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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Kalkerde.
§. 72.

Der gebrannte gelöschte Kalk äußert jene Wirkung nicht in einem so hohenAuch der ge-
löschte Kalk
behält sie im
minderen
Grade.

Grade, wie der ungelöschte, weil dieselbe hier durch die entwickelte Wärme un-
terstützt wird. Sie ist aber immer noch stark genug, um eine schnellere Zerstörung
der Thiere und Pflanzenkörper zu veranlassen. Auf diese zerstörende Kraft beruht
zum Theil seine starke Wirkung als Düngungsmittel. Er beschleunigt dadurch
die Zersetzung und Auflösung der im Boden befindlichen Düngertheile, und macht,
daß sich die den Pflanzen zuträglichen Nahrungstheile im reichlichen Maße ent-
wickeln. Aber eben deswegen befördert er auch das Aussaugen des Bodens, und
dieser wird, wenn man ihm keinen neuen Dünger zuführt, um so früher unfrucht-
bar, weswegen es bei der Kalkdüngung so nothwendig ist, die Mistdüngung oder
eine ähnliche damit zu verbinden.

Aber auch dem kohlensauren Kalk kann man eine ähnliche Einwirkung auf die
organischen Körper nicht absprechen, besonders wenn Fäulniß und Verwesung
schon ihren Anfang genommen haben. Auch er scheint, obwohl in einem gerin-
gern Grade, auf gewisse Verbindungen von Hydrogen, Azot und Kohlenstoff eine
Einwirkung zu haben, und von ihnen etwas aufzunehmen, wodurch ihre Grund-
mischung zerstört oder lose gemacht wird.

§. 73.

Eine der vorzüglichsten Eigenschaften des Kalks, welche ihm beim BauwesenDer Mörtel.
eine so große Nutzbarkeit giebt, ist die, daß er mit allen harten steinartigen Kör-
pern, wenn er damit als feuchter Brei zusammenkommt, erhärtet, und eine
steinharte Masse bildet. Sand mit gelöschtem Kalk zu Mörtel vereinigt, trock-
net an der Luft schnell aus; die Masse hängt nicht allein unter sich zusammen,
sondern legt sich auch an andere Steine stark an, und dient zum Verbindungsmit-
tel der letztern. Diese Bindungsfähigkeit entsteht aus der großen Kohäsionskraft,
welche Kieselerde und Kalk gegeneinander äußern. Der Kalkbrei bietet dem
Sande und andern harten Steinarten, die größtentheils aus Kieselerde bestehen,
viele Berührungspunkte dar, wodurch seine Kohärenz mit diesen vermehrt wird.
Das Wasser, was ihm feucht macht, verdunstet. Dadurch wird die Kohäsion
vermehrt. Endlich zieht der Kalk Kohlensäure aus der Atmosphäre an. Er lei-

Die Kalkerde.
§. 72.

Der gebrannte geloͤſchte Kalk aͤußert jene Wirkung nicht in einem ſo hohenAuch der ge-
loͤſchte Kalk
behaͤlt ſie im
minderen
Grade.

Grade, wie der ungeloͤſchte, weil dieſelbe hier durch die entwickelte Waͤrme un-
terſtuͤtzt wird. Sie iſt aber immer noch ſtark genug, um eine ſchnellere Zerſtoͤrung
der Thiere und Pflanzenkoͤrper zu veranlaſſen. Auf dieſe zerſtoͤrende Kraft beruht
zum Theil ſeine ſtarke Wirkung als Duͤngungsmittel. Er beſchleunigt dadurch
die Zerſetzung und Aufloͤſung der im Boden befindlichen Duͤngertheile, und macht,
daß ſich die den Pflanzen zutraͤglichen Nahrungstheile im reichlichen Maße ent-
wickeln. Aber eben deswegen befoͤrdert er auch das Ausſaugen des Bodens, und
dieſer wird, wenn man ihm keinen neuen Duͤnger zufuͤhrt, um ſo fruͤher unfrucht-
bar, weswegen es bei der Kalkduͤngung ſo nothwendig iſt, die Miſtduͤngung oder
eine aͤhnliche damit zu verbinden.

Aber auch dem kohlenſauren Kalk kann man eine aͤhnliche Einwirkung auf die
organiſchen Koͤrper nicht abſprechen, beſonders wenn Faͤulniß und Verweſung
ſchon ihren Anfang genommen haben. Auch er ſcheint, obwohl in einem gerin-
gern Grade, auf gewiſſe Verbindungen von Hydrogen, Azot und Kohlenſtoff eine
Einwirkung zu haben, und von ihnen etwas aufzunehmen, wodurch ihre Grund-
miſchung zerſtoͤrt oder loſe gemacht wird.

§. 73.

Eine der vorzuͤglichſten Eigenſchaften des Kalks, welche ihm beim BauweſenDer Moͤrtel.
eine ſo große Nutzbarkeit giebt, iſt die, daß er mit allen harten ſteinartigen Koͤr-
pern, wenn er damit als feuchter Brei zuſammenkommt, erhaͤrtet, und eine
ſteinharte Maſſe bildet. Sand mit geloͤſchtem Kalk zu Moͤrtel vereinigt, trock-
net an der Luft ſchnell aus; die Maſſe haͤngt nicht allein unter ſich zuſammen,
ſondern legt ſich auch an andere Steine ſtark an, und dient zum Verbindungsmit-
tel der letztern. Dieſe Bindungsfaͤhigkeit entſteht aus der großen Kohaͤſionskraft,
welche Kieſelerde und Kalk gegeneinander aͤußern. Der Kalkbrei bietet dem
Sande und andern harten Steinarten, die groͤßtentheils aus Kieſelerde beſtehen,
viele Beruͤhrungspunkte dar, wodurch ſeine Kohaͤrenz mit dieſen vermehrt wird.
Das Waſſer, was ihm feucht macht, verdunſtet. Dadurch wird die Kohaͤſion
vermehrt. Endlich zieht der Kalk Kohlenſaͤure aus der Atmoſphaͤre an. Er lei-

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[85/0129] Die Kalkerde. §. 72. Der gebrannte geloͤſchte Kalk aͤußert jene Wirkung nicht in einem ſo hohen Grade, wie der ungeloͤſchte, weil dieſelbe hier durch die entwickelte Waͤrme un- terſtuͤtzt wird. Sie iſt aber immer noch ſtark genug, um eine ſchnellere Zerſtoͤrung der Thiere und Pflanzenkoͤrper zu veranlaſſen. Auf dieſe zerſtoͤrende Kraft beruht zum Theil ſeine ſtarke Wirkung als Duͤngungsmittel. Er beſchleunigt dadurch die Zerſetzung und Aufloͤſung der im Boden befindlichen Duͤngertheile, und macht, daß ſich die den Pflanzen zutraͤglichen Nahrungstheile im reichlichen Maße ent- wickeln. Aber eben deswegen befoͤrdert er auch das Ausſaugen des Bodens, und dieſer wird, wenn man ihm keinen neuen Duͤnger zufuͤhrt, um ſo fruͤher unfrucht- bar, weswegen es bei der Kalkduͤngung ſo nothwendig iſt, die Miſtduͤngung oder eine aͤhnliche damit zu verbinden. Auch der ge- loͤſchte Kalk behaͤlt ſie im minderen Grade. Aber auch dem kohlenſauren Kalk kann man eine aͤhnliche Einwirkung auf die organiſchen Koͤrper nicht abſprechen, beſonders wenn Faͤulniß und Verweſung ſchon ihren Anfang genommen haben. Auch er ſcheint, obwohl in einem gerin- gern Grade, auf gewiſſe Verbindungen von Hydrogen, Azot und Kohlenſtoff eine Einwirkung zu haben, und von ihnen etwas aufzunehmen, wodurch ihre Grund- miſchung zerſtoͤrt oder loſe gemacht wird. §. 73. Eine der vorzuͤglichſten Eigenſchaften des Kalks, welche ihm beim Bauweſen eine ſo große Nutzbarkeit giebt, iſt die, daß er mit allen harten ſteinartigen Koͤr- pern, wenn er damit als feuchter Brei zuſammenkommt, erhaͤrtet, und eine ſteinharte Maſſe bildet. Sand mit geloͤſchtem Kalk zu Moͤrtel vereinigt, trock- net an der Luft ſchnell aus; die Maſſe haͤngt nicht allein unter ſich zuſammen, ſondern legt ſich auch an andere Steine ſtark an, und dient zum Verbindungsmit- tel der letztern. Dieſe Bindungsfaͤhigkeit entſteht aus der großen Kohaͤſionskraft, welche Kieſelerde und Kalk gegeneinander aͤußern. Der Kalkbrei bietet dem Sande und andern harten Steinarten, die groͤßtentheils aus Kieſelerde beſtehen, viele Beruͤhrungspunkte dar, wodurch ſeine Kohaͤrenz mit dieſen vermehrt wird. Das Waſſer, was ihm feucht macht, verdunſtet. Dadurch wird die Kohaͤſion vermehrt. Endlich zieht der Kalk Kohlenſaͤure aus der Atmoſphaͤre an. Er lei- Der Moͤrtel.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/129>, abgerufen am 28.03.2024.