Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Direktion der Wirthschaft.
fahrt wegen die Zufuhr vermindert. Man findet deshalb in den Sammlungen, die
man von den Preisen langer Reihen von Jahren gemacht hat, daß in gewöhnlichen
Jahren, die ungefähr den Bedarf lieferten, die Preise um diese Zeit am höchsten
standen. Indessen giebt es Ausnahmen, wenn nämlich in dieser Zeit, wo das Aus-
dreschen hauptsächlich vor sich geht, der Ausfall die Erwartung übersteigt und die
Landwirthe dadurch veranlaßt werden, der Beschwerlichkeit der Wege ungeachtet
viel zu verfahren. Man sagt daher, wenn das Getreide unter den Flegel fällt, so
wird es sehr wohlfeil werden. Da ereignet es sich dann wohl, daß das Getreide im
Frühjahre geringer steht wie im Herbste, und immer mehr fällt, je näher die neue
Ernte kommt, zumal wenn diese einen guten Anschein giebt.

§. 222.

Wer aufmerksam alle diese Verhältnisse erwägt, und insbesondere den Ernte-
ertrag nicht von einzelnen Flecken, sondern aus der ganzen Gegend, woher ein Markt
versorgt wird, wahrzunehmen und zu überschlagen versteht, wird freilich weit häu-
figer den künftigen Stand der Preise richtig vorhersehen, als sich darin trügen. In-
dessen ist wohl niemand so scharfsichtig, daß nicht auch letzteres hin und wieder der
Fall seyn sollte; und es ist dem Landwirthe daher nie zu rathen, daß er mit seiner
Handelsspekulation zu weit gehe, und seinen ganzen Verkauf darnach einrichte.
Wenn er es auch unter fünfmalen viermal richtig träfe, sich aber nur einmal tröge,
so könnte ihn dies in seinem ganzen Gewerbe so zurücksetzen, daß der gemachte Vor-
theil dadurch weit überwogen würde. Bei einem Theile seines Verkaufs indessen
wird ein jeder, der sich eine richtige Umsicht zutrauen darf -- denn auf das Gerede
anderer darf man sich in diesem Punkte weniger wie irgendwo verlassen -- mit Vor-
theil spekuliren, weil ihn ein etwaniger Irrthum dabei nicht zu Grunde richten kann.

§. 223.

Wahl zwi-
schen mehreren
Märkten.
Wenn der Produzent mehrere Märkte hat, so ist eine kluge und wohlberechnete
Auswahl sehr wichtig. Oft kann es vortheilhaft seyn, auf einem nähern Markte be-
trächtlich wohlfeiler, als auf einem entfernteren zu verkaufen, wenn man auch bei
diesem das gewöhnliche Fuhrlohn nach einem allgemeinen Durchschnitte in richtige An-
rechnung brächte. Es giebt nämlich Zeiten, wo die Gespannarbeit kaum bezahlbar ist,
und wo der höchste Fruchtpreis die Versäumniß nicht ersetzen kann, die dadurch entsteht.


Direktion der Wirthſchaft.
fahrt wegen die Zufuhr vermindert. Man findet deshalb in den Sammlungen, die
man von den Preiſen langer Reihen von Jahren gemacht hat, daß in gewoͤhnlichen
Jahren, die ungefaͤhr den Bedarf lieferten, die Preiſe um dieſe Zeit am hoͤchſten
ſtanden. Indeſſen giebt es Ausnahmen, wenn naͤmlich in dieſer Zeit, wo das Aus-
dreſchen hauptſaͤchlich vor ſich geht, der Ausfall die Erwartung uͤberſteigt und die
Landwirthe dadurch veranlaßt werden, der Beſchwerlichkeit der Wege ungeachtet
viel zu verfahren. Man ſagt daher, wenn das Getreide unter den Flegel faͤllt, ſo
wird es ſehr wohlfeil werden. Da ereignet es ſich dann wohl, daß das Getreide im
Fruͤhjahre geringer ſteht wie im Herbſte, und immer mehr faͤllt, je naͤher die neue
Ernte kommt, zumal wenn dieſe einen guten Anſchein giebt.

§. 222.

Wer aufmerkſam alle dieſe Verhaͤltniſſe erwaͤgt, und insbeſondere den Ernte-
ertrag nicht von einzelnen Flecken, ſondern aus der ganzen Gegend, woher ein Markt
verſorgt wird, wahrzunehmen und zu uͤberſchlagen verſteht, wird freilich weit haͤu-
figer den kuͤnftigen Stand der Preiſe richtig vorherſehen, als ſich darin truͤgen. In-
deſſen iſt wohl niemand ſo ſcharfſichtig, daß nicht auch letzteres hin und wieder der
Fall ſeyn ſollte; und es iſt dem Landwirthe daher nie zu rathen, daß er mit ſeiner
Handelsſpekulation zu weit gehe, und ſeinen ganzen Verkauf darnach einrichte.
Wenn er es auch unter fuͤnfmalen viermal richtig traͤfe, ſich aber nur einmal troͤge,
ſo koͤnnte ihn dies in ſeinem ganzen Gewerbe ſo zuruͤckſetzen, daß der gemachte Vor-
theil dadurch weit uͤberwogen wuͤrde. Bei einem Theile ſeines Verkaufs indeſſen
wird ein jeder, der ſich eine richtige Umſicht zutrauen darf — denn auf das Gerede
anderer darf man ſich in dieſem Punkte weniger wie irgendwo verlaſſen — mit Vor-
theil ſpekuliren, weil ihn ein etwaniger Irrthum dabei nicht zu Grunde richten kann.

§. 223.

Wahl zwi-
ſchen mehreren
Maͤrkten.
Wenn der Produzent mehrere Maͤrkte hat, ſo iſt eine kluge und wohlberechnete
Auswahl ſehr wichtig. Oft kann es vortheilhaft ſeyn, auf einem naͤhern Markte be-
traͤchtlich wohlfeiler, als auf einem entfernteren zu verkaufen, wenn man auch bei
dieſem das gewoͤhnliche Fuhrlohn nach einem allgemeinen Durchſchnitte in richtige An-
rechnung braͤchte. Es giebt naͤmlich Zeiten, wo die Geſpannarbeit kaum bezahlbar iſt,
und wo der hoͤchſte Fruchtpreis die Verſaͤumniß nicht erſetzen kann, die dadurch entſteht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0232" n="202"/><fw place="top" type="header">Direktion der Wirth&#x017F;chaft.</fw><lb/>
fahrt wegen die Zufuhr vermindert. Man findet deshalb in den Sammlungen, die<lb/>
man von den Prei&#x017F;en langer Reihen von Jahren gemacht hat, daß in gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Jahren, die ungefa&#x0364;hr den Bedarf lieferten, die Prei&#x017F;e um die&#x017F;e Zeit am ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;tanden. Inde&#x017F;&#x017F;en giebt es Ausnahmen, wenn na&#x0364;mlich in die&#x017F;er Zeit, wo das Aus-<lb/>
dre&#x017F;chen haupt&#x017F;a&#x0364;chlich vor &#x017F;ich geht, der Ausfall die Erwartung u&#x0364;ber&#x017F;teigt und die<lb/>
Landwirthe dadurch veranlaßt werden, der Be&#x017F;chwerlichkeit der Wege ungeachtet<lb/>
viel zu verfahren. Man &#x017F;agt daher, wenn das Getreide unter den Flegel fa&#x0364;llt, &#x017F;o<lb/>
wird es &#x017F;ehr wohlfeil werden. Da ereignet es &#x017F;ich dann wohl, daß das Getreide im<lb/>
Fru&#x0364;hjahre geringer &#x017F;teht wie im Herb&#x017F;te, und immer mehr fa&#x0364;llt, je na&#x0364;her die neue<lb/>
Ernte kommt, zumal wenn die&#x017F;e einen guten An&#x017F;chein giebt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 222.</head><lb/>
            <p>Wer aufmerk&#x017F;am alle die&#x017F;e Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e erwa&#x0364;gt, und insbe&#x017F;ondere den Ernte-<lb/>
ertrag nicht von einzelnen Flecken, &#x017F;ondern aus der ganzen Gegend, woher ein Markt<lb/>
ver&#x017F;orgt wird, wahrzunehmen und zu u&#x0364;ber&#x017F;chlagen ver&#x017F;teht, wird freilich weit ha&#x0364;u-<lb/>
figer den ku&#x0364;nftigen Stand der Prei&#x017F;e richtig vorher&#x017F;ehen, als &#x017F;ich darin tru&#x0364;gen. In-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t wohl niemand &#x017F;o &#x017F;charf&#x017F;ichtig, daß nicht auch letzteres hin und wieder der<lb/>
Fall &#x017F;eyn &#x017F;ollte; und es i&#x017F;t dem Landwirthe daher nie zu rathen, daß er mit &#x017F;einer<lb/>
Handels&#x017F;pekulation zu weit gehe, und &#x017F;einen ganzen Verkauf darnach einrichte.<lb/>
Wenn er es auch unter fu&#x0364;nfmalen viermal richtig tra&#x0364;fe, &#x017F;ich aber nur einmal tro&#x0364;ge,<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnte ihn dies in &#x017F;einem ganzen Gewerbe &#x017F;o zuru&#x0364;ck&#x017F;etzen, daß der gemachte Vor-<lb/>
theil dadurch weit u&#x0364;berwogen wu&#x0364;rde. Bei einem Theile &#x017F;eines Verkaufs inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wird ein jeder, der &#x017F;ich eine richtige Um&#x017F;icht zutrauen darf &#x2014; denn auf das Gerede<lb/>
anderer darf man &#x017F;ich in die&#x017F;em Punkte weniger wie irgendwo verla&#x017F;&#x017F;en &#x2014; mit Vor-<lb/>
theil &#x017F;pekuliren, weil ihn ein etwaniger Irrthum dabei nicht zu Grunde richten kann.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 223.</head><lb/>
            <p><note place="left">Wahl zwi-<lb/>
&#x017F;chen mehreren<lb/>
Ma&#x0364;rkten.</note>Wenn der Produzent mehrere Ma&#x0364;rkte hat, &#x017F;o i&#x017F;t eine kluge und wohlberechnete<lb/>
Auswahl &#x017F;ehr wichtig. Oft kann es vortheilhaft &#x017F;eyn, auf einem na&#x0364;hern Markte be-<lb/>
tra&#x0364;chtlich wohlfeiler, als auf einem entfernteren zu verkaufen, wenn man auch bei<lb/>
die&#x017F;em das gewo&#x0364;hnliche Fuhrlohn nach einem allgemeinen Durch&#x017F;chnitte in richtige An-<lb/>
rechnung bra&#x0364;chte. Es giebt na&#x0364;mlich Zeiten, wo die Ge&#x017F;pannarbeit kaum bezahlbar i&#x017F;t,<lb/>
und wo der ho&#x0364;ch&#x017F;te Fruchtpreis die Ver&#x017F;a&#x0364;umniß nicht er&#x017F;etzen kann, die dadurch ent&#x017F;teht.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0232] Direktion der Wirthſchaft. fahrt wegen die Zufuhr vermindert. Man findet deshalb in den Sammlungen, die man von den Preiſen langer Reihen von Jahren gemacht hat, daß in gewoͤhnlichen Jahren, die ungefaͤhr den Bedarf lieferten, die Preiſe um dieſe Zeit am hoͤchſten ſtanden. Indeſſen giebt es Ausnahmen, wenn naͤmlich in dieſer Zeit, wo das Aus- dreſchen hauptſaͤchlich vor ſich geht, der Ausfall die Erwartung uͤberſteigt und die Landwirthe dadurch veranlaßt werden, der Beſchwerlichkeit der Wege ungeachtet viel zu verfahren. Man ſagt daher, wenn das Getreide unter den Flegel faͤllt, ſo wird es ſehr wohlfeil werden. Da ereignet es ſich dann wohl, daß das Getreide im Fruͤhjahre geringer ſteht wie im Herbſte, und immer mehr faͤllt, je naͤher die neue Ernte kommt, zumal wenn dieſe einen guten Anſchein giebt. §. 222. Wer aufmerkſam alle dieſe Verhaͤltniſſe erwaͤgt, und insbeſondere den Ernte- ertrag nicht von einzelnen Flecken, ſondern aus der ganzen Gegend, woher ein Markt verſorgt wird, wahrzunehmen und zu uͤberſchlagen verſteht, wird freilich weit haͤu- figer den kuͤnftigen Stand der Preiſe richtig vorherſehen, als ſich darin truͤgen. In- deſſen iſt wohl niemand ſo ſcharfſichtig, daß nicht auch letzteres hin und wieder der Fall ſeyn ſollte; und es iſt dem Landwirthe daher nie zu rathen, daß er mit ſeiner Handelsſpekulation zu weit gehe, und ſeinen ganzen Verkauf darnach einrichte. Wenn er es auch unter fuͤnfmalen viermal richtig traͤfe, ſich aber nur einmal troͤge, ſo koͤnnte ihn dies in ſeinem ganzen Gewerbe ſo zuruͤckſetzen, daß der gemachte Vor- theil dadurch weit uͤberwogen wuͤrde. Bei einem Theile ſeines Verkaufs indeſſen wird ein jeder, der ſich eine richtige Umſicht zutrauen darf — denn auf das Gerede anderer darf man ſich in dieſem Punkte weniger wie irgendwo verlaſſen — mit Vor- theil ſpekuliren, weil ihn ein etwaniger Irrthum dabei nicht zu Grunde richten kann. §. 223. Wenn der Produzent mehrere Maͤrkte hat, ſo iſt eine kluge und wohlberechnete Auswahl ſehr wichtig. Oft kann es vortheilhaft ſeyn, auf einem naͤhern Markte be- traͤchtlich wohlfeiler, als auf einem entfernteren zu verkaufen, wenn man auch bei dieſem das gewoͤhnliche Fuhrlohn nach einem allgemeinen Durchſchnitte in richtige An- rechnung braͤchte. Es giebt naͤmlich Zeiten, wo die Geſpannarbeit kaum bezahlbar iſt, und wo der hoͤchſte Fruchtpreis die Verſaͤumniß nicht erſetzen kann, die dadurch entſteht. Wahl zwi- ſchen mehreren Maͤrkten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/232
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/232>, abgerufen am 24.04.2024.