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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Die Bewässerung.

Durch die Bewässerung können wir uns von der Witterung gewissermaaßen
unabhängig machen, und den nachtheiligen Folgen einer ungünstigen in mehr als
einer Rücksicht entgegen wirken. Denn wir können vermöge derselben nicht bloß
eine lange Zeit hindurch des Regens entbehren, wie das die Fruchtbarkeit der be-
wässerten Felder in dem trockenen Klima Italiens beweist, wo bei der starken Hitze
oft in vier Monaten nicht ein Tropfen Regen fällt, und häufig auch kein Thau zu
verspüren ist; sondern es kann auch der große Nachtheil der Frühjahrskälte und
der späten Nachtfröste dadurch beträchtlich vermindert werden, indem insbesondere
das frische Quellwasser durch seine höhere Temperatur den Boden früher erwärmt,
und grüne, nahrungsreiche Wiesen schon darstellt, wenn sich sonst nirgends noch
ein Grashälmchen erhebt, und indem ein jedes Wasser die nachtheilige Einwir-
kung eines Frostes oder Reifes auf die Pflanzen, wenn es darüber geht, im Früh-
jahre verhindert, oder ihm doch, wenn es bald nachher übergelassen wird, wie-
der gut macht.

Durch Bewässerung bringen wir häufig einen Boden zu einer hohen und
höchst wohlthätigen Produktion, der vorher durchaus nichts oder unbedeutend
wenig einbrachte.

Gründe genug, welche uns zu der Anlage von Bewässerungen, wo irgend
die Möglichkeit und Gelegenheit dazu vorhanden ist, vermögen sollten.

§. 274.

Häufige Ge-
legenheit,
Bewässerun-
gen anzule-
gen.
Die Möglichkeit, Bewässerungen und zwar oft von beträchtlichem Umfange
anzulegen, ist aber häufig vorhanden. Wenn wir mit vereinten Kräften die Ge-
legenheit dazu benutzen wollten, so giebt es manche Distrikte, ja selbst ganze Pro-
vinzen, wo beinahe jeder Fleck, der jetzt an einer dürren Anhöhe und in weiter
Entfernung vom Wasser liegt, dieser Wohlthat theilhaftig werden könnte.
Würden alle Flüsse -- worunter wir einen jeden natürlichen Wasserlauf, es sey
ein großer Strom oder ein kleines Flies, verstehn -- an dem höchsten Punkte ab-
gefangen, und das Wasser durch Kanäle in der erforderlichen Höhe erhalten, so
würde oft Wasser solchen Gegenden zugeführt werden, wo man jetzt kaum den Ge-
danken an fließendes Wasser haben kann.

Wenn aber auch diese großen, eine allgemeine Uebereinstimmung erfordern-
den Anlagen unausführbar sind, so findet sich die Gelegenheit zu Bewässerungen

Die Bewaͤſſerung.

Durch die Bewaͤſſerung koͤnnen wir uns von der Witterung gewiſſermaaßen
unabhaͤngig machen, und den nachtheiligen Folgen einer unguͤnſtigen in mehr als
einer Ruͤckſicht entgegen wirken. Denn wir koͤnnen vermoͤge derſelben nicht bloß
eine lange Zeit hindurch des Regens entbehren, wie das die Fruchtbarkeit der be-
waͤſſerten Felder in dem trockenen Klima Italiens beweiſt, wo bei der ſtarken Hitze
oft in vier Monaten nicht ein Tropfen Regen faͤllt, und haͤufig auch kein Thau zu
verſpuͤren iſt; ſondern es kann auch der große Nachtheil der Fruͤhjahrskaͤlte und
der ſpaͤten Nachtfroͤſte dadurch betraͤchtlich vermindert werden, indem insbeſondere
das friſche Quellwaſſer durch ſeine hoͤhere Temperatur den Boden fruͤher erwaͤrmt,
und gruͤne, nahrungsreiche Wieſen ſchon darſtellt, wenn ſich ſonſt nirgends noch
ein Grashaͤlmchen erhebt, und indem ein jedes Waſſer die nachtheilige Einwir-
kung eines Froſtes oder Reifes auf die Pflanzen, wenn es daruͤber geht, im Fruͤh-
jahre verhindert, oder ihm doch, wenn es bald nachher uͤbergelaſſen wird, wie-
der gut macht.

Durch Bewaͤſſerung bringen wir haͤufig einen Boden zu einer hohen und
hoͤchſt wohlthaͤtigen Produktion, der vorher durchaus nichts oder unbedeutend
wenig einbrachte.

Gruͤnde genug, welche uns zu der Anlage von Bewaͤſſerungen, wo irgend
die Moͤglichkeit und Gelegenheit dazu vorhanden iſt, vermoͤgen ſollten.

§. 274.

Haͤufige Ge-
legenheit,
Bewaͤſſerun-
gen anzule-
gen.
Die Moͤglichkeit, Bewaͤſſerungen und zwar oft von betraͤchtlichem Umfange
anzulegen, iſt aber haͤufig vorhanden. Wenn wir mit vereinten Kraͤften die Ge-
legenheit dazu benutzen wollten, ſo giebt es manche Diſtrikte, ja ſelbſt ganze Pro-
vinzen, wo beinahe jeder Fleck, der jetzt an einer duͤrren Anhoͤhe und in weiter
Entfernung vom Waſſer liegt, dieſer Wohlthat theilhaftig werden koͤnnte.
Wuͤrden alle Fluͤſſe — worunter wir einen jeden natuͤrlichen Waſſerlauf, es ſey
ein großer Strom oder ein kleines Flies, verſtehn — an dem hoͤchſten Punkte ab-
gefangen, und das Waſſer durch Kanaͤle in der erforderlichen Hoͤhe erhalten, ſo
wuͤrde oft Waſſer ſolchen Gegenden zugefuͤhrt werden, wo man jetzt kaum den Ge-
danken an fließendes Waſſer haben kann.

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den Anlagen unausfuͤhrbar ſind, ſo findet ſich die Gelegenheit zu Bewaͤſſerungen

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[182/0204] Die Bewaͤſſerung. Durch die Bewaͤſſerung koͤnnen wir uns von der Witterung gewiſſermaaßen unabhaͤngig machen, und den nachtheiligen Folgen einer unguͤnſtigen in mehr als einer Ruͤckſicht entgegen wirken. Denn wir koͤnnen vermoͤge derſelben nicht bloß eine lange Zeit hindurch des Regens entbehren, wie das die Fruchtbarkeit der be- waͤſſerten Felder in dem trockenen Klima Italiens beweiſt, wo bei der ſtarken Hitze oft in vier Monaten nicht ein Tropfen Regen faͤllt, und haͤufig auch kein Thau zu verſpuͤren iſt; ſondern es kann auch der große Nachtheil der Fruͤhjahrskaͤlte und der ſpaͤten Nachtfroͤſte dadurch betraͤchtlich vermindert werden, indem insbeſondere das friſche Quellwaſſer durch ſeine hoͤhere Temperatur den Boden fruͤher erwaͤrmt, und gruͤne, nahrungsreiche Wieſen ſchon darſtellt, wenn ſich ſonſt nirgends noch ein Grashaͤlmchen erhebt, und indem ein jedes Waſſer die nachtheilige Einwir- kung eines Froſtes oder Reifes auf die Pflanzen, wenn es daruͤber geht, im Fruͤh- jahre verhindert, oder ihm doch, wenn es bald nachher uͤbergelaſſen wird, wie- der gut macht. Durch Bewaͤſſerung bringen wir haͤufig einen Boden zu einer hohen und hoͤchſt wohlthaͤtigen Produktion, der vorher durchaus nichts oder unbedeutend wenig einbrachte. Gruͤnde genug, welche uns zu der Anlage von Bewaͤſſerungen, wo irgend die Moͤglichkeit und Gelegenheit dazu vorhanden iſt, vermoͤgen ſollten. §. 274. Die Moͤglichkeit, Bewaͤſſerungen und zwar oft von betraͤchtlichem Umfange anzulegen, iſt aber haͤufig vorhanden. Wenn wir mit vereinten Kraͤften die Ge- legenheit dazu benutzen wollten, ſo giebt es manche Diſtrikte, ja ſelbſt ganze Pro- vinzen, wo beinahe jeder Fleck, der jetzt an einer duͤrren Anhoͤhe und in weiter Entfernung vom Waſſer liegt, dieſer Wohlthat theilhaftig werden koͤnnte. Wuͤrden alle Fluͤſſe — worunter wir einen jeden natuͤrlichen Waſſerlauf, es ſey ein großer Strom oder ein kleines Flies, verſtehn — an dem hoͤchſten Punkte ab- gefangen, und das Waſſer durch Kanaͤle in der erforderlichen Hoͤhe erhalten, ſo wuͤrde oft Waſſer ſolchen Gegenden zugefuͤhrt werden, wo man jetzt kaum den Ge- danken an fließendes Waſſer haben kann. Haͤufige Ge- legenheit, Bewaͤſſerun- gen anzule- gen. Wenn aber auch dieſe großen, eine allgemeine Uebereinſtimmung erfordern- den Anlagen unausfuͤhrbar ſind, ſo findet ſich die Gelegenheit zu Bewaͤſſerungen

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/204>, abgerufen am 19.04.2024.