Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bodenarten.
in der höchsten Periode ihrer Entwickelung keinen Nachsatz mehr geben kann,
und sie verschmachten läßt.

Da ich Erdarten mit überwiegendem Kalke nicht kenne, so führe ich das an,
was Chaptal davon sagt: "Erden, die Kalk in hervorstechendem Verhältnisse
enthalten, sind porös, leicht, sehr durchdringlich von Wasser und gut zu verar-
beiten; sie bilden einen Teig, der fast keine Consistenz hat, lassen das Wasser aber
mit Leichtigkeit wieder fahren; sie trocknen aus, ohne Spalten zu bekommen, und
ohne eine beträchtliche Minderung in ihrer Masse zu erfahren. Die Luft dringt
leicht durch und kann die Keime in einer gewissen Tiefe beleben. Weil das Wasser
ohne Widerstand hineindringt, aber eben so schnell sich daraus wieder entfernt,
so befinden sie sich abwechselnd in dem Zustande einer Ueberfüllung damit und einer
Austrocknung, und die Pflanze, unfähig bei allen diesen Abwechselungen zu beste-
hen, schmachtet und geht aus, sobald Trockenheit und Feuchtigkeit nur einiger-
maßen lange währen."

Nach Reissert und Seitz, Annalen des Ackerbaues, IX. 236, ist der
Kalkboden, der 40 Prozent Kalk und 36 Prozent Sand, übrigens größtentheils
Thon hat, nach starkem Regen und wenn er feucht ist schwerer zu bearbeiten wie
der Lehm; aber, wenn er ausgetrocknet ist, weit leichter.

Das vortheilhafteste Verhältniß des Kalks im Boden ist wohl das, wenn er
mit dem abschwemmbaren Thon gleich ist. Unter allen künstlichen Bodenmengun-
gen, 54 an der Zahl, auf welchen Tillet die Vegetation des Getreides ver-
suchte, zeigte sich die am vortheilhaftesten, welche aus 3/8 Töpferthon, 3/8 Muschel-
mergel und 2/8 Sand bestand.

So wie der Kalk im Boden zunimmt, bedarf es des Sandes weniger zur
Verminderung der nachtheiligen Eigenschaften des Thons. Völlig darf jedoch der
Sand nicht fehlen, weil sandloser Mergel zu bindend und feucht zu schlammig
wird. Jenes Tilletsche Verhältniß scheint auch nach der Erfahrung im Großen
das vorzüglichste.

Wenn der Kalk aber auch nur in geringerem Verhältnisse der Ackerkrume bei-
gemischt ist, so daß er auf die Consistenz des Bodens wenig Einfluß zu haben
scheint, so wird die Fruchtbarkeit doch dadurch erhöhet, vermuthlich der chemischen
Wechselwirkung wegen, die er auf den Humus und Dünger hat. Eine Beimi-

Zweiter Theil. S

Die Bodenarten.
in der hoͤchſten Periode ihrer Entwickelung keinen Nachſatz mehr geben kann,
und ſie verſchmachten laͤßt.

Da ich Erdarten mit uͤberwiegendem Kalke nicht kenne, ſo fuͤhre ich das an,
was Chaptal davon ſagt: „Erden, die Kalk in hervorſtechendem Verhaͤltniſſe
enthalten, ſind poroͤs, leicht, ſehr durchdringlich von Waſſer und gut zu verar-
beiten; ſie bilden einen Teig, der faſt keine Conſiſtenz hat, laſſen das Waſſer aber
mit Leichtigkeit wieder fahren; ſie trocknen aus, ohne Spalten zu bekommen, und
ohne eine betraͤchtliche Minderung in ihrer Maſſe zu erfahren. Die Luft dringt
leicht durch und kann die Keime in einer gewiſſen Tiefe beleben. Weil das Waſſer
ohne Widerſtand hineindringt, aber eben ſo ſchnell ſich daraus wieder entfernt,
ſo befinden ſie ſich abwechſelnd in dem Zuſtande einer Ueberfuͤllung damit und einer
Austrocknung, und die Pflanze, unfaͤhig bei allen dieſen Abwechſelungen zu beſte-
hen, ſchmachtet und geht aus, ſobald Trockenheit und Feuchtigkeit nur einiger-
maßen lange waͤhren.”

Nach Reiſſert und Seitz, Annalen des Ackerbaues, IX. 236, iſt der
Kalkboden, der 40 Prozent Kalk und 36 Prozent Sand, uͤbrigens groͤßtentheils
Thon hat, nach ſtarkem Regen und wenn er feucht iſt ſchwerer zu bearbeiten wie
der Lehm; aber, wenn er ausgetrocknet iſt, weit leichter.

Das vortheilhafteſte Verhaͤltniß des Kalks im Boden iſt wohl das, wenn er
mit dem abſchwemmbaren Thon gleich iſt. Unter allen kuͤnſtlichen Bodenmengun-
gen, 54 an der Zahl, auf welchen Tillet die Vegetation des Getreides ver-
ſuchte, zeigte ſich die am vortheilhafteſten, welche aus 3/8 Toͤpferthon, 3/8 Muſchel-
mergel und 2/8 Sand beſtand.

So wie der Kalk im Boden zunimmt, bedarf es des Sandes weniger zur
Verminderung der nachtheiligen Eigenſchaften des Thons. Voͤllig darf jedoch der
Sand nicht fehlen, weil ſandloſer Mergel zu bindend und feucht zu ſchlammig
wird. Jenes Tilletſche Verhaͤltniß ſcheint auch nach der Erfahrung im Großen
das vorzuͤglichſte.

Wenn der Kalk aber auch nur in geringerem Verhaͤltniſſe der Ackerkrume bei-
gemiſcht iſt, ſo daß er auf die Conſiſtenz des Bodens wenig Einfluß zu haben
ſcheint, ſo wird die Fruchtbarkeit doch dadurch erhoͤhet, vermuthlich der chemiſchen
Wechſelwirkung wegen, die er auf den Humus und Duͤnger hat. Eine Beimi-

Zweiter Theil. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0181" n="137"/><fw place="top" type="header">Die Bodenarten.</fw><lb/>
in der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Periode ihrer Entwickelung keinen Nach&#x017F;atz mehr geben kann,<lb/>
und &#x017F;ie ver&#x017F;chmachten la&#x0364;ßt.</p><lb/>
            <p>Da ich Erdarten mit u&#x0364;berwiegendem Kalke nicht kenne, &#x017F;o fu&#x0364;hre ich das an,<lb/>
was <hi rendition="#g">Chaptal</hi> davon &#x017F;agt: &#x201E;Erden, die Kalk in hervor&#x017F;techendem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
enthalten, &#x017F;ind poro&#x0364;s, leicht, &#x017F;ehr durchdringlich von Wa&#x017F;&#x017F;er und gut zu verar-<lb/>
beiten; &#x017F;ie bilden einen Teig, der fa&#x017F;t keine Con&#x017F;i&#x017F;tenz hat, la&#x017F;&#x017F;en das Wa&#x017F;&#x017F;er aber<lb/>
mit Leichtigkeit wieder fahren; &#x017F;ie trocknen aus, ohne Spalten zu bekommen, und<lb/>
ohne eine betra&#x0364;chtliche Minderung in ihrer Ma&#x017F;&#x017F;e zu erfahren. Die Luft dringt<lb/>
leicht durch und kann die Keime in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Tiefe beleben. Weil das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ohne Wider&#x017F;tand hineindringt, aber eben &#x017F;o &#x017F;chnell &#x017F;ich daraus wieder entfernt,<lb/>
&#x017F;o befinden &#x017F;ie &#x017F;ich abwech&#x017F;elnd in dem Zu&#x017F;tande einer Ueberfu&#x0364;llung damit und einer<lb/>
Austrocknung, und die Pflanze, unfa&#x0364;hig bei allen die&#x017F;en Abwech&#x017F;elungen zu be&#x017F;te-<lb/>
hen, &#x017F;chmachtet und geht aus, &#x017F;obald Trockenheit und Feuchtigkeit nur einiger-<lb/>
maßen lange wa&#x0364;hren.&#x201D;</p><lb/>
            <p>Nach <hi rendition="#g">Rei&#x017F;&#x017F;ert</hi> und <hi rendition="#g">Seitz</hi>, Annalen des Ackerbaues, <hi rendition="#aq">IX.</hi> 236, i&#x017F;t der<lb/>
Kalkboden, der 40 Prozent Kalk und 36 Prozent Sand, u&#x0364;brigens gro&#x0364;ßtentheils<lb/>
Thon hat, nach &#x017F;tarkem Regen und wenn er feucht i&#x017F;t &#x017F;chwerer zu bearbeiten wie<lb/>
der Lehm; aber, wenn er ausgetrocknet i&#x017F;t, weit leichter.</p><lb/>
            <p>Das vortheilhafte&#x017F;te Verha&#x0364;ltniß des Kalks im Boden i&#x017F;t wohl das, wenn er<lb/>
mit dem ab&#x017F;chwemmbaren Thon gleich i&#x017F;t. Unter allen ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Bodenmengun-<lb/>
gen, 54 an der Zahl, auf welchen <hi rendition="#g">Tillet</hi> die Vegetation des Getreides ver-<lb/>
&#x017F;uchte, zeigte &#x017F;ich die am vortheilhafte&#x017F;ten, welche aus 3/8 To&#x0364;pferthon, 3/8 Mu&#x017F;chel-<lb/>
mergel und 2/8 Sand be&#x017F;tand.</p><lb/>
            <p>So wie der Kalk im Boden zunimmt, bedarf es des Sandes weniger zur<lb/>
Verminderung der nachtheiligen Eigen&#x017F;chaften des Thons. Vo&#x0364;llig darf jedoch der<lb/>
Sand nicht fehlen, weil &#x017F;andlo&#x017F;er Mergel zu bindend und feucht zu &#x017F;chlammig<lb/>
wird. Jenes Tillet&#x017F;che Verha&#x0364;ltniß &#x017F;cheint auch nach der Erfahrung im Großen<lb/>
das vorzu&#x0364;glich&#x017F;te.</p><lb/>
            <p>Wenn der Kalk aber auch nur in geringerem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Ackerkrume bei-<lb/>
gemi&#x017F;cht i&#x017F;t, &#x017F;o daß er auf die Con&#x017F;i&#x017F;tenz des Bodens wenig Einfluß zu haben<lb/>
&#x017F;cheint, &#x017F;o wird die Fruchtbarkeit doch dadurch erho&#x0364;het, vermuthlich der chemi&#x017F;chen<lb/>
Wech&#x017F;elwirkung wegen, die er auf den Humus und Du&#x0364;nger hat. Eine Beimi-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Zweiter Theil. S</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0181] Die Bodenarten. in der hoͤchſten Periode ihrer Entwickelung keinen Nachſatz mehr geben kann, und ſie verſchmachten laͤßt. Da ich Erdarten mit uͤberwiegendem Kalke nicht kenne, ſo fuͤhre ich das an, was Chaptal davon ſagt: „Erden, die Kalk in hervorſtechendem Verhaͤltniſſe enthalten, ſind poroͤs, leicht, ſehr durchdringlich von Waſſer und gut zu verar- beiten; ſie bilden einen Teig, der faſt keine Conſiſtenz hat, laſſen das Waſſer aber mit Leichtigkeit wieder fahren; ſie trocknen aus, ohne Spalten zu bekommen, und ohne eine betraͤchtliche Minderung in ihrer Maſſe zu erfahren. Die Luft dringt leicht durch und kann die Keime in einer gewiſſen Tiefe beleben. Weil das Waſſer ohne Widerſtand hineindringt, aber eben ſo ſchnell ſich daraus wieder entfernt, ſo befinden ſie ſich abwechſelnd in dem Zuſtande einer Ueberfuͤllung damit und einer Austrocknung, und die Pflanze, unfaͤhig bei allen dieſen Abwechſelungen zu beſte- hen, ſchmachtet und geht aus, ſobald Trockenheit und Feuchtigkeit nur einiger- maßen lange waͤhren.” Nach Reiſſert und Seitz, Annalen des Ackerbaues, IX. 236, iſt der Kalkboden, der 40 Prozent Kalk und 36 Prozent Sand, uͤbrigens groͤßtentheils Thon hat, nach ſtarkem Regen und wenn er feucht iſt ſchwerer zu bearbeiten wie der Lehm; aber, wenn er ausgetrocknet iſt, weit leichter. Das vortheilhafteſte Verhaͤltniß des Kalks im Boden iſt wohl das, wenn er mit dem abſchwemmbaren Thon gleich iſt. Unter allen kuͤnſtlichen Bodenmengun- gen, 54 an der Zahl, auf welchen Tillet die Vegetation des Getreides ver- ſuchte, zeigte ſich die am vortheilhafteſten, welche aus 3/8 Toͤpferthon, 3/8 Muſchel- mergel und 2/8 Sand beſtand. So wie der Kalk im Boden zunimmt, bedarf es des Sandes weniger zur Verminderung der nachtheiligen Eigenſchaften des Thons. Voͤllig darf jedoch der Sand nicht fehlen, weil ſandloſer Mergel zu bindend und feucht zu ſchlammig wird. Jenes Tilletſche Verhaͤltniß ſcheint auch nach der Erfahrung im Großen das vorzuͤglichſte. Wenn der Kalk aber auch nur in geringerem Verhaͤltniſſe der Ackerkrume bei- gemiſcht iſt, ſo daß er auf die Conſiſtenz des Bodens wenig Einfluß zu haben ſcheint, ſo wird die Fruchtbarkeit doch dadurch erhoͤhet, vermuthlich der chemiſchen Wechſelwirkung wegen, die er auf den Humus und Duͤnger hat. Eine Beimi- Zweiter Theil. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/181
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/181>, abgerufen am 16.04.2024.