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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Mineralische Düngungsmittel.
§. 77.

Die Mergelung ist unter allen Meliorationen diejenige, wozu sich am häufigsten
Gelegenheit findet, und die dann den nachhaltigsten und, wenige andere ausgenom-
men, den höchsten und auffallendsten Nutzen bringt.

§. 78.

Endlich giebt es noch eine Erde, deren man sich mit auffallender Wirkung zumDüngererde
besonderer
Art.

Düngen bedient, die einen beträchtlichen Antheil vom Kalk hat, aber zugleich sehr
reich an Humus ist. Man findet sie in den Niederungen an großen Strömen, deren
Boden vom Wasser ohne Zweifel abgelagert worden. Sie ist bläulich von Farbe,
und wie ein sehr magerer zerkrümelnder Lehm, aber sanft anzufühlen. Zuweilen ist
sie mit kleinen Muscheln vermischt, jedoch nicht immer. Sie liegt gewöhnlich nicht
unter der oberen Ackererde; sondern zwischen dieser und jener düngenden Erde liegt ein
unfruchtbarer Lehm, welcher durchstochen und abgeräumt werden muß.

Bei der Untersuchung dieser Erde aus den Oldenburgischen Marschen fanden sich
folgende Bestandtheile: sehr feiner zur Hälfte durch Schlemmen zur Hälfte durch
Sieden abgeschiedener Sand 36; kohlensaurer Kalk 14; Humus 5; fetter Thon 44;
Gyps 1; = 100.

Der Humus war offenbar thierischer Natur, und gab beim Verbrennen einen
sehr stinkenden Geruch.

Ich vermuthe daß man diese wirksame Düngererde an mehreren Orten finden
könne, wo man sie noch nicht kennt. Sie ist durch den Moder der Wasserpflanzen,
der Fische und Schalthiere gebildet, und mit dem feinen Sande hier abgesetzt, nach-
her aber durch einen Niederschlag des von der Höhe herabstürzenden Wassers bedeckt
worden. Es verlohnt sich der Mühe in allen Thälern, die vormals wahrscheinlich
unter Wasser standen, darnach zu suchen.

Man verfährt bei dem Herausbringen derselben (was man in Niedersachsen Kuh-
len oder Wühlen, und die Erde daher Kuhl- oder Wühl-Erde nennt) folgen-
dermaßen.

Man macht zuerst eine Grube von 5 bis 6 Fuß Breite und 12 Fuß Länge, wirft
die obere Ackererde zu einer Seite, den unfruchtbaren Thon, der 4 bis 5 Fuß tief
liegt, zur andern, und bringt dann die gesuchte Erde, die bis zu einer großen Tiefe

K k 2
Mineraliſche Duͤngungsmittel.
§. 77.

Die Mergelung iſt unter allen Meliorationen diejenige, wozu ſich am haͤufigſten
Gelegenheit findet, und die dann den nachhaltigſten und, wenige andere ausgenom-
men, den hoͤchſten und auffallendſten Nutzen bringt.

§. 78.

Endlich giebt es noch eine Erde, deren man ſich mit auffallender Wirkung zumDuͤngererde
beſonderer
Art.

Duͤngen bedient, die einen betraͤchtlichen Antheil vom Kalk hat, aber zugleich ſehr
reich an Humus iſt. Man findet ſie in den Niederungen an großen Stroͤmen, deren
Boden vom Waſſer ohne Zweifel abgelagert worden. Sie iſt blaͤulich von Farbe,
und wie ein ſehr magerer zerkruͤmelnder Lehm, aber ſanft anzufuͤhlen. Zuweilen iſt
ſie mit kleinen Muſcheln vermiſcht, jedoch nicht immer. Sie liegt gewoͤhnlich nicht
unter der oberen Ackererde; ſondern zwiſchen dieſer und jener duͤngenden Erde liegt ein
unfruchtbarer Lehm, welcher durchſtochen und abgeraͤumt werden muß.

Bei der Unterſuchung dieſer Erde aus den Oldenburgiſchen Marſchen fanden ſich
folgende Beſtandtheile: ſehr feiner zur Haͤlfte durch Schlemmen zur Haͤlfte durch
Sieden abgeſchiedener Sand 36; kohlenſaurer Kalk 14; Humus 5; fetter Thon 44;
Gyps 1; = 100.

Der Humus war offenbar thieriſcher Natur, und gab beim Verbrennen einen
ſehr ſtinkenden Geruch.

Ich vermuthe daß man dieſe wirkſame Duͤngererde an mehreren Orten finden
koͤnne, wo man ſie noch nicht kennt. Sie iſt durch den Moder der Waſſerpflanzen,
der Fiſche und Schalthiere gebildet, und mit dem feinen Sande hier abgeſetzt, nach-
her aber durch einen Niederſchlag des von der Hoͤhe herabſtuͤrzenden Waſſers bedeckt
worden. Es verlohnt ſich der Muͤhe in allen Thaͤlern, die vormals wahrſcheinlich
unter Waſſer ſtanden, darnach zu ſuchen.

Man verfaͤhrt bei dem Herausbringen derſelben (was man in Niederſachſen Kuh-
len oder Wuͤhlen, und die Erde daher Kuhl- oder Wuͤhl-Erde nennt) folgen-
dermaßen.

Man macht zuerſt eine Grube von 5 bis 6 Fuß Breite und 12 Fuß Laͤnge, wirft
die obere Ackererde zu einer Seite, den unfruchtbaren Thon, der 4 bis 5 Fuß tief
liegt, zur andern, und bringt dann die geſuchte Erde, die bis zu einer großen Tiefe

K k 2
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[259/0307] Mineraliſche Duͤngungsmittel. §. 77. Die Mergelung iſt unter allen Meliorationen diejenige, wozu ſich am haͤufigſten Gelegenheit findet, und die dann den nachhaltigſten und, wenige andere ausgenom- men, den hoͤchſten und auffallendſten Nutzen bringt. §. 78. Endlich giebt es noch eine Erde, deren man ſich mit auffallender Wirkung zum Duͤngen bedient, die einen betraͤchtlichen Antheil vom Kalk hat, aber zugleich ſehr reich an Humus iſt. Man findet ſie in den Niederungen an großen Stroͤmen, deren Boden vom Waſſer ohne Zweifel abgelagert worden. Sie iſt blaͤulich von Farbe, und wie ein ſehr magerer zerkruͤmelnder Lehm, aber ſanft anzufuͤhlen. Zuweilen iſt ſie mit kleinen Muſcheln vermiſcht, jedoch nicht immer. Sie liegt gewoͤhnlich nicht unter der oberen Ackererde; ſondern zwiſchen dieſer und jener duͤngenden Erde liegt ein unfruchtbarer Lehm, welcher durchſtochen und abgeraͤumt werden muß. Duͤngererde beſonderer Art. Bei der Unterſuchung dieſer Erde aus den Oldenburgiſchen Marſchen fanden ſich folgende Beſtandtheile: ſehr feiner zur Haͤlfte durch Schlemmen zur Haͤlfte durch Sieden abgeſchiedener Sand 36; kohlenſaurer Kalk 14; Humus 5; fetter Thon 44; Gyps 1; = 100. Der Humus war offenbar thieriſcher Natur, und gab beim Verbrennen einen ſehr ſtinkenden Geruch. Ich vermuthe daß man dieſe wirkſame Duͤngererde an mehreren Orten finden koͤnne, wo man ſie noch nicht kennt. Sie iſt durch den Moder der Waſſerpflanzen, der Fiſche und Schalthiere gebildet, und mit dem feinen Sande hier abgeſetzt, nach- her aber durch einen Niederſchlag des von der Hoͤhe herabſtuͤrzenden Waſſers bedeckt worden. Es verlohnt ſich der Muͤhe in allen Thaͤlern, die vormals wahrſcheinlich unter Waſſer ſtanden, darnach zu ſuchen. Man verfaͤhrt bei dem Herausbringen derſelben (was man in Niederſachſen Kuh- len oder Wuͤhlen, und die Erde daher Kuhl- oder Wuͤhl-Erde nennt) folgen- dermaßen. Man macht zuerſt eine Grube von 5 bis 6 Fuß Breite und 12 Fuß Laͤnge, wirft die obere Ackererde zu einer Seite, den unfruchtbaren Thon, der 4 bis 5 Fuß tief liegt, zur andern, und bringt dann die geſuchte Erde, die bis zu einer großen Tiefe K k 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/307>, abgerufen am 18.04.2024.