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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Begründung der Lehre.
§. 28.

Beihülfe der
Naturwissen-
schaft.
Eine große Beihülfe zur Begründung unserer Wissenschaft, und insbesondere
einen Faden, um uns aus dem Labyrinthe der gehäuften, mehrentheils einseitigen
Erfahrungen herauszuwickeln, einen Prüfstein, um ihren Gehalt und ihre Aechtheit
zu erforschen, giebt uns die in den letzteren Zeiten so hoch vervollkommnete Natur-
wissenschaft. Die Natur wirkt allenthalben nach gleichen und ewigen Gesetzen, und
nur durch Benutzung der Naturkraft wirkt der Landwirth. Deshalb lassen sich aus
physikalisch-chemischen Kenntnissen für den Ackerbau theils direkte Regeln ableiten,
theils die Richtung bestimmen, die wir bei unseren Untersuchungen zu nehmen haben.
Wenn nur durch jene die Gleichheit und die Ungleichheit des Bodens und seine Be-
standtheile bestimmt ausgemittelt worden, so ist dies genug, um über die häufige Un-
gleichheit des Erfolgs bei angestellten Operationen Licht zu bekommen. Seit jeher
hatten jene Wissenschaften Einfluß auf die Lehre vom Ackerbau gehabt, und aus
ihrem unvollkommenen Zustande waren manche Vorurtheile und falsche Begriffe mit
herüber gebracht, die wir nicht anders, als durch die Benutzung der nun berichtigten
Naturkenntnisse entfernen können. In den neuesten Zeiten ist vorzüglich die Chemie
zur Bereicherung der Ackerkunde angewandt, und groß ist der Gewinn, den selbst die
Praxis schon davon gehabt hat. Wir können jetzt manche Wahrheiten, die wir nach
unseren Beobachtungen auf dem freien Felde und Wirthschaftshofe nur ahneten,
evident erweisen, und manche angenommene Vorurtheile widerlegen.

Deshalb muß sich der wissenschaftliche Vortrag der Ackerbaulehre unerläßlich auf
richtige physikalische und chemische Begriffe gründen, und wir müssen durch sie so tief
wie möglich auf den Grund der Erscheinungen zu kommen suchen, weil wir nur dann
mit Glück in unseren Untersuchungen arbeiten, und um so zahlreichere und richtigere
Folgen ziehen können, je tiefer wir zu den Gründen der Naturerscheinungen
eindringen.

Nur dürfen wir keine Stufe überspringen, sonst dringen wir nicht ein; wir
stürzen in den Abgrund der Muthmaßungen und dunklen Begriffe, welche zwar die
Phantasie beschäftigen können, den Verstand aber verwirren.

§. 29.

Pflanzen-
kunde.
Da der Landwirth sich mit der Erzeugung, dem Wachsthum und der Vollen-
dung der Pflanzen hauptsächlich beschäftigt, so ist die Kenntniß von der Organisation

Begruͤndung der Lehre.
§. 28.

Beihuͤlfe der
Naturwiſſen-
ſchaft.
Eine große Beihuͤlfe zur Begruͤndung unſerer Wiſſenſchaft, und insbeſondere
einen Faden, um uns aus dem Labyrinthe der gehaͤuften, mehrentheils einſeitigen
Erfahrungen herauszuwickeln, einen Pruͤfſtein, um ihren Gehalt und ihre Aechtheit
zu erforſchen, giebt uns die in den letzteren Zeiten ſo hoch vervollkommnete Natur-
wiſſenſchaft. Die Natur wirkt allenthalben nach gleichen und ewigen Geſetzen, und
nur durch Benutzung der Naturkraft wirkt der Landwirth. Deshalb laſſen ſich aus
phyſikaliſch-chemiſchen Kenntniſſen fuͤr den Ackerbau theils direkte Regeln ableiten,
theils die Richtung beſtimmen, die wir bei unſeren Unterſuchungen zu nehmen haben.
Wenn nur durch jene die Gleichheit und die Ungleichheit des Bodens und ſeine Be-
ſtandtheile beſtimmt ausgemittelt worden, ſo iſt dies genug, um uͤber die haͤufige Un-
gleichheit des Erfolgs bei angeſtellten Operationen Licht zu bekommen. Seit jeher
hatten jene Wiſſenſchaften Einfluß auf die Lehre vom Ackerbau gehabt, und aus
ihrem unvollkommenen Zuſtande waren manche Vorurtheile und falſche Begriffe mit
heruͤber gebracht, die wir nicht anders, als durch die Benutzung der nun berichtigten
Naturkenntniſſe entfernen koͤnnen. In den neueſten Zeiten iſt vorzuͤglich die Chemie
zur Bereicherung der Ackerkunde angewandt, und groß iſt der Gewinn, den ſelbſt die
Praxis ſchon davon gehabt hat. Wir koͤnnen jetzt manche Wahrheiten, die wir nach
unſeren Beobachtungen auf dem freien Felde und Wirthſchaftshofe nur ahneten,
evident erweiſen, und manche angenommene Vorurtheile widerlegen.

Deshalb muß ſich der wiſſenſchaftliche Vortrag der Ackerbaulehre unerlaͤßlich auf
richtige phyſikaliſche und chemiſche Begriffe gruͤnden, und wir muͤſſen durch ſie ſo tief
wie moͤglich auf den Grund der Erſcheinungen zu kommen ſuchen, weil wir nur dann
mit Gluͤck in unſeren Unterſuchungen arbeiten, und um ſo zahlreichere und richtigere
Folgen ziehen koͤnnen, je tiefer wir zu den Gruͤnden der Naturerſcheinungen
eindringen.

Nur duͤrfen wir keine Stufe uͤberſpringen, ſonſt dringen wir nicht ein; wir
ſtuͤrzen in den Abgrund der Muthmaßungen und dunklen Begriffe, welche zwar die
Phantaſie beſchaͤftigen koͤnnen, den Verſtand aber verwirren.

§. 29.

Pflanzen-
kunde.
Da der Landwirth ſich mit der Erzeugung, dem Wachsthum und der Vollen-
dung der Pflanzen hauptſaͤchlich beſchaͤftigt, ſo iſt die Kenntniß von der Organiſation

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[12/0042] Begruͤndung der Lehre. §. 28. Eine große Beihuͤlfe zur Begruͤndung unſerer Wiſſenſchaft, und insbeſondere einen Faden, um uns aus dem Labyrinthe der gehaͤuften, mehrentheils einſeitigen Erfahrungen herauszuwickeln, einen Pruͤfſtein, um ihren Gehalt und ihre Aechtheit zu erforſchen, giebt uns die in den letzteren Zeiten ſo hoch vervollkommnete Natur- wiſſenſchaft. Die Natur wirkt allenthalben nach gleichen und ewigen Geſetzen, und nur durch Benutzung der Naturkraft wirkt der Landwirth. Deshalb laſſen ſich aus phyſikaliſch-chemiſchen Kenntniſſen fuͤr den Ackerbau theils direkte Regeln ableiten, theils die Richtung beſtimmen, die wir bei unſeren Unterſuchungen zu nehmen haben. Wenn nur durch jene die Gleichheit und die Ungleichheit des Bodens und ſeine Be- ſtandtheile beſtimmt ausgemittelt worden, ſo iſt dies genug, um uͤber die haͤufige Un- gleichheit des Erfolgs bei angeſtellten Operationen Licht zu bekommen. Seit jeher hatten jene Wiſſenſchaften Einfluß auf die Lehre vom Ackerbau gehabt, und aus ihrem unvollkommenen Zuſtande waren manche Vorurtheile und falſche Begriffe mit heruͤber gebracht, die wir nicht anders, als durch die Benutzung der nun berichtigten Naturkenntniſſe entfernen koͤnnen. In den neueſten Zeiten iſt vorzuͤglich die Chemie zur Bereicherung der Ackerkunde angewandt, und groß iſt der Gewinn, den ſelbſt die Praxis ſchon davon gehabt hat. Wir koͤnnen jetzt manche Wahrheiten, die wir nach unſeren Beobachtungen auf dem freien Felde und Wirthſchaftshofe nur ahneten, evident erweiſen, und manche angenommene Vorurtheile widerlegen. Beihuͤlfe der Naturwiſſen- ſchaft. Deshalb muß ſich der wiſſenſchaftliche Vortrag der Ackerbaulehre unerlaͤßlich auf richtige phyſikaliſche und chemiſche Begriffe gruͤnden, und wir muͤſſen durch ſie ſo tief wie moͤglich auf den Grund der Erſcheinungen zu kommen ſuchen, weil wir nur dann mit Gluͤck in unſeren Unterſuchungen arbeiten, und um ſo zahlreichere und richtigere Folgen ziehen koͤnnen, je tiefer wir zu den Gruͤnden der Naturerſcheinungen eindringen. Nur duͤrfen wir keine Stufe uͤberſpringen, ſonſt dringen wir nicht ein; wir ſtuͤrzen in den Abgrund der Muthmaßungen und dunklen Begriffe, welche zwar die Phantaſie beſchaͤftigen koͤnnen, den Verſtand aber verwirren. §. 29. Da der Landwirth ſich mit der Erzeugung, dem Wachsthum und der Vollen- dung der Pflanzen hauptſaͤchlich beſchaͤftigt, ſo iſt die Kenntniß von der Organiſation Pflanzen- kunde.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/42>, abgerufen am 28.03.2024.