Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Fähigkeiten des Subjekts.
in die hergebrachten Formen zwängen mußten, die häufig nicht von der Natur, son-
dern von der Willkühr gegeben waren.

Wir haben wol deshalb noch keine der Landwirthschaft angemessene Legislatur,
weil wir keine Wissenschaft derselben hatten. Denn wie konnte der Gesetzgeber ein
so verwickeltes Gewerbe richtig ins Auge fassen, von dem er nur einseitige Begriffe
bekam? -- Doch ist es neuerlich den staatswirthschaftlichen Schriftstellern Krug
und Kraus gelungen.

§. 44.

Bisher konnte nichts so sehr zur Ausbildung eines rationellen Landwirths bei-Reisen.
tragen, als Reisen durch die in landwirthschaftlicher Hinsicht ausgezeichneten
Länder. Die Beobachtung der mannigfaltig verschiedenen Methoden und Einrich-
tungen verschiedener Völker zerstören das eingesogene Vorurtheil, als könne es nicht
anders und besser als bei uns seyn, und die Einseitigkeit. Die Gebräuche ganzer
Provinzen und Nationen, in den allgemeinen Wirthschaftsformen sowohl, als in
dem Betriebe jedes Geschäfts und der Behandlung jedes Produkts, sind für den den-
kenden Mann Versuche im Großen, wenn er sie, mittelst vielseitiger Vergleichung
der Resultate, gehörig neben einander zu stellen weiß. Es gehört aber eine große
Ausdauer und Ueberwindung mancher Schwierigkeiten dazu, um solche Reisen nutz-
bar zu machen, und mit seiner Beobachtung völlig auf den Grund zu dringen. Wer
ein Land mit Extrapost durchgereist und nur in Wirthshäusern eingekehrt ist, wird
unbedeutend wenig Ausbeute dieser Art daher zurückbringen. Ferner erfordert es
einen durch viele Vorkenntnisse ausgebildeten Verstand und Scharfsinn und eine vor-
urtheilsfreie Unpartheilichkeit, um aus solchen Bemerkungen wahre und bestimmte
Resultate zu ziehen. Sonst bringt man statt abgelegter Kleider und Vorurtheile nur
neue in das Land, die unserm Klima und unserer gesellschaftlichen Konvenienz weniger
angemessen sind, wie die alten. Hätte jedoch das Handwerk des Ackerbaues
schon, wie die zünftigen Handwerke, seinen Gesellen das Reisen zur Pflicht gemacht,
so stände es ohne Zweifel besser um selbiges.

In der Folge Etwas über die Regel des Reisens in landwirthschaftlicher
Hinsicht, die zweckmäßigsten Reiserouten, und über die landwirthschaftliche
Geographie.


C 2

Faͤhigkeiten des Subjekts.
in die hergebrachten Formen zwaͤngen mußten, die haͤufig nicht von der Natur, ſon-
dern von der Willkuͤhr gegeben waren.

Wir haben wol deshalb noch keine der Landwirthſchaft angemeſſene Legislatur,
weil wir keine Wiſſenſchaft derſelben hatten. Denn wie konnte der Geſetzgeber ein
ſo verwickeltes Gewerbe richtig ins Auge faſſen, von dem er nur einſeitige Begriffe
bekam? — Doch iſt es neuerlich den ſtaatswirthſchaftlichen Schriftſtellern Krug
und Kraus gelungen.

§. 44.

Bisher konnte nichts ſo ſehr zur Ausbildung eines rationellen Landwirths bei-Reiſen.
tragen, als Reiſen durch die in landwirthſchaftlicher Hinſicht ausgezeichneten
Laͤnder. Die Beobachtung der mannigfaltig verſchiedenen Methoden und Einrich-
tungen verſchiedener Voͤlker zerſtoͤren das eingeſogene Vorurtheil, als koͤnne es nicht
anders und beſſer als bei uns ſeyn, und die Einſeitigkeit. Die Gebraͤuche ganzer
Provinzen und Nationen, in den allgemeinen Wirthſchaftsformen ſowohl, als in
dem Betriebe jedes Geſchaͤfts und der Behandlung jedes Produkts, ſind fuͤr den den-
kenden Mann Verſuche im Großen, wenn er ſie, mittelſt vielſeitiger Vergleichung
der Reſultate, gehoͤrig neben einander zu ſtellen weiß. Es gehoͤrt aber eine große
Ausdauer und Ueberwindung mancher Schwierigkeiten dazu, um ſolche Reiſen nutz-
bar zu machen, und mit ſeiner Beobachtung voͤllig auf den Grund zu dringen. Wer
ein Land mit Extrapoſt durchgereiſt und nur in Wirthshaͤuſern eingekehrt iſt, wird
unbedeutend wenig Ausbeute dieſer Art daher zuruͤckbringen. Ferner erfordert es
einen durch viele Vorkenntniſſe ausgebildeten Verſtand und Scharfſinn und eine vor-
urtheilsfreie Unpartheilichkeit, um aus ſolchen Bemerkungen wahre und beſtimmte
Reſultate zu ziehen. Sonſt bringt man ſtatt abgelegter Kleider und Vorurtheile nur
neue in das Land, die unſerm Klima und unſerer geſellſchaftlichen Konvenienz weniger
angemeſſen ſind, wie die alten. Haͤtte jedoch das Handwerk des Ackerbaues
ſchon, wie die zuͤnftigen Handwerke, ſeinen Geſellen das Reiſen zur Pflicht gemacht,
ſo ſtaͤnde es ohne Zweifel beſſer um ſelbiges.

In der Folge Etwas uͤber die Regel des Reiſens in landwirthſchaftlicher
Hinſicht, die zweckmaͤßigſten Reiſerouten, und uͤber die landwirthſchaftliche
Geographie.


C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0049" n="19"/><fw place="top" type="header">Fa&#x0364;higkeiten des Subjekts.</fw><lb/>
in die hergebrachten Formen zwa&#x0364;ngen mußten, die ha&#x0364;ufig nicht von der Natur, &#x017F;on-<lb/>
dern von der Willku&#x0364;hr gegeben waren.</p><lb/>
              <p>Wir haben wol deshalb noch keine der Landwirth&#x017F;chaft angeme&#x017F;&#x017F;ene Legislatur,<lb/>
weil wir keine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft der&#x017F;elben hatten. Denn wie konnte der Ge&#x017F;etzgeber ein<lb/>
&#x017F;o verwickeltes Gewerbe richtig ins Auge fa&#x017F;&#x017F;en, von dem er nur ein&#x017F;eitige Begriffe<lb/>
bekam? &#x2014; Doch i&#x017F;t es neuerlich den &#x017F;taatswirth&#x017F;chaftlichen Schrift&#x017F;tellern <hi rendition="#g"><persName>Krug</persName></hi><lb/>
und <hi rendition="#g"><persName>Kraus</persName></hi> gelungen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 44.</head><lb/>
              <p>Bisher konnte nichts &#x017F;o &#x017F;ehr zur Ausbildung eines rationellen Landwirths bei-<note place="right">Rei&#x017F;en.</note><lb/>
tragen, als <hi rendition="#g">Rei&#x017F;en</hi> durch die in landwirth&#x017F;chaftlicher Hin&#x017F;icht ausgezeichneten<lb/>
La&#x0364;nder. Die Beobachtung der mannigfaltig ver&#x017F;chiedenen Methoden und Einrich-<lb/>
tungen ver&#x017F;chiedener Vo&#x0364;lker zer&#x017F;to&#x0364;ren das einge&#x017F;ogene Vorurtheil, als ko&#x0364;nne es nicht<lb/>
anders und be&#x017F;&#x017F;er als bei uns &#x017F;eyn, und die Ein&#x017F;eitigkeit. Die Gebra&#x0364;uche ganzer<lb/>
Provinzen und Nationen, in den allgemeinen Wirth&#x017F;chaftsformen &#x017F;owohl, als in<lb/>
dem Betriebe jedes Ge&#x017F;cha&#x0364;fts und der Behandlung jedes Produkts, &#x017F;ind fu&#x0364;r den den-<lb/>
kenden Mann Ver&#x017F;uche im Großen, wenn er &#x017F;ie, mittel&#x017F;t viel&#x017F;eitiger Vergleichung<lb/>
der Re&#x017F;ultate, geho&#x0364;rig neben einander zu &#x017F;tellen weiß. Es geho&#x0364;rt aber eine große<lb/>
Ausdauer und Ueberwindung mancher Schwierigkeiten dazu, um &#x017F;olche Rei&#x017F;en nutz-<lb/>
bar zu machen, und mit &#x017F;einer Beobachtung vo&#x0364;llig auf den Grund zu dringen. Wer<lb/>
ein Land mit Extrapo&#x017F;t durchgerei&#x017F;t und nur in Wirthsha&#x0364;u&#x017F;ern eingekehrt i&#x017F;t, wird<lb/>
unbedeutend wenig Ausbeute die&#x017F;er Art daher zuru&#x0364;ckbringen. Ferner erfordert es<lb/>
einen durch viele Vorkenntni&#x017F;&#x017F;e ausgebildeten Ver&#x017F;tand und Scharf&#x017F;inn und eine vor-<lb/>
urtheilsfreie Unpartheilichkeit, um aus &#x017F;olchen Bemerkungen wahre und be&#x017F;timmte<lb/>
Re&#x017F;ultate zu ziehen. Son&#x017F;t bringt man &#x017F;tatt abgelegter Kleider und Vorurtheile nur<lb/>
neue in das Land, die un&#x017F;erm Klima und un&#x017F;erer ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Konvenienz weniger<lb/>
angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, wie die alten. Ha&#x0364;tte jedoch das <hi rendition="#g">Handwerk</hi> des Ackerbaues<lb/>
&#x017F;chon, wie die zu&#x0364;nftigen Handwerke, &#x017F;einen Ge&#x017F;ellen das Rei&#x017F;en zur Pflicht gemacht,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ta&#x0364;nde es ohne Zweifel be&#x017F;&#x017F;er um &#x017F;elbiges.</p><lb/>
              <p>In der Folge Etwas u&#x0364;ber die Regel des Rei&#x017F;ens in landwirth&#x017F;chaftlicher<lb/>
Hin&#x017F;icht, die zweckma&#x0364;ßig&#x017F;ten Rei&#x017F;erouten, und u&#x0364;ber die landwirth&#x017F;chaftliche<lb/>
Geographie.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0049] Faͤhigkeiten des Subjekts. in die hergebrachten Formen zwaͤngen mußten, die haͤufig nicht von der Natur, ſon- dern von der Willkuͤhr gegeben waren. Wir haben wol deshalb noch keine der Landwirthſchaft angemeſſene Legislatur, weil wir keine Wiſſenſchaft derſelben hatten. Denn wie konnte der Geſetzgeber ein ſo verwickeltes Gewerbe richtig ins Auge faſſen, von dem er nur einſeitige Begriffe bekam? — Doch iſt es neuerlich den ſtaatswirthſchaftlichen Schriftſtellern Krug und Kraus gelungen. §. 44. Bisher konnte nichts ſo ſehr zur Ausbildung eines rationellen Landwirths bei- tragen, als Reiſen durch die in landwirthſchaftlicher Hinſicht ausgezeichneten Laͤnder. Die Beobachtung der mannigfaltig verſchiedenen Methoden und Einrich- tungen verſchiedener Voͤlker zerſtoͤren das eingeſogene Vorurtheil, als koͤnne es nicht anders und beſſer als bei uns ſeyn, und die Einſeitigkeit. Die Gebraͤuche ganzer Provinzen und Nationen, in den allgemeinen Wirthſchaftsformen ſowohl, als in dem Betriebe jedes Geſchaͤfts und der Behandlung jedes Produkts, ſind fuͤr den den- kenden Mann Verſuche im Großen, wenn er ſie, mittelſt vielſeitiger Vergleichung der Reſultate, gehoͤrig neben einander zu ſtellen weiß. Es gehoͤrt aber eine große Ausdauer und Ueberwindung mancher Schwierigkeiten dazu, um ſolche Reiſen nutz- bar zu machen, und mit ſeiner Beobachtung voͤllig auf den Grund zu dringen. Wer ein Land mit Extrapoſt durchgereiſt und nur in Wirthshaͤuſern eingekehrt iſt, wird unbedeutend wenig Ausbeute dieſer Art daher zuruͤckbringen. Ferner erfordert es einen durch viele Vorkenntniſſe ausgebildeten Verſtand und Scharfſinn und eine vor- urtheilsfreie Unpartheilichkeit, um aus ſolchen Bemerkungen wahre und beſtimmte Reſultate zu ziehen. Sonſt bringt man ſtatt abgelegter Kleider und Vorurtheile nur neue in das Land, die unſerm Klima und unſerer geſellſchaftlichen Konvenienz weniger angemeſſen ſind, wie die alten. Haͤtte jedoch das Handwerk des Ackerbaues ſchon, wie die zuͤnftigen Handwerke, ſeinen Geſellen das Reiſen zur Pflicht gemacht, ſo ſtaͤnde es ohne Zweifel beſſer um ſelbiges. Reiſen. In der Folge Etwas uͤber die Regel des Reiſens in landwirthſchaftlicher Hinſicht, die zweckmaͤßigſten Reiſerouten, und uͤber die landwirthſchaftliche Geographie. C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/49
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/49>, abgerufen am 19.04.2024.