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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Der Fruchtwechsel.
oder sehr geringen Ertrag giebt, dieselbe Frucht im folgenden Jahre wenigstens
besser darauf fortkomme, wie sie sonst in ihrer eigenen Stoppel thun würde. Um-
gekehrt aber geräth eine Frucht in der Stoppel einer ihr angemessenen Vorfrucht
(z. B. der Weizen nach Klee oder Bohnen) um so besser, je üppiger diese stand.
Dasselbe Gewächs ist also für sich selbst durch stärkern Ertrag erschöpfend; für ein
anderes ist es nicht also, sondern eher bereichernd.

§. 359.

Der Körneransatz, die Bildung der mehlichten Samen und Substanzen ist
das, was den Erdboden am meisten zu erschöpfen scheint. Werden die Pflanzen
grün abgeschnitten, zur Zeit der Blüthe im Zustande ihres üppigsten Wachsthums
gemähet und abgefahren, so nehmen sie wenig oder gar keine Kraft aus dem Boden,
scheinen solche vielmehr unter gewissen Bedingungen zu verstärken, -- eine
Wahrheit, wovon mich so wie jeden genauen Beobachter jährlich neue Bemerkun-
gen immer fester überzeugen. Entschieden ist es noch nicht, ob während der Rei-
fung des Samens eine stärkere Anziehung, besonders des Kohlenstoffs, aus dem
Boden geschehe. Aber gewiß ist es, daß bei der Bildung und Reifung des Sa-
mens der Schleim der ganzen Pflanze konsumiret und diese in ein faseriges Stroh
verwandelt werde. Es ist also ein großer Unterschied, ob die saftige Stoppel und
Wurzel oder die dürre dem Acker zurückbleibt, und ob diese Wurzel bei voller Le-
bensthätigkeit noch kohlensaures Gas in der Erde abscheidet. Wie viel diese zu-
rückbleibenden Wurzeln bewirken, hat man beim Spergelbau unter andern bemerkt.
Wird er grün gemähet, so verbessert er den Boden merklich, wird er aber, wie
zuweilen geschieht, geraufet, so soll er stark aussaugen. Daher vielleicht auch
das besondere Erschöpfende des Leins. Diese Thatsachen sind so allgemein bekannt,
daß die neuerlich von einigen wie es scheint aus Widerspruchsgeist erregten Zwei-
fel gar keinen Eindruck machen können, und deshalb keiner Widerlegung bedürfen.

§. 360.

Indessen gehe ich nicht so weit wie Einige, zu behaupten, daß alle nicht zum
Samenansatz gekommene Früchte dem Boden gar nichts entzögen, wenn sie abge-
erntet werden. Alle Knollen und Rübenfrüchte sammeln in ihrer Stammwurzel

Der Fruchtwechſel.
oder ſehr geringen Ertrag giebt, dieſelbe Frucht im folgenden Jahre wenigſtens
beſſer darauf fortkomme, wie ſie ſonſt in ihrer eigenen Stoppel thun wuͤrde. Um-
gekehrt aber geraͤth eine Frucht in der Stoppel einer ihr angemeſſenen Vorfrucht
(z. B. der Weizen nach Klee oder Bohnen) um ſo beſſer, je uͤppiger dieſe ſtand.
Daſſelbe Gewaͤchs iſt alſo fuͤr ſich ſelbſt durch ſtaͤrkern Ertrag erſchoͤpfend; fuͤr ein
anderes iſt es nicht alſo, ſondern eher bereichernd.

§. 359.

Der Koͤrneranſatz, die Bildung der mehlichten Samen und Subſtanzen iſt
das, was den Erdboden am meiſten zu erſchoͤpfen ſcheint. Werden die Pflanzen
gruͤn abgeſchnitten, zur Zeit der Bluͤthe im Zuſtande ihres uͤppigſten Wachsthums
gemaͤhet und abgefahren, ſo nehmen ſie wenig oder gar keine Kraft aus dem Boden,
ſcheinen ſolche vielmehr unter gewiſſen Bedingungen zu verſtaͤrken, — eine
Wahrheit, wovon mich ſo wie jeden genauen Beobachter jaͤhrlich neue Bemerkun-
gen immer feſter uͤberzeugen. Entſchieden iſt es noch nicht, ob waͤhrend der Rei-
fung des Samens eine ſtaͤrkere Anziehung, beſonders des Kohlenſtoffs, aus dem
Boden geſchehe. Aber gewiß iſt es, daß bei der Bildung und Reifung des Sa-
mens der Schleim der ganzen Pflanze konſumiret und dieſe in ein faſeriges Stroh
verwandelt werde. Es iſt alſo ein großer Unterſchied, ob die ſaftige Stoppel und
Wurzel oder die duͤrre dem Acker zuruͤckbleibt, und ob dieſe Wurzel bei voller Le-
bensthaͤtigkeit noch kohlenſaures Gas in der Erde abſcheidet. Wie viel dieſe zu-
ruͤckbleibenden Wurzeln bewirken, hat man beim Spergelbau unter andern bemerkt.
Wird er gruͤn gemaͤhet, ſo verbeſſert er den Boden merklich, wird er aber, wie
zuweilen geſchieht, geraufet, ſo ſoll er ſtark ausſaugen. Daher vielleicht auch
das beſondere Erſchoͤpfende des Leins. Dieſe Thatſachen ſind ſo allgemein bekannt,
daß die neuerlich von einigen wie es ſcheint aus Widerſpruchsgeiſt erregten Zwei-
fel gar keinen Eindruck machen koͤnnen, und deshalb keiner Widerlegung beduͤrfen.

§. 360.

Indeſſen gehe ich nicht ſo weit wie Einige, zu behaupten, daß alle nicht zum
Samenanſatz gekommene Fruͤchte dem Boden gar nichts entzoͤgen, wenn ſie abge-
erntet werden. Alle Knollen und Ruͤbenfruͤchte ſammeln in ihrer Stammwurzel

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[343/0389] Der Fruchtwechſel. oder ſehr geringen Ertrag giebt, dieſelbe Frucht im folgenden Jahre wenigſtens beſſer darauf fortkomme, wie ſie ſonſt in ihrer eigenen Stoppel thun wuͤrde. Um- gekehrt aber geraͤth eine Frucht in der Stoppel einer ihr angemeſſenen Vorfrucht (z. B. der Weizen nach Klee oder Bohnen) um ſo beſſer, je uͤppiger dieſe ſtand. Daſſelbe Gewaͤchs iſt alſo fuͤr ſich ſelbſt durch ſtaͤrkern Ertrag erſchoͤpfend; fuͤr ein anderes iſt es nicht alſo, ſondern eher bereichernd. §. 359. Der Koͤrneranſatz, die Bildung der mehlichten Samen und Subſtanzen iſt das, was den Erdboden am meiſten zu erſchoͤpfen ſcheint. Werden die Pflanzen gruͤn abgeſchnitten, zur Zeit der Bluͤthe im Zuſtande ihres uͤppigſten Wachsthums gemaͤhet und abgefahren, ſo nehmen ſie wenig oder gar keine Kraft aus dem Boden, ſcheinen ſolche vielmehr unter gewiſſen Bedingungen zu verſtaͤrken, — eine Wahrheit, wovon mich ſo wie jeden genauen Beobachter jaͤhrlich neue Bemerkun- gen immer feſter uͤberzeugen. Entſchieden iſt es noch nicht, ob waͤhrend der Rei- fung des Samens eine ſtaͤrkere Anziehung, beſonders des Kohlenſtoffs, aus dem Boden geſchehe. Aber gewiß iſt es, daß bei der Bildung und Reifung des Sa- mens der Schleim der ganzen Pflanze konſumiret und dieſe in ein faſeriges Stroh verwandelt werde. Es iſt alſo ein großer Unterſchied, ob die ſaftige Stoppel und Wurzel oder die duͤrre dem Acker zuruͤckbleibt, und ob dieſe Wurzel bei voller Le- bensthaͤtigkeit noch kohlenſaures Gas in der Erde abſcheidet. Wie viel dieſe zu- ruͤckbleibenden Wurzeln bewirken, hat man beim Spergelbau unter andern bemerkt. Wird er gruͤn gemaͤhet, ſo verbeſſert er den Boden merklich, wird er aber, wie zuweilen geſchieht, geraufet, ſo ſoll er ſtark ausſaugen. Daher vielleicht auch das beſondere Erſchoͤpfende des Leins. Dieſe Thatſachen ſind ſo allgemein bekannt, daß die neuerlich von einigen wie es ſcheint aus Widerſpruchsgeiſt erregten Zwei- fel gar keinen Eindruck machen koͤnnen, und deshalb keiner Widerlegung beduͤrfen. §. 360. Indeſſen gehe ich nicht ſo weit wie Einige, zu behaupten, daß alle nicht zum Samenanſatz gekommene Fruͤchte dem Boden gar nichts entzoͤgen, wenn ſie abge- erntet werden. Alle Knollen und Ruͤbenfruͤchte ſammeln in ihrer Stammwurzel

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/389>, abgerufen am 29.03.2024.