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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Kalkerde.
§. 66.

Löschung an
der Lust.
Auch an der Luft leidet der gebrannte ungelöschte Kalk eine Veränderung.
Seine Stücke zerfallen früher oder später, je nachdem die Luft feucht ist, in ein
Pulver. Der Kalk saugt dann Wasser aus der Atmosphäre ein, und löscht sich
selbst, wobei oft eine empfindliche Hitze zu bemerken ist. Aber er erleidet außerdem
noch eine andere Veränderung. Er verliert nach und nach seine Aetzbarkeit, sei-
nen Geschmack und seine Brauchbarkeit zum Mörtel. Er zieht nämlich neben dem
Wasser auch die Kohlensäure aus der Luft an, und wird dadurch endlich wieder in
den Zustand des milden oder kohlensauren Kalks versetzt, und kann nun seine
vorigen Eigenschaften erst durch neues Brennen wieder erhalten.

Die Zeit, in welcher der gebrannte Kalk an der Luft ganz wieder zu milden
Kalk umgeändert wird, richtet sich nach dem Feuchtigkeits- und Kohlensäure-Ge-
halt der Atmosphäre, welche ihn umgiebt. Je mehr Feuchtigkeit und je mehr
Kohlensäure darin vorhanden ist, desto schneller geschieht es. Aus der ganz
trocknen Luft nimmt der gebrannte Kalk keine Kohlensäure auf, wenn sie gleich
reichlich damit versehen ist. Die Feuchtigkeit muß der Kohlensäure als Vereini-
gungsmittel mit dem Kalke dienen. Man kann daher gebrannten Kalk oft lange
an trockenen Orten aufbewahren, ohne daß er unbrauchbar wird. Jedoch kann
man sich hierauf nicht verlassen, wenn man ganz reinen Kalk haben will,
z. B. um ihn bei dem Aufblähen des Viehes zu gebrauchen. Zu diesem Zwecke
muß man ihn frisch gebrannt in verpichten gläsernen Gefäßen aufbewahren.

§. 67.

Der gebrannte Kalk ist in reinem Wasser ohne Zwischenmittel völlig auflöslich,
und er verliert diese Auflöslichkeit auch nicht, wenn er vorher gelöscht war. Allein
Kalkwasser.es bedarf einer großen Menge Wassers, um ihn aufzulösen. Ein Theil erfordert
680 Theile Wasser. Diese Auflösung ist leicht zu bewerkstelligen. Man darf nur
den gelöschten oder ungelöschten Kalk mit Wasser zusammenschütteln. Sie wird
Kalkwasser genannt, ist völlig klar und durchsichtig, und hat den alkalischen Ge-
schmack des Kalkes. Sie verhält sich gegen Pflanzenfarben völlig wie die Auflö-
sung eines Alkali.

Stellt man das Kalkwasser an die Luft, so bildet sich auf der Oberfläche ein
Häutchen, welches endlich so schwer wird, daß es zu Boden sinkt. Man nennt

Die Kalkerde.
§. 66.

Loͤſchung an
der Luſt.
Auch an der Luft leidet der gebrannte ungeloͤſchte Kalk eine Veraͤnderung.
Seine Stuͤcke zerfallen fruͤher oder ſpaͤter, je nachdem die Luft feucht iſt, in ein
Pulver. Der Kalk ſaugt dann Waſſer aus der Atmoſphaͤre ein, und loͤſcht ſich
ſelbſt, wobei oft eine empfindliche Hitze zu bemerken iſt. Aber er erleidet außerdem
noch eine andere Veraͤnderung. Er verliert nach und nach ſeine Aetzbarkeit, ſei-
nen Geſchmack und ſeine Brauchbarkeit zum Moͤrtel. Er zieht naͤmlich neben dem
Waſſer auch die Kohlenſaͤure aus der Luft an, und wird dadurch endlich wieder in
den Zuſtand des milden oder kohlenſauren Kalks verſetzt, und kann nun ſeine
vorigen Eigenſchaften erſt durch neues Brennen wieder erhalten.

Die Zeit, in welcher der gebrannte Kalk an der Luft ganz wieder zu milden
Kalk umgeaͤndert wird, richtet ſich nach dem Feuchtigkeits- und Kohlenſaͤure-Ge-
halt der Atmoſphaͤre, welche ihn umgiebt. Je mehr Feuchtigkeit und je mehr
Kohlenſaͤure darin vorhanden iſt, deſto ſchneller geſchieht es. Aus der ganz
trocknen Luft nimmt der gebrannte Kalk keine Kohlenſaͤure auf, wenn ſie gleich
reichlich damit verſehen iſt. Die Feuchtigkeit muß der Kohlenſaͤure als Vereini-
gungsmittel mit dem Kalke dienen. Man kann daher gebrannten Kalk oft lange
an trockenen Orten aufbewahren, ohne daß er unbrauchbar wird. Jedoch kann
man ſich hierauf nicht verlaſſen, wenn man ganz reinen Kalk haben will,
z. B. um ihn bei dem Aufblaͤhen des Viehes zu gebrauchen. Zu dieſem Zwecke
muß man ihn friſch gebrannt in verpichten glaͤſernen Gefaͤßen aufbewahren.

§. 67.

Der gebrannte Kalk iſt in reinem Waſſer ohne Zwiſchenmittel voͤllig aufloͤslich,
und er verliert dieſe Aufloͤslichkeit auch nicht, wenn er vorher geloͤſcht war. Allein
Kalkwaſſer.es bedarf einer großen Menge Waſſers, um ihn aufzuloͤſen. Ein Theil erfordert
680 Theile Waſſer. Dieſe Aufloͤſung iſt leicht zu bewerkſtelligen. Man darf nur
den geloͤſchten oder ungeloͤſchten Kalk mit Waſſer zuſammenſchuͤtteln. Sie wird
Kalkwaſſer genannt, iſt voͤllig klar und durchſichtig, und hat den alkaliſchen Ge-
ſchmack des Kalkes. Sie verhaͤlt ſich gegen Pflanzenfarben voͤllig wie die Aufloͤ-
ſung eines Alkali.

Stellt man das Kalkwaſſer an die Luft, ſo bildet ſich auf der Oberflaͤche ein
Haͤutchen, welches endlich ſo ſchwer wird, daß es zu Boden ſinkt. Man nennt

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[82/0126] Die Kalkerde. §. 66. Auch an der Luft leidet der gebrannte ungeloͤſchte Kalk eine Veraͤnderung. Seine Stuͤcke zerfallen fruͤher oder ſpaͤter, je nachdem die Luft feucht iſt, in ein Pulver. Der Kalk ſaugt dann Waſſer aus der Atmoſphaͤre ein, und loͤſcht ſich ſelbſt, wobei oft eine empfindliche Hitze zu bemerken iſt. Aber er erleidet außerdem noch eine andere Veraͤnderung. Er verliert nach und nach ſeine Aetzbarkeit, ſei- nen Geſchmack und ſeine Brauchbarkeit zum Moͤrtel. Er zieht naͤmlich neben dem Waſſer auch die Kohlenſaͤure aus der Luft an, und wird dadurch endlich wieder in den Zuſtand des milden oder kohlenſauren Kalks verſetzt, und kann nun ſeine vorigen Eigenſchaften erſt durch neues Brennen wieder erhalten. Loͤſchung an der Luſt. Die Zeit, in welcher der gebrannte Kalk an der Luft ganz wieder zu milden Kalk umgeaͤndert wird, richtet ſich nach dem Feuchtigkeits- und Kohlenſaͤure-Ge- halt der Atmoſphaͤre, welche ihn umgiebt. Je mehr Feuchtigkeit und je mehr Kohlenſaͤure darin vorhanden iſt, deſto ſchneller geſchieht es. Aus der ganz trocknen Luft nimmt der gebrannte Kalk keine Kohlenſaͤure auf, wenn ſie gleich reichlich damit verſehen iſt. Die Feuchtigkeit muß der Kohlenſaͤure als Vereini- gungsmittel mit dem Kalke dienen. Man kann daher gebrannten Kalk oft lange an trockenen Orten aufbewahren, ohne daß er unbrauchbar wird. Jedoch kann man ſich hierauf nicht verlaſſen, wenn man ganz reinen Kalk haben will, z. B. um ihn bei dem Aufblaͤhen des Viehes zu gebrauchen. Zu dieſem Zwecke muß man ihn friſch gebrannt in verpichten glaͤſernen Gefaͤßen aufbewahren. §. 67. Der gebrannte Kalk iſt in reinem Waſſer ohne Zwiſchenmittel voͤllig aufloͤslich, und er verliert dieſe Aufloͤslichkeit auch nicht, wenn er vorher geloͤſcht war. Allein es bedarf einer großen Menge Waſſers, um ihn aufzuloͤſen. Ein Theil erfordert 680 Theile Waſſer. Dieſe Aufloͤſung iſt leicht zu bewerkſtelligen. Man darf nur den geloͤſchten oder ungeloͤſchten Kalk mit Waſſer zuſammenſchuͤtteln. Sie wird Kalkwaſſer genannt, iſt voͤllig klar und durchſichtig, und hat den alkaliſchen Ge- ſchmack des Kalkes. Sie verhaͤlt ſich gegen Pflanzenfarben voͤllig wie die Aufloͤ- ſung eines Alkali. Kalkwaſſer. Stellt man das Kalkwaſſer an die Luft, ſo bildet ſich auf der Oberflaͤche ein Haͤutchen, welches endlich ſo ſchwer wird, daß es zu Boden ſinkt. Man nennt

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/126>, abgerufen am 28.03.2024.