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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Werthschätzung eines Landguts.
Man wird von ihr dagegen die Aufhebung mancher aus alten Zeiten herstammenden
und durchaus nicht mehr passenden Einrichtungen, -- freilich gegen billigen Ersatz
dessen, was andere durch diese Aufhebung verlieren -- folglich die Aufhebung der
wesentlichsten Hindernisse des betriebsamern Ackerbaues erwarten können.

Eine landständische oder repräsentative Verfassung, obwohl sie manche Miß-
bräuche nach sich gezogen, und häufig durch Spannungen mit der Regierung gute
Plane verhindert hat, ist dennoch bei einer guten Organisation etwas sehr Angenehmes
für den Gutsbesitzer, und kann wohlthätig werden für den Staat. Sie bringt die
Bedürfnisse des Landes unter die Augen des Regenten, verschafft Vorstellungen für
das allgemeine Beste Gehör, sichert gegen übereilte willkührliche Maaßregeln, und
vertritt jeden Einzelnen gegen widerrechtliches Verfahren und gegen Mißbrauch der
Gewalt. Da die Landstände neuerlich in den meisten Staaten aufgehoben worden,
so ist doch an deren Stelle eine andere Einrichtung getroffen worden, und eine solche
kann sehr vortheilhaft seyn, wenn sie nicht auf bloße Formalitäten hinausläuft, son-
dern wenn wirklich dadurch die Vorschläge und Anzeigen der, unter der Leitung der
einsichtsvollern, zusammengetretenen Gutsbesitzer zur Sprache gebracht werden.
Einem Ausschusse derselben müßte sodann die Leitung und Ausführung gewisser poli-
zeilicher und staatswirthschaftlicher Geschäfte übertragen, und gewisse Modifikationen
darin zu machen überlassen werden; da es von ihnen zu erwarten steht, daß sie die
Bedürfnisse und Verhältnisse des platten Landes ihres Distrikts besser kennen, als es
städtische Regierungskollegien thun.

§. 111.

Die militairische Verfassung eines Staats kann dem Ackerbau mehr oder minderMilitairische
Verfassung.

nachtheilig und für den Landwirth drückend werden. Wo sie indessen die Sicherheit
des Staats und die ungekränkte Selbstständigkeit desselben bewirkt, da wird jeder
Patriot sich ihr mit Vergnügen unterwerfen, und es kommt nur auf eine gute Orga-
nisation dieser Verfassung, auf ein gutes Verhältniß der Civil- und Militairbehörden
und auf eine solche Einrichtung an, daß möglichst wenig arbeitende Kräfte dem Lande
entzogen werden. Neuere Einrichtungen, die wir in den meisten Staaten hierin zu
erwarten haben, werden hoffentlich das Problem lösen, die Vertheidigung des Va-
terlandes zu sichern, ohne den Wohlstand desselben zu untergraben. Wenn jeder
Staatsbürger im Fall der Noth Soldat, und jeder Soldat in Friedenszeiten produ-

Erster Theil. K

Werthſchaͤtzung eines Landguts.
Man wird von ihr dagegen die Aufhebung mancher aus alten Zeiten herſtammenden
und durchaus nicht mehr paſſenden Einrichtungen, — freilich gegen billigen Erſatz
deſſen, was andere durch dieſe Aufhebung verlieren — folglich die Aufhebung der
weſentlichſten Hinderniſſe des betriebſamern Ackerbaues erwarten koͤnnen.

Eine landſtaͤndiſche oder repraͤſentative Verfaſſung, obwohl ſie manche Miß-
braͤuche nach ſich gezogen, und haͤufig durch Spannungen mit der Regierung gute
Plane verhindert hat, iſt dennoch bei einer guten Organiſation etwas ſehr Angenehmes
fuͤr den Gutsbeſitzer, und kann wohlthaͤtig werden fuͤr den Staat. Sie bringt die
Beduͤrfniſſe des Landes unter die Augen des Regenten, verſchafft Vorſtellungen fuͤr
das allgemeine Beſte Gehoͤr, ſichert gegen uͤbereilte willkuͤhrliche Maaßregeln, und
vertritt jeden Einzelnen gegen widerrechtliches Verfahren und gegen Mißbrauch der
Gewalt. Da die Landſtaͤnde neuerlich in den meiſten Staaten aufgehoben worden,
ſo iſt doch an deren Stelle eine andere Einrichtung getroffen worden, und eine ſolche
kann ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn ſie nicht auf bloße Formalitaͤten hinauslaͤuft, ſon-
dern wenn wirklich dadurch die Vorſchlaͤge und Anzeigen der, unter der Leitung der
einſichtsvollern, zuſammengetretenen Gutsbeſitzer zur Sprache gebracht werden.
Einem Ausſchuſſe derſelben muͤßte ſodann die Leitung und Ausfuͤhrung gewiſſer poli-
zeilicher und ſtaatswirthſchaftlicher Geſchaͤfte uͤbertragen, und gewiſſe Modifikationen
darin zu machen uͤberlaſſen werden; da es von ihnen zu erwarten ſteht, daß ſie die
Beduͤrfniſſe und Verhaͤltniſſe des platten Landes ihres Diſtrikts beſſer kennen, als es
ſtaͤdtiſche Regierungskollegien thun.

§. 111.

Die militairiſche Verfaſſung eines Staats kann dem Ackerbau mehr oder minderMilitairiſche
Verfaſſung.

nachtheilig und fuͤr den Landwirth druͤckend werden. Wo ſie indeſſen die Sicherheit
des Staats und die ungekraͤnkte Selbſtſtaͤndigkeit deſſelben bewirkt, da wird jeder
Patriot ſich ihr mit Vergnuͤgen unterwerfen, und es kommt nur auf eine gute Orga-
niſation dieſer Verfaſſung, auf ein gutes Verhaͤltniß der Civil- und Militairbehoͤrden
und auf eine ſolche Einrichtung an, daß moͤglichſt wenig arbeitende Kraͤfte dem Lande
entzogen werden. Neuere Einrichtungen, die wir in den meiſten Staaten hierin zu
erwarten haben, werden hoffentlich das Problem loͤſen, die Vertheidigung des Va-
terlandes zu ſichern, ohne den Wohlſtand deſſelben zu untergraben. Wenn jeder
Staatsbuͤrger im Fall der Noth Soldat, und jeder Soldat in Friedenszeiten produ-

Erſter Theil. K
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[73/0103] Werthſchaͤtzung eines Landguts. Man wird von ihr dagegen die Aufhebung mancher aus alten Zeiten herſtammenden und durchaus nicht mehr paſſenden Einrichtungen, — freilich gegen billigen Erſatz deſſen, was andere durch dieſe Aufhebung verlieren — folglich die Aufhebung der weſentlichſten Hinderniſſe des betriebſamern Ackerbaues erwarten koͤnnen. Eine landſtaͤndiſche oder repraͤſentative Verfaſſung, obwohl ſie manche Miß- braͤuche nach ſich gezogen, und haͤufig durch Spannungen mit der Regierung gute Plane verhindert hat, iſt dennoch bei einer guten Organiſation etwas ſehr Angenehmes fuͤr den Gutsbeſitzer, und kann wohlthaͤtig werden fuͤr den Staat. Sie bringt die Beduͤrfniſſe des Landes unter die Augen des Regenten, verſchafft Vorſtellungen fuͤr das allgemeine Beſte Gehoͤr, ſichert gegen uͤbereilte willkuͤhrliche Maaßregeln, und vertritt jeden Einzelnen gegen widerrechtliches Verfahren und gegen Mißbrauch der Gewalt. Da die Landſtaͤnde neuerlich in den meiſten Staaten aufgehoben worden, ſo iſt doch an deren Stelle eine andere Einrichtung getroffen worden, und eine ſolche kann ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn ſie nicht auf bloße Formalitaͤten hinauslaͤuft, ſon- dern wenn wirklich dadurch die Vorſchlaͤge und Anzeigen der, unter der Leitung der einſichtsvollern, zuſammengetretenen Gutsbeſitzer zur Sprache gebracht werden. Einem Ausſchuſſe derſelben muͤßte ſodann die Leitung und Ausfuͤhrung gewiſſer poli- zeilicher und ſtaatswirthſchaftlicher Geſchaͤfte uͤbertragen, und gewiſſe Modifikationen darin zu machen uͤberlaſſen werden; da es von ihnen zu erwarten ſteht, daß ſie die Beduͤrfniſſe und Verhaͤltniſſe des platten Landes ihres Diſtrikts beſſer kennen, als es ſtaͤdtiſche Regierungskollegien thun. §. 111. Die militairiſche Verfaſſung eines Staats kann dem Ackerbau mehr oder minder nachtheilig und fuͤr den Landwirth druͤckend werden. Wo ſie indeſſen die Sicherheit des Staats und die ungekraͤnkte Selbſtſtaͤndigkeit deſſelben bewirkt, da wird jeder Patriot ſich ihr mit Vergnuͤgen unterwerfen, und es kommt nur auf eine gute Orga- niſation dieſer Verfaſſung, auf ein gutes Verhaͤltniß der Civil- und Militairbehoͤrden und auf eine ſolche Einrichtung an, daß moͤglichſt wenig arbeitende Kraͤfte dem Lande entzogen werden. Neuere Einrichtungen, die wir in den meiſten Staaten hierin zu erwarten haben, werden hoffentlich das Problem loͤſen, die Vertheidigung des Va- terlandes zu ſichern, ohne den Wohlſtand deſſelben zu untergraben. Wenn jeder Staatsbuͤrger im Fall der Noth Soldat, und jeder Soldat in Friedenszeiten produ- Militairiſche Verfaſſung. Erſter Theil. K

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/103>, abgerufen am 16.04.2024.