſchieden beſtimmt. Man hat es mehren- theils fuͤr vortheilhaft gehalten, eine beſtimmte Quote von dem reinen Ertrage im Ganzen, oder aber von dem, was eine Wirthſchaft uͤber eine gewiſſe An- ſchlagsſumme giebt, als Hauptſalarium zu beſtimmen. Dieſe Einrichtung hat, von einer Seite betrachtet, ſehr vieles fuͤr ſich, und faͤllt bei einem wirklich Salarirung deſſelben. Erſter Theil. A a

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/215>, abgerufen am 28.03.2024.