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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Feldersystem.
bessern Wirthschaft da schwer gehoben werden, wo jeder kleine Besitzer schon früher
zum freien und erblichen Eigenthümer gemacht wurde. Nur in solchen Ländern, wo
der Gutsherr sich seine Rechte über die Bauern und die ihm zugetheilten Felder vor-
behielt, und ihm nur den Anbau derselben unter gewissen Bedingungen überließ,
hatte er die Macht, das Hoffeld herauszunehmen, und den Bauern das ihrige anzu-
weisen, wo es ihm paßlich schien; weswegen nur einzelne deutsche Provinzen an die-
ser Feldzerstückelung nicht leiden, und deshalb dann auch früher zu einem zweckmäßi-
gern Ackersysteme gekommen sind.

§. 319.

Ein Palliativmittel gegen jenes Uebel hat man dadurch angewandt, daß manHülfsmittel
dabei.

einen Theil des Brachfeldes, mehrentheils den zunächst am Dorfe liegenden, der Hut
und Weide entzog, und den Bau der Futterkräuter oder anderer Früchte dadurch be-
günstigte; welches nur durch einen gerechten Machtspruch der Regierungen oder der
gesetzgebenden Macht, die durch Schubarts durchdringende Stimme dazu aufge-
fordert waren, nicht ohne heftige Reklamationen der Weide-Interessenten bewirkt
werden konnte. Hierdurch ist etwas, aber nicht genug geholfen.

In einigen Staaten hat neuerlich die aufgeklärte souveraine Macht mit höchster
Energie durchgegriffen, und alle Hut und Weide auf des andern Acker, sobald er ihn
bestellte, unbedingt untersagt, und somit jeden vorher nur beschränkten Grundeigen-
thümer zum vollkommenen gemacht. Wenn daselbst angenommen werden kann, daß
kein anderer als der Grundeigenthümer Weiderecht besaß, so kompensirt es sich gegen
einander; die Rechte keines sind gefährdet, sondern es ist nur ihr Mißbrauch zum
Nachtheil anderer und des allgemeinen Bestens aufgehoben. Es wird aber hierdurch
die Stallfutterung des Viehes wohl größtentheils zur unbedingten Nothwendigkeit, in-
dem kein Eigenthümer seinen bestellten Acker zu befriedigen verpflichtet ist, sondern ein
jeder, der sein Vieh noch austreiben will, für allen Schaden einstehen muß; ja sogar
der einzelne oder die Gemeinde, die ihr Vieh austreibt, den Schaden zu ersetzen ge-
halten ist, der in ihrer Nachbarschaft durchs Vieh an einer Frucht geschieht; wenn
gleich nicht erwiesen werden kann, daß das ihrige ihn veranlaßt habe.

Ob nun diese allgemeine Einführung der Stallfutterung in jenen Staaten so
schnell möglich sey, und der Viehstand bei der strengen Beobachtung dieser Vorschrif-

Q q 2

Das Felderſyſtem.
beſſern Wirthſchaft da ſchwer gehoben werden, wo jeder kleine Beſitzer ſchon fruͤher
zum freien und erblichen Eigenthuͤmer gemacht wurde. Nur in ſolchen Laͤndern, wo
der Gutsherr ſich ſeine Rechte uͤber die Bauern und die ihm zugetheilten Felder vor-
behielt, und ihm nur den Anbau derſelben unter gewiſſen Bedingungen uͤberließ,
hatte er die Macht, das Hoffeld herauszunehmen, und den Bauern das ihrige anzu-
weiſen, wo es ihm paßlich ſchien; weswegen nur einzelne deutſche Provinzen an die-
ſer Feldzerſtuͤckelung nicht leiden, und deshalb dann auch fruͤher zu einem zweckmaͤßi-
gern Ackerſyſteme gekommen ſind.

§. 319.

Ein Palliativmittel gegen jenes Uebel hat man dadurch angewandt, daß manHuͤlfsmittel
dabei.

einen Theil des Brachfeldes, mehrentheils den zunaͤchſt am Dorfe liegenden, der Hut
und Weide entzog, und den Bau der Futterkraͤuter oder anderer Fruͤchte dadurch be-
guͤnſtigte; welches nur durch einen gerechten Machtſpruch der Regierungen oder der
geſetzgebenden Macht, die durch Schubarts durchdringende Stimme dazu aufge-
fordert waren, nicht ohne heftige Reklamationen der Weide-Intereſſenten bewirkt
werden konnte. Hierdurch iſt etwas, aber nicht genug geholfen.

In einigen Staaten hat neuerlich die aufgeklaͤrte ſouveraine Macht mit hoͤchſter
Energie durchgegriffen, und alle Hut und Weide auf des andern Acker, ſobald er ihn
beſtellte, unbedingt unterſagt, und ſomit jeden vorher nur beſchraͤnkten Grundeigen-
thuͤmer zum vollkommenen gemacht. Wenn daſelbſt angenommen werden kann, daß
kein anderer als der Grundeigenthuͤmer Weiderecht beſaß, ſo kompenſirt es ſich gegen
einander; die Rechte keines ſind gefaͤhrdet, ſondern es iſt nur ihr Mißbrauch zum
Nachtheil anderer und des allgemeinen Beſtens aufgehoben. Es wird aber hierdurch
die Stallfutterung des Viehes wohl groͤßtentheils zur unbedingten Nothwendigkeit, in-
dem kein Eigenthuͤmer ſeinen beſtellten Acker zu befriedigen verpflichtet iſt, ſondern ein
jeder, der ſein Vieh noch austreiben will, fuͤr allen Schaden einſtehen muß; ja ſogar
der einzelne oder die Gemeinde, die ihr Vieh austreibt, den Schaden zu erſetzen ge-
halten iſt, der in ihrer Nachbarſchaft durchs Vieh an einer Frucht geſchieht; wenn
gleich nicht erwieſen werden kann, daß das ihrige ihn veranlaßt habe.

Ob nun dieſe allgemeine Einfuͤhrung der Stallfutterung in jenen Staaten ſo
ſchnell moͤglich ſey, und der Viehſtand bei der ſtrengen Beobachtung dieſer Vorſchrif-

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[307/0353] Das Felderſyſtem. beſſern Wirthſchaft da ſchwer gehoben werden, wo jeder kleine Beſitzer ſchon fruͤher zum freien und erblichen Eigenthuͤmer gemacht wurde. Nur in ſolchen Laͤndern, wo der Gutsherr ſich ſeine Rechte uͤber die Bauern und die ihm zugetheilten Felder vor- behielt, und ihm nur den Anbau derſelben unter gewiſſen Bedingungen uͤberließ, hatte er die Macht, das Hoffeld herauszunehmen, und den Bauern das ihrige anzu- weiſen, wo es ihm paßlich ſchien; weswegen nur einzelne deutſche Provinzen an die- ſer Feldzerſtuͤckelung nicht leiden, und deshalb dann auch fruͤher zu einem zweckmaͤßi- gern Ackerſyſteme gekommen ſind. §. 319. Ein Palliativmittel gegen jenes Uebel hat man dadurch angewandt, daß man einen Theil des Brachfeldes, mehrentheils den zunaͤchſt am Dorfe liegenden, der Hut und Weide entzog, und den Bau der Futterkraͤuter oder anderer Fruͤchte dadurch be- guͤnſtigte; welches nur durch einen gerechten Machtſpruch der Regierungen oder der geſetzgebenden Macht, die durch Schubarts durchdringende Stimme dazu aufge- fordert waren, nicht ohne heftige Reklamationen der Weide-Intereſſenten bewirkt werden konnte. Hierdurch iſt etwas, aber nicht genug geholfen. Huͤlfsmittel dabei. In einigen Staaten hat neuerlich die aufgeklaͤrte ſouveraine Macht mit hoͤchſter Energie durchgegriffen, und alle Hut und Weide auf des andern Acker, ſobald er ihn beſtellte, unbedingt unterſagt, und ſomit jeden vorher nur beſchraͤnkten Grundeigen- thuͤmer zum vollkommenen gemacht. Wenn daſelbſt angenommen werden kann, daß kein anderer als der Grundeigenthuͤmer Weiderecht beſaß, ſo kompenſirt es ſich gegen einander; die Rechte keines ſind gefaͤhrdet, ſondern es iſt nur ihr Mißbrauch zum Nachtheil anderer und des allgemeinen Beſtens aufgehoben. Es wird aber hierdurch die Stallfutterung des Viehes wohl groͤßtentheils zur unbedingten Nothwendigkeit, in- dem kein Eigenthuͤmer ſeinen beſtellten Acker zu befriedigen verpflichtet iſt, ſondern ein jeder, der ſein Vieh noch austreiben will, fuͤr allen Schaden einſtehen muß; ja ſogar der einzelne oder die Gemeinde, die ihr Vieh austreibt, den Schaden zu erſetzen ge- halten iſt, der in ihrer Nachbarſchaft durchs Vieh an einer Frucht geſchieht; wenn gleich nicht erwieſen werden kann, daß das ihrige ihn veranlaßt habe. Ob nun dieſe allgemeine Einfuͤhrung der Stallfutterung in jenen Staaten ſo ſchnell moͤglich ſey, und der Viehſtand bei der ſtrengen Beobachtung dieſer Vorſchrif- Q q 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/353>, abgerufen am 29.03.2024.