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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Feldersystem.
endlich getödtet, und gehen in eine fruchtbare Fäulniß über. Die Samen kommen
an die Oberfläche, werden aus den Erdklößen, worin sie oft in unglaublicher
Menge vorhanden sind, entbunden, in eine zum Keimen günstige Lage gebracht,
und dann in ihrem jungen Zustande durch Pflug und Egge zerstört, da dann auch
diese jungen Kräuter zur Vermehrung der Fruchtbarkeit durch ihre Verwesung bei-
tragen. Der Brachacker wird also von dem unter dem Getreide sich so unglaub-
lich vermehrenden Unkraute befreit; unter der Bedingung, daß die Brache früh
und fleißig genug bearbeitet sey, und die Reinheit des Ackers hängt von der meh-
reren oder minderen Vollkommenheit dieser Operationen ab.

Es ist drittens durch die allgemeine empirische Erfahrung längst bekannt,
durch die neuere Naturlehre aber in ein helles Licht gestellt worden, daß auch die
reichste Ackererde der Einwirkung der Atmosphäre ausgesetzt werden müsse,
wenn sie fruchtbar werden und bleiben soll, und daß sie daraus Stoffe aufnehme,
welche erst durch ihre Verbindung mit derselben zuträgliche Pflanzennahrung er-
zeugen. Die gebundene Borke der Oberfläche so wenig, als die geballten Erd-
klöße sind fähig, diese Stoffe aufzunehmen. Die atmosphärische Luft kann nur
in die lockere Erde eindringen, und sich mit jedem Partikel derselben in Berüh-
rung und Wechselwirkung setzen. Diese Einsaugung der luftförmigen Stoffe ge-
schiehet nur bei höherer Temperatur, und scheint bei der ersten Wärme des Früh-
jahrs am stärksten zu seyn. Nur ein Boden, der in gelockerter und oft veränder-
ter Oberfläche der Atmosphäre und dem Lichte ausgesetzt ist, genießt dieser Wohl-
that, und die Brache macht ihn dazu am meisten fähig.

Endlich wird durch die Brache die vollkommenste und innigste Mengung der
Bestandtheile des Bodens und des hineingebrachten Düngers bewirkt. Soll letz-
terer seine vollkommene Wirksamkeit äußern, so muß er jedes Erdpartikelchen be-
rühren und beschwängern, wie es denn auch jedem Ackerbauer bekannt ist, daß
klumpig im Acker liegender Mist von weniger Wirksamkeit sey. Diese Mengung
aber kann nicht vollständiger als durch eine Brache befördert werden, die nach Auf-
bringung des Mistes noch mehrere Umwendungen und Rührungen erhält.

Dazu kommt noch, daß eine Brache die Ausführbarkeit der nöthigen Acker-
geschäfte mit möglich mindesten Kräften verstattet, indem die Vorbereitung des
Landes und die Ausfuhr des Düngers nun zu einer Zeit geschehen kann, wo ein

Erster Theil. P p

Das Felderſyſtem.
endlich getoͤdtet, und gehen in eine fruchtbare Faͤulniß uͤber. Die Samen kommen
an die Oberflaͤche, werden aus den Erdkloͤßen, worin ſie oft in unglaublicher
Menge vorhanden ſind, entbunden, in eine zum Keimen guͤnſtige Lage gebracht,
und dann in ihrem jungen Zuſtande durch Pflug und Egge zerſtoͤrt, da dann auch
dieſe jungen Kraͤuter zur Vermehrung der Fruchtbarkeit durch ihre Verweſung bei-
tragen. Der Brachacker wird alſo von dem unter dem Getreide ſich ſo unglaub-
lich vermehrenden Unkraute befreit; unter der Bedingung, daß die Brache fruͤh
und fleißig genug bearbeitet ſey, und die Reinheit des Ackers haͤngt von der meh-
reren oder minderen Vollkommenheit dieſer Operationen ab.

Es iſt drittens durch die allgemeine empiriſche Erfahrung laͤngſt bekannt,
durch die neuere Naturlehre aber in ein helles Licht geſtellt worden, daß auch die
reichſte Ackererde der Einwirkung der Atmoſphaͤre ausgeſetzt werden muͤſſe,
wenn ſie fruchtbar werden und bleiben ſoll, und daß ſie daraus Stoffe aufnehme,
welche erſt durch ihre Verbindung mit derſelben zutraͤgliche Pflanzennahrung er-
zeugen. Die gebundene Borke der Oberflaͤche ſo wenig, als die geballten Erd-
kloͤße ſind faͤhig, dieſe Stoffe aufzunehmen. Die atmoſphaͤriſche Luft kann nur
in die lockere Erde eindringen, und ſich mit jedem Partikel derſelben in Beruͤh-
rung und Wechſelwirkung ſetzen. Dieſe Einſaugung der luftfoͤrmigen Stoffe ge-
ſchiehet nur bei hoͤherer Temperatur, und ſcheint bei der erſten Waͤrme des Fruͤh-
jahrs am ſtaͤrkſten zu ſeyn. Nur ein Boden, der in gelockerter und oft veraͤnder-
ter Oberflaͤche der Atmoſphaͤre und dem Lichte ausgeſetzt iſt, genießt dieſer Wohl-
that, und die Brache macht ihn dazu am meiſten faͤhig.

Endlich wird durch die Brache die vollkommenſte und innigſte Mengung der
Beſtandtheile des Bodens und des hineingebrachten Duͤngers bewirkt. Soll letz-
terer ſeine vollkommene Wirkſamkeit aͤußern, ſo muß er jedes Erdpartikelchen be-
ruͤhren und beſchwaͤngern, wie es denn auch jedem Ackerbauer bekannt iſt, daß
klumpig im Acker liegender Miſt von weniger Wirkſamkeit ſey. Dieſe Mengung
aber kann nicht vollſtaͤndiger als durch eine Brache befoͤrdert werden, die nach Auf-
bringung des Miſtes noch mehrere Umwendungen und Ruͤhrungen erhaͤlt.

Dazu kommt noch, daß eine Brache die Ausfuͤhrbarkeit der noͤthigen Acker-
geſchaͤfte mit moͤglich mindeſten Kraͤften verſtattet, indem die Vorbereitung des
Landes und die Ausfuhr des Duͤngers nun zu einer Zeit geſchehen kann, wo ein

Erſter Theil. P p
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[297/0343] Das Felderſyſtem. endlich getoͤdtet, und gehen in eine fruchtbare Faͤulniß uͤber. Die Samen kommen an die Oberflaͤche, werden aus den Erdkloͤßen, worin ſie oft in unglaublicher Menge vorhanden ſind, entbunden, in eine zum Keimen guͤnſtige Lage gebracht, und dann in ihrem jungen Zuſtande durch Pflug und Egge zerſtoͤrt, da dann auch dieſe jungen Kraͤuter zur Vermehrung der Fruchtbarkeit durch ihre Verweſung bei- tragen. Der Brachacker wird alſo von dem unter dem Getreide ſich ſo unglaub- lich vermehrenden Unkraute befreit; unter der Bedingung, daß die Brache fruͤh und fleißig genug bearbeitet ſey, und die Reinheit des Ackers haͤngt von der meh- reren oder minderen Vollkommenheit dieſer Operationen ab. Es iſt drittens durch die allgemeine empiriſche Erfahrung laͤngſt bekannt, durch die neuere Naturlehre aber in ein helles Licht geſtellt worden, daß auch die reichſte Ackererde der Einwirkung der Atmoſphaͤre ausgeſetzt werden muͤſſe, wenn ſie fruchtbar werden und bleiben ſoll, und daß ſie daraus Stoffe aufnehme, welche erſt durch ihre Verbindung mit derſelben zutraͤgliche Pflanzennahrung er- zeugen. Die gebundene Borke der Oberflaͤche ſo wenig, als die geballten Erd- kloͤße ſind faͤhig, dieſe Stoffe aufzunehmen. Die atmoſphaͤriſche Luft kann nur in die lockere Erde eindringen, und ſich mit jedem Partikel derſelben in Beruͤh- rung und Wechſelwirkung ſetzen. Dieſe Einſaugung der luftfoͤrmigen Stoffe ge- ſchiehet nur bei hoͤherer Temperatur, und ſcheint bei der erſten Waͤrme des Fruͤh- jahrs am ſtaͤrkſten zu ſeyn. Nur ein Boden, der in gelockerter und oft veraͤnder- ter Oberflaͤche der Atmoſphaͤre und dem Lichte ausgeſetzt iſt, genießt dieſer Wohl- that, und die Brache macht ihn dazu am meiſten faͤhig. Endlich wird durch die Brache die vollkommenſte und innigſte Mengung der Beſtandtheile des Bodens und des hineingebrachten Duͤngers bewirkt. Soll letz- terer ſeine vollkommene Wirkſamkeit aͤußern, ſo muß er jedes Erdpartikelchen be- ruͤhren und beſchwaͤngern, wie es denn auch jedem Ackerbauer bekannt iſt, daß klumpig im Acker liegender Miſt von weniger Wirkſamkeit ſey. Dieſe Mengung aber kann nicht vollſtaͤndiger als durch eine Brache befoͤrdert werden, die nach Auf- bringung des Miſtes noch mehrere Umwendungen und Ruͤhrungen erhaͤlt. Dazu kommt noch, daß eine Brache die Ausfuͤhrbarkeit der noͤthigen Acker- geſchaͤfte mit moͤglich mindeſten Kraͤften verſtattet, indem die Vorbereitung des Landes und die Ausfuhr des Duͤngers nun zu einer Zeit geſchehen kann, wo ein Erſter Theil. P p

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/343>, abgerufen am 18.04.2024.