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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Werthschätzung eines Landguts.
anderer ausgesogener Ackerboden, dessen Fruchtbarkeit schwer herzustellen seyn würde,
mit Holz zu besaamen oder zu bepflanzen und in Schonung zu legen ist.

Immer ist der Bedarf an Bau- Nutz- und Brennholz etwas sehr annehmliches
bei einem Gute, und deshalb beim Ankaufe besondere Rücksicht darauf zu nehmen.

§. 82.

Manche, die ein Gut zu kaufen die Absicht haben, legen ein großes GewichtIn wiefern auf
eingezogene
Erkundigun-
gen zu bauen.

auf die von den Nachbarn oder in der Gegend Bekannten, auch vom Gesinde, Vieh-
hirten und Unterthanen eingezogene Erkundigungen. Sie können allerdings Finger-
zeige geben, doch müssen die Aussagen zuvor an Ort und Stelle geprüft seyn, bevor
man darauf bauet. Wer sich dadurch des Sehens mit eigenen Augen überheben will,
wird sehr leicht hintergangen werden. Solche Aussagen werden um so verdächtiger,
je mehr die Landgüter in einer Gegend kurrente Handelswaare geworden, und in die
Hände der eigentlichen Güterhändler, zumal derer, die das Geschäft in Kompagnie
betreiben, gekommen sind. Die Kunstgriffe, deren man sich hier bedient hat, um
Käufer zu hintergehen, scheinen unglaublich, und übertreffen beinahe die der Roß-
täuscher. In solchen Gegenden muß man jeden, den man befragt, für ein gestimm-
tes Instrument der Verkäufer halten. In solchen Fällen darf man aber selbst schrift-
lichen Dokumenten, Pachtkontrakten und Registern nicht trauen, wenn nicht für das
darin Enthaltene Eviktion geleistet wird. Bei dem allen läßt sich jedoch zuweilen vor-
theilhaft von diesen Händlern kaufen, da ihnen nicht nur an schnellem Umsatze gelegen
ist, sondern sie ihre Waare, die sie vermöge ihrer Spekulationen wohlfeil eingekauft
haben, oft selbst nicht kennen.

Andre setzen ein großes Zutrauen auf die Geschichte eines Guts, um darnach
seinen Werth im Allgemeinen zu beurtheilen, und sie erkundigen sich, welche Be-
sitzer oder Pächter es nach einander gehabt, zu welchem Preise es vormals verkauft
oder verpachtet worden, und wie diese oder jene darauf fortgekommen seyen. Wenn
man diese Geschichte vollständig und in ihren kleinsten Details erfahren könnte, so
würde sie allerdings viele Aufklärung geben, aber so, wie man sie gewöhnlich erfährt,
verleitet sie häufig zu Fehlschlüssen.

Weil sich die allgemeine Meinung von einem Gute häufig darauf begründet, so
wird man solche Güter oft gerade am vortheilhaftesten erkaufen können, auf welchen
mehrere Besitzer oder Inhaber zugesetzt haben oder zu Grunde gegangen sind. Zu-

Erster Theil. G

Werthſchaͤtzung eines Landguts.
anderer ausgeſogener Ackerboden, deſſen Fruchtbarkeit ſchwer herzuſtellen ſeyn wuͤrde,
mit Holz zu beſaamen oder zu bepflanzen und in Schonung zu legen iſt.

Immer iſt der Bedarf an Bau- Nutz- und Brennholz etwas ſehr annehmliches
bei einem Gute, und deshalb beim Ankaufe beſondere Ruͤckſicht darauf zu nehmen.

§. 82.

Manche, die ein Gut zu kaufen die Abſicht haben, legen ein großes GewichtIn wiefern auf
eingezogene
Erkundigun-
gen zu bauen.

auf die von den Nachbarn oder in der Gegend Bekannten, auch vom Geſinde, Vieh-
hirten und Unterthanen eingezogene Erkundigungen. Sie koͤnnen allerdings Finger-
zeige geben, doch muͤſſen die Ausſagen zuvor an Ort und Stelle gepruͤft ſeyn, bevor
man darauf bauet. Wer ſich dadurch des Sehens mit eigenen Augen uͤberheben will,
wird ſehr leicht hintergangen werden. Solche Ausſagen werden um ſo verdaͤchtiger,
je mehr die Landguͤter in einer Gegend kurrente Handelswaare geworden, und in die
Haͤnde der eigentlichen Guͤterhaͤndler, zumal derer, die das Geſchaͤft in Kompagnie
betreiben, gekommen ſind. Die Kunſtgriffe, deren man ſich hier bedient hat, um
Kaͤufer zu hintergehen, ſcheinen unglaublich, und uͤbertreffen beinahe die der Roß-
taͤuſcher. In ſolchen Gegenden muß man jeden, den man befragt, fuͤr ein geſtimm-
tes Inſtrument der Verkaͤufer halten. In ſolchen Faͤllen darf man aber ſelbſt ſchrift-
lichen Dokumenten, Pachtkontrakten und Regiſtern nicht trauen, wenn nicht fuͤr das
darin Enthaltene Eviktion geleiſtet wird. Bei dem allen laͤßt ſich jedoch zuweilen vor-
theilhaft von dieſen Haͤndlern kaufen, da ihnen nicht nur an ſchnellem Umſatze gelegen
iſt, ſondern ſie ihre Waare, die ſie vermoͤge ihrer Spekulationen wohlfeil eingekauft
haben, oft ſelbſt nicht kennen.

Andre ſetzen ein großes Zutrauen auf die Geſchichte eines Guts, um darnach
ſeinen Werth im Allgemeinen zu beurtheilen, und ſie erkundigen ſich, welche Be-
ſitzer oder Paͤchter es nach einander gehabt, zu welchem Preiſe es vormals verkauft
oder verpachtet worden, und wie dieſe oder jene darauf fortgekommen ſeyen. Wenn
man dieſe Geſchichte vollſtaͤndig und in ihren kleinſten Details erfahren koͤnnte, ſo
wuͤrde ſie allerdings viele Aufklaͤrung geben, aber ſo, wie man ſie gewoͤhnlich erfaͤhrt,
verleitet ſie haͤufig zu Fehlſchluͤſſen.

Weil ſich die allgemeine Meinung von einem Gute haͤufig darauf begruͤndet, ſo
wird man ſolche Guͤter oft gerade am vortheilhafteſten erkaufen koͤnnen, auf welchen
mehrere Beſitzer oder Inhaber zugeſetzt haben oder zu Grunde gegangen ſind. Zu-

Erſter Theil. G
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[49/0079] Werthſchaͤtzung eines Landguts. anderer ausgeſogener Ackerboden, deſſen Fruchtbarkeit ſchwer herzuſtellen ſeyn wuͤrde, mit Holz zu beſaamen oder zu bepflanzen und in Schonung zu legen iſt. Immer iſt der Bedarf an Bau- Nutz- und Brennholz etwas ſehr annehmliches bei einem Gute, und deshalb beim Ankaufe beſondere Ruͤckſicht darauf zu nehmen. §. 82. Manche, die ein Gut zu kaufen die Abſicht haben, legen ein großes Gewicht auf die von den Nachbarn oder in der Gegend Bekannten, auch vom Geſinde, Vieh- hirten und Unterthanen eingezogene Erkundigungen. Sie koͤnnen allerdings Finger- zeige geben, doch muͤſſen die Ausſagen zuvor an Ort und Stelle gepruͤft ſeyn, bevor man darauf bauet. Wer ſich dadurch des Sehens mit eigenen Augen uͤberheben will, wird ſehr leicht hintergangen werden. Solche Ausſagen werden um ſo verdaͤchtiger, je mehr die Landguͤter in einer Gegend kurrente Handelswaare geworden, und in die Haͤnde der eigentlichen Guͤterhaͤndler, zumal derer, die das Geſchaͤft in Kompagnie betreiben, gekommen ſind. Die Kunſtgriffe, deren man ſich hier bedient hat, um Kaͤufer zu hintergehen, ſcheinen unglaublich, und uͤbertreffen beinahe die der Roß- taͤuſcher. In ſolchen Gegenden muß man jeden, den man befragt, fuͤr ein geſtimm- tes Inſtrument der Verkaͤufer halten. In ſolchen Faͤllen darf man aber ſelbſt ſchrift- lichen Dokumenten, Pachtkontrakten und Regiſtern nicht trauen, wenn nicht fuͤr das darin Enthaltene Eviktion geleiſtet wird. Bei dem allen laͤßt ſich jedoch zuweilen vor- theilhaft von dieſen Haͤndlern kaufen, da ihnen nicht nur an ſchnellem Umſatze gelegen iſt, ſondern ſie ihre Waare, die ſie vermoͤge ihrer Spekulationen wohlfeil eingekauft haben, oft ſelbſt nicht kennen. In wiefern auf eingezogene Erkundigun- gen zu bauen. Andre ſetzen ein großes Zutrauen auf die Geſchichte eines Guts, um darnach ſeinen Werth im Allgemeinen zu beurtheilen, und ſie erkundigen ſich, welche Be- ſitzer oder Paͤchter es nach einander gehabt, zu welchem Preiſe es vormals verkauft oder verpachtet worden, und wie dieſe oder jene darauf fortgekommen ſeyen. Wenn man dieſe Geſchichte vollſtaͤndig und in ihren kleinſten Details erfahren koͤnnte, ſo wuͤrde ſie allerdings viele Aufklaͤrung geben, aber ſo, wie man ſie gewoͤhnlich erfaͤhrt, verleitet ſie haͤufig zu Fehlſchluͤſſen. Weil ſich die allgemeine Meinung von einem Gute haͤufig darauf begruͤndet, ſo wird man ſolche Guͤter oft gerade am vortheilhafteſten erkaufen koͤnnen, auf welchen mehrere Beſitzer oder Inhaber zugeſetzt haben oder zu Grunde gegangen ſind. Zu- Erſter Theil. G

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/79>, abgerufen am 28.03.2024.