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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Bodenarten.
§. 159.

Bei den Abhängen der Berge und Hügel, und selbst bei der ebenen schrägenRichtung nach
der Himmels-
gegend.

Fläche des Bodens kommt es viel auf die Himmelsgegend an, wohin sie ge-
richtet sind.

Gegen Norden wird der Boden später erwärmt, dunstet schwächer aus, und
bleibt länger feucht. Der vegetabilische Nahrungsstoff kommt später in Gährung
und wird langsamer zersetzt. Die Vegetation dauert kürzere Zeit, fängt später an,
hört früher auf. Die Pflanzen erhalten wegen Mangel an Wärme und Licht minder
ausgebildete Säfte und Früchte. Auch leiden die Pflanzen öfterer durch kalte
Winde und Fröste.

Gegen Süden erhält der Boden eine frühe und starke Durchwärmung, genießt
des meisten und vertikalsten Lichtes. Die Vegetation beginnet daher früh, und die
Früchte kommen zu ihrer höchsten Vollkommenheit. Dagegen aber leidet der Boden
eher an Dürre. Auch ist er den mehr aus Süden kommenden Platzregen und Schlos-
senschauern ausgesetzt.

Gegen Osten dunstet der Boden stark aus, erhält weniger vom Niederschlage
der atmosphärischen Feuchtigkeit, und trocknet am schnellsten aus. Die Vegetation
wird von der Morgensonne früh geweckt, und nach der nächtlichen Ruhe und einge-
sogener Feuchtigkeit in Thätigkeit gesetzt. Die Früchte kommen daher in dieser Lage
vorzüglich früh empor, und werden vollkommen reif, können dagegen zwar auch durch
Nachtfröste leichter unterdrückt und zerstört werden. Nachtfröste indessen schaden hier
manchmal weniger, weil die Sonne nicht zu plötzlich aufthauet, da sie Morgens früh
nicht so stark ist.

Gegen Westen erhalten die Gewächse erst die Wärme und das direkte Licht der
Sonne, nachdem die nächtliche Feuchtigkeit verdunstet und die nach der Ruhe ver-
mehrte Lebensthätigkeit schon wieder ermattet ist; daher die an der Westseite wach-
senden Früchte im Allgemeinen nicht so früh und in so hohem Grade ihre Vollkom-
menheit erreichen, wie die an der Ostseite. Uebrigens aber führt der westliche Wind
mehrere Feuchtigkeit herbei, und der Boden leidet an diesen Seite weniger von der
Dürre. Am besten ist sie etwas gegen Süden gerichtet. Hier ist der Schaden, der
aus dem plötzlichen Aufthauen entsteht, am größten, weil die Sonne sie erst trifft,
wenn sie um Mittag am stärksten ist.


U 2
Die Bodenarten.
§. 159.

Bei den Abhaͤngen der Berge und Huͤgel, und ſelbſt bei der ebenen ſchraͤgenRichtung nach
der Himmels-
gegend.

Flaͤche des Bodens kommt es viel auf die Himmelsgegend an, wohin ſie ge-
richtet ſind.

Gegen Norden wird der Boden ſpaͤter erwaͤrmt, dunſtet ſchwaͤcher aus, und
bleibt laͤnger feucht. Der vegetabiliſche Nahrungsſtoff kommt ſpaͤter in Gaͤhrung
und wird langſamer zerſetzt. Die Vegetation dauert kuͤrzere Zeit, faͤngt ſpaͤter an,
hoͤrt fruͤher auf. Die Pflanzen erhalten wegen Mangel an Waͤrme und Licht minder
ausgebildete Saͤfte und Fruͤchte. Auch leiden die Pflanzen oͤfterer durch kalte
Winde und Froͤſte.

Gegen Suͤden erhaͤlt der Boden eine fruͤhe und ſtarke Durchwaͤrmung, genießt
des meiſten und vertikalſten Lichtes. Die Vegetation beginnet daher fruͤh, und die
Fruͤchte kommen zu ihrer hoͤchſten Vollkommenheit. Dagegen aber leidet der Boden
eher an Duͤrre. Auch iſt er den mehr aus Suͤden kommenden Platzregen und Schloſ-
ſenſchauern ausgeſetzt.

Gegen Oſten dunſtet der Boden ſtark aus, erhaͤlt weniger vom Niederſchlage
der atmoſphaͤriſchen Feuchtigkeit, und trocknet am ſchnellſten aus. Die Vegetation
wird von der Morgenſonne fruͤh geweckt, und nach der naͤchtlichen Ruhe und einge-
ſogener Feuchtigkeit in Thaͤtigkeit geſetzt. Die Fruͤchte kommen daher in dieſer Lage
vorzuͤglich fruͤh empor, und werden vollkommen reif, koͤnnen dagegen zwar auch durch
Nachtfroͤſte leichter unterdruͤckt und zerſtoͤrt werden. Nachtfroͤſte indeſſen ſchaden hier
manchmal weniger, weil die Sonne nicht zu ploͤtzlich aufthauet, da ſie Morgens fruͤh
nicht ſo ſtark iſt.

Gegen Weſten erhalten die Gewaͤchſe erſt die Waͤrme und das direkte Licht der
Sonne, nachdem die naͤchtliche Feuchtigkeit verdunſtet und die nach der Ruhe ver-
mehrte Lebensthaͤtigkeit ſchon wieder ermattet iſt; daher die an der Weſtſeite wach-
ſenden Fruͤchte im Allgemeinen nicht ſo fruͤh und in ſo hohem Grade ihre Vollkom-
menheit erreichen, wie die an der Oſtſeite. Uebrigens aber fuͤhrt der weſtliche Wind
mehrere Feuchtigkeit herbei, und der Boden leidet an dieſen Seite weniger von der
Duͤrre. Am beſten iſt ſie etwas gegen Suͤden gerichtet. Hier iſt der Schaden, der
aus dem ploͤtzlichen Aufthauen entſteht, am groͤßten, weil die Sonne ſie erſt trifft,
wenn ſie um Mittag am ſtaͤrkſten iſt.


U 2
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[155/0203] Die Bodenarten. §. 159. Bei den Abhaͤngen der Berge und Huͤgel, und ſelbſt bei der ebenen ſchraͤgen Flaͤche des Bodens kommt es viel auf die Himmelsgegend an, wohin ſie ge- richtet ſind. Richtung nach der Himmels- gegend. Gegen Norden wird der Boden ſpaͤter erwaͤrmt, dunſtet ſchwaͤcher aus, und bleibt laͤnger feucht. Der vegetabiliſche Nahrungsſtoff kommt ſpaͤter in Gaͤhrung und wird langſamer zerſetzt. Die Vegetation dauert kuͤrzere Zeit, faͤngt ſpaͤter an, hoͤrt fruͤher auf. Die Pflanzen erhalten wegen Mangel an Waͤrme und Licht minder ausgebildete Saͤfte und Fruͤchte. Auch leiden die Pflanzen oͤfterer durch kalte Winde und Froͤſte. Gegen Suͤden erhaͤlt der Boden eine fruͤhe und ſtarke Durchwaͤrmung, genießt des meiſten und vertikalſten Lichtes. Die Vegetation beginnet daher fruͤh, und die Fruͤchte kommen zu ihrer hoͤchſten Vollkommenheit. Dagegen aber leidet der Boden eher an Duͤrre. Auch iſt er den mehr aus Suͤden kommenden Platzregen und Schloſ- ſenſchauern ausgeſetzt. Gegen Oſten dunſtet der Boden ſtark aus, erhaͤlt weniger vom Niederſchlage der atmoſphaͤriſchen Feuchtigkeit, und trocknet am ſchnellſten aus. Die Vegetation wird von der Morgenſonne fruͤh geweckt, und nach der naͤchtlichen Ruhe und einge- ſogener Feuchtigkeit in Thaͤtigkeit geſetzt. Die Fruͤchte kommen daher in dieſer Lage vorzuͤglich fruͤh empor, und werden vollkommen reif, koͤnnen dagegen zwar auch durch Nachtfroͤſte leichter unterdruͤckt und zerſtoͤrt werden. Nachtfroͤſte indeſſen ſchaden hier manchmal weniger, weil die Sonne nicht zu ploͤtzlich aufthauet, da ſie Morgens fruͤh nicht ſo ſtark iſt. Gegen Weſten erhalten die Gewaͤchſe erſt die Waͤrme und das direkte Licht der Sonne, nachdem die naͤchtliche Feuchtigkeit verdunſtet und die nach der Ruhe ver- mehrte Lebensthaͤtigkeit ſchon wieder ermattet iſt; daher die an der Weſtſeite wach- ſenden Fruͤchte im Allgemeinen nicht ſo fruͤh und in ſo hohem Grade ihre Vollkom- menheit erreichen, wie die an der Oſtſeite. Uebrigens aber fuͤhrt der weſtliche Wind mehrere Feuchtigkeit herbei, und der Boden leidet an dieſen Seite weniger von der Duͤrre. Am beſten iſt ſie etwas gegen Suͤden gerichtet. Hier iſt der Schaden, der aus dem ploͤtzlichen Aufthauen entſteht, am groͤßten, weil die Sonne ſie erſt trifft, wenn ſie um Mittag am ſtaͤrkſten iſt. U 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/203>, abgerufen am 29.03.2024.