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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Feldersystem.
zeln und seine zum drittenmale austreibenden saftreichen Blätter, und befördere
überdem eine besondere Anziehung der nahrhaften Theile aus der Atmosphäre.
Er erhalte den Boden so locker und so rein, daß ein einfurchiger Umbruch seiner
Stoppel eine der Brache gleiche, oder sie noch übertreffende Aufnahme dem Win-
tergetreide gewähre. Das reichliche und nahrhafte, nun von der Brache zu ge-
winnende Futter, werde durch die Sommerstallfutterung und Ueberfluß von Heu
eine um vieles erhöhte Viehnutzung und wahren Ueberfluß von Düngung gewäh-
ren. Wiesen und Weiden würden entbehrlich seyn, und jedes andere bis dahin
gerühmte Futterungsmittel. Der Klee sey Eins und Alles, und auf ihn
und die Abschaffung der Trift und Brache beruhe das Glück der Welt.

Man versprach wirklich nicht zu viel, wenn es möglich gewesen wäre, den
Klee in dieser Rotation nach zwei Getreideernten um's dritte Jahr immer zu
bauen, und einen guten dichten Kleewuchs zu erhalten. Allein es zeigte sich
bald, daß dieses nicht anging, daß der Klee selbst auf dem ihm zuträglichsten
Acker bei einer so häufigen Wiederkunft, und ohne daß der Boden sorgfältiger
und tiefer bearbeitet würde, bald gänzlich misrathe, sodann allen Unkräutern
Platz mache, den Boden nachtheilig binde und einen großen Miswachs im Ge-
treide zur Folge habe. Selbst der eifrige Apostel dieser Lehre, der höchst verdienst-
volle Schubart, deshalb mit dem Namen eines Edlen von Kleefeld be-
legt, zog sich in seiner Meinung und Lehre bald zurück, beschränkte diesen Klee-
bau erst auf den sechsten, dann auf den neunten Theil des Feldes, und em-
pfahl zuletzt auch Runkeln, Kohlrüben und Kartoffeln zur Viehfutterung in einem
Theile der Brache zu bauen, in einem andern Theile aber Erbsen zu säen. Sein
Name wird in der deutschen Geschichte des vorigen Jahrhunderts unauslöschlich
unter der Zahl der Wohlthäter der Menschheit stehn, wenn er sich gleich, wie
jeder Sterbliche, vom Irrthume nicht frei erhielt.

Er drang mit regem Eifer auf die Abschaffung der Brache und der Hut- und
Tristgerechtigkeit auf dem Acker, und seine Wünsche sind erst jetzt, nach langem
Schwanken der Regierungen, durch den König Maximilian Joseph von
Baiern
und einigen andern deutschen Fürsten, die als erleuchtete Väter ih-
res Volks das Wohl desselben über das Ansehen herkömmlicher erschlichener
Rechte schätzen, ausgeführt worden.


Das Felderſyſtem.
zeln und ſeine zum drittenmale austreibenden ſaftreichen Blaͤtter, und befoͤrdere
uͤberdem eine beſondere Anziehung der nahrhaften Theile aus der Atmoſphaͤre.
Er erhalte den Boden ſo locker und ſo rein, daß ein einfurchiger Umbruch ſeiner
Stoppel eine der Brache gleiche, oder ſie noch uͤbertreffende Aufnahme dem Win-
tergetreide gewaͤhre. Das reichliche und nahrhafte, nun von der Brache zu ge-
winnende Futter, werde durch die Sommerſtallfutterung und Ueberfluß von Heu
eine um vieles erhoͤhte Viehnutzung und wahren Ueberfluß von Duͤngung gewaͤh-
ren. Wieſen und Weiden wuͤrden entbehrlich ſeyn, und jedes andere bis dahin
geruͤhmte Futterungsmittel. Der Klee ſey Eins und Alles, und auf ihn
und die Abſchaffung der Trift und Brache beruhe das Gluͤck der Welt.

Man verſprach wirklich nicht zu viel, wenn es moͤglich geweſen waͤre, den
Klee in dieſer Rotation nach zwei Getreideernten um’s dritte Jahr immer zu
bauen, und einen guten dichten Kleewuchs zu erhalten. Allein es zeigte ſich
bald, daß dieſes nicht anging, daß der Klee ſelbſt auf dem ihm zutraͤglichſten
Acker bei einer ſo haͤufigen Wiederkunft, und ohne daß der Boden ſorgfaͤltiger
und tiefer bearbeitet wuͤrde, bald gaͤnzlich misrathe, ſodann allen Unkraͤutern
Platz mache, den Boden nachtheilig binde und einen großen Miswachs im Ge-
treide zur Folge habe. Selbſt der eifrige Apoſtel dieſer Lehre, der hoͤchſt verdienſt-
volle Schubart, deshalb mit dem Namen eines Edlen von Kleefeld be-
legt, zog ſich in ſeiner Meinung und Lehre bald zuruͤck, beſchraͤnkte dieſen Klee-
bau erſt auf den ſechſten, dann auf den neunten Theil des Feldes, und em-
pfahl zuletzt auch Runkeln, Kohlruͤben und Kartoffeln zur Viehfutterung in einem
Theile der Brache zu bauen, in einem andern Theile aber Erbſen zu ſaͤen. Sein
Name wird in der deutſchen Geſchichte des vorigen Jahrhunderts unausloͤſchlich
unter der Zahl der Wohlthaͤter der Menſchheit ſtehn, wenn er ſich gleich, wie
jeder Sterbliche, vom Irrthume nicht frei erhielt.

Er drang mit regem Eifer auf die Abſchaffung der Brache und der Hut- und
Triſtgerechtigkeit auf dem Acker, und ſeine Wuͤnſche ſind erſt jetzt, nach langem
Schwanken der Regierungen, durch den Koͤnig Maximilian Joſeph von
Baiern
und einigen andern deutſchen Fuͤrſten, die als erleuchtete Vaͤter ih-
res Volks das Wohl deſſelben uͤber das Anſehen herkoͤmmlicher erſchlichener
Rechte ſchaͤtzen, ausgefuͤhrt worden.


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[294/0340] Das Felderſyſtem. zeln und ſeine zum drittenmale austreibenden ſaftreichen Blaͤtter, und befoͤrdere uͤberdem eine beſondere Anziehung der nahrhaften Theile aus der Atmoſphaͤre. Er erhalte den Boden ſo locker und ſo rein, daß ein einfurchiger Umbruch ſeiner Stoppel eine der Brache gleiche, oder ſie noch uͤbertreffende Aufnahme dem Win- tergetreide gewaͤhre. Das reichliche und nahrhafte, nun von der Brache zu ge- winnende Futter, werde durch die Sommerſtallfutterung und Ueberfluß von Heu eine um vieles erhoͤhte Viehnutzung und wahren Ueberfluß von Duͤngung gewaͤh- ren. Wieſen und Weiden wuͤrden entbehrlich ſeyn, und jedes andere bis dahin geruͤhmte Futterungsmittel. Der Klee ſey Eins und Alles, und auf ihn und die Abſchaffung der Trift und Brache beruhe das Gluͤck der Welt. Man verſprach wirklich nicht zu viel, wenn es moͤglich geweſen waͤre, den Klee in dieſer Rotation nach zwei Getreideernten um’s dritte Jahr immer zu bauen, und einen guten dichten Kleewuchs zu erhalten. Allein es zeigte ſich bald, daß dieſes nicht anging, daß der Klee ſelbſt auf dem ihm zutraͤglichſten Acker bei einer ſo haͤufigen Wiederkunft, und ohne daß der Boden ſorgfaͤltiger und tiefer bearbeitet wuͤrde, bald gaͤnzlich misrathe, ſodann allen Unkraͤutern Platz mache, den Boden nachtheilig binde und einen großen Miswachs im Ge- treide zur Folge habe. Selbſt der eifrige Apoſtel dieſer Lehre, der hoͤchſt verdienſt- volle Schubart, deshalb mit dem Namen eines Edlen von Kleefeld be- legt, zog ſich in ſeiner Meinung und Lehre bald zuruͤck, beſchraͤnkte dieſen Klee- bau erſt auf den ſechſten, dann auf den neunten Theil des Feldes, und em- pfahl zuletzt auch Runkeln, Kohlruͤben und Kartoffeln zur Viehfutterung in einem Theile der Brache zu bauen, in einem andern Theile aber Erbſen zu ſaͤen. Sein Name wird in der deutſchen Geſchichte des vorigen Jahrhunderts unausloͤſchlich unter der Zahl der Wohlthaͤter der Menſchheit ſtehn, wenn er ſich gleich, wie jeder Sterbliche, vom Irrthume nicht frei erhielt. Er drang mit regem Eifer auf die Abſchaffung der Brache und der Hut- und Triſtgerechtigkeit auf dem Acker, und ſeine Wuͤnſche ſind erſt jetzt, nach langem Schwanken der Regierungen, durch den Koͤnig Maximilian Joſeph von Baiern und einigen andern deutſchen Fuͤrſten, die als erleuchtete Vaͤter ih- res Volks das Wohl deſſelben uͤber das Anſehen herkoͤmmlicher erſchlichener Rechte ſchaͤtzen, ausgefuͤhrt worden.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/340>, abgerufen am 25.04.2024.