Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Abschwemmung oder Anlage der Schwemmwiesen.
der ersten Anlage nicht scheute, sondern unbedenklich dazu schritt. Dies wurde ihm
dadurch erleichtert, daß sich Kompagnien von Wiesenschwemmern gebildet hatten,
die von einem Orte zum andern zogen, und für ein, nach der Größe und Beschaffen-
heit der Fläche vorher bedungenes Quantum die Arbeit unternahmen. Durch viele
Uebung hatten sich die Meister dieser Kompagnien ein so richtiges Augenmaaß erwor-
ben, daß sie mit keinem andern Nivellirinstrumente, als einem Richtscheit und Setz-
wage versehen, die Anlage mehrentheils richtig ausführten, und die dabei vorkommen-
den Arbeiten und Schwierigkeiten genau genug schätzen konnten.

Die Sache ist bisher allein von meinem nun verewigten Freunde J. F. Meyer
in einer Preisschrift: "über die Anlage der Bewässerungswiesen, be-
sonders derjenigen, welche durch Schwemmen hervorgebracht wer-
den
," in den Annalen der Niedersächsischen Landwirthschaft, zweiten Jahrgangs
drittem Stücke beschrieben; indessen nicht deutlich genug, um demjenigen, der sie nicht
aus eigener Ansicht kennt, einen klaren Begriff davon geben zu können.

§. 296.

Begriff der-
selben.
Das Ganze der Operation besteht darin: die Erde von der ein Flußthal
umgebenden Anhöhe, mittelst des von einer noch höheren Stelle
hinein geleiteten Wassers, herab und in den niedrigen mehren-
theils morastigen Theil des Thales hinein zu schwemmen, und so
aus den abgeschwemmten Anhöhen und der ausgefüllten Niede-
rung eine ebene gelind abhängige Fläche zu bilden, die nachher
durch den bei der Abschwemmung entstandenen und beuferten Gra-
ben von der Höhe herab jederzeit berieselt werden kann
. Diese Be-
rieselung kann dann um so bequemer und vollständiger geschehen, da durch die Ab-
schwemmung und die natürliche Verbreitung der Erde vermittelst des Wassers eine so
ebene, mehr oder minder abhängige Fläche gebildet wird, wie sie durch keine Hand-
arbeit erreicht werden kann.

§. 297.

Beschreibung
der Operation.
Ich werde versuchen, diese Vorrichtung so deutlich, als es mir mit Worten und
mit Hülfe einiger Figuren möglich ist, zu beschreiben, obwohl ein einziger Anblick von
der Sache eine weit deutlichere Vorstellung giebt, als ich durch diese Beschreibung zu

Die Abſchwemmung oder Anlage der Schwemmwieſen.
der erſten Anlage nicht ſcheute, ſondern unbedenklich dazu ſchritt. Dies wurde ihm
dadurch erleichtert, daß ſich Kompagnien von Wieſenſchwemmern gebildet hatten,
die von einem Orte zum andern zogen, und fuͤr ein, nach der Groͤße und Beſchaffen-
heit der Flaͤche vorher bedungenes Quantum die Arbeit unternahmen. Durch viele
Uebung hatten ſich die Meiſter dieſer Kompagnien ein ſo richtiges Augenmaaß erwor-
ben, daß ſie mit keinem andern Nivellirinſtrumente, als einem Richtſcheit und Setz-
wage verſehen, die Anlage mehrentheils richtig ausfuͤhrten, und die dabei vorkommen-
den Arbeiten und Schwierigkeiten genau genug ſchaͤtzen konnten.

Die Sache iſt bisher allein von meinem nun verewigten Freunde J. F. Meyer
in einer Preisſchrift: „uͤber die Anlage der Bewaͤſſerungswieſen, be-
ſonders derjenigen, welche durch Schwemmen hervorgebracht wer-
den
,“ in den Annalen der Niederſaͤchſiſchen Landwirthſchaft, zweiten Jahrgangs
drittem Stuͤcke beſchrieben; indeſſen nicht deutlich genug, um demjenigen, der ſie nicht
aus eigener Anſicht kennt, einen klaren Begriff davon geben zu koͤnnen.

§. 296.

Begriff der-
ſelben.
Das Ganze der Operation beſteht darin: die Erde von der ein Flußthal
umgebenden Anhoͤhe, mittelſt des von einer noch hoͤheren Stelle
hinein geleiteten Waſſers, herab und in den niedrigen mehren-
theils moraſtigen Theil des Thales hinein zu ſchwemmen, und ſo
aus den abgeſchwemmten Anhoͤhen und der ausgefuͤllten Niede-
rung eine ebene gelind abhaͤngige Flaͤche zu bilden, die nachher
durch den bei der Abſchwemmung entſtandenen und beuferten Gra-
ben von der Hoͤhe herab jederzeit berieſelt werden kann
. Dieſe Be-
rieſelung kann dann um ſo bequemer und vollſtaͤndiger geſchehen, da durch die Ab-
ſchwemmung und die natuͤrliche Verbreitung der Erde vermittelſt des Waſſers eine ſo
ebene, mehr oder minder abhaͤngige Flaͤche gebildet wird, wie ſie durch keine Hand-
arbeit erreicht werden kann.

§. 297.

Beſchreibung
der Operation.
Ich werde verſuchen, dieſe Vorrichtung ſo deutlich, als es mir mit Worten und
mit Huͤlfe einiger Figuren moͤglich iſt, zu beſchreiben, obwohl ein einziger Anblick von
der Sache eine weit deutlichere Vorſtellung giebt, als ich durch dieſe Beſchreibung zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0228" n="206"/><fw place="top" type="header">Die Ab&#x017F;chwemmung oder Anlage der Schwemmwie&#x017F;en.</fw><lb/>
der er&#x017F;ten Anlage nicht &#x017F;cheute, &#x017F;ondern unbedenklich dazu &#x017F;chritt. Dies wurde ihm<lb/>
dadurch erleichtert, daß &#x017F;ich Kompagnien von Wie&#x017F;en&#x017F;chwemmern gebildet hatten,<lb/>
die von einem Orte zum andern zogen, und fu&#x0364;r ein, nach der Gro&#x0364;ße und Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit der Fla&#x0364;che vorher bedungenes Quantum die Arbeit unternahmen. Durch viele<lb/>
Uebung hatten &#x017F;ich die Mei&#x017F;ter die&#x017F;er Kompagnien ein &#x017F;o richtiges Augenmaaß erwor-<lb/>
ben, daß &#x017F;ie mit keinem andern Nivellirin&#x017F;trumente, als einem Richt&#x017F;cheit und Setz-<lb/>
wage ver&#x017F;ehen, die Anlage mehrentheils richtig ausfu&#x0364;hrten, und die dabei vorkommen-<lb/>
den Arbeiten und Schwierigkeiten genau genug &#x017F;cha&#x0364;tzen konnten.</p><lb/>
              <p>Die Sache i&#x017F;t bisher allein von meinem nun verewigten Freunde J. F. <hi rendition="#g">Meyer</hi><lb/>
in einer Preis&#x017F;chrift: &#x201E;<hi rendition="#g">u&#x0364;ber die Anlage der Bewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erungswie&#x017F;en, be-<lb/>
&#x017F;onders derjenigen, welche durch Schwemmen hervorgebracht wer-<lb/>
den</hi>,&#x201C; in den Annalen der Nieder&#x017F;a&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;chen Landwirth&#x017F;chaft, zweiten Jahrgangs<lb/>
drittem Stu&#x0364;cke be&#x017F;chrieben; inde&#x017F;&#x017F;en nicht deutlich genug, um demjenigen, der &#x017F;ie nicht<lb/>
aus eigener An&#x017F;icht kennt, einen klaren Begriff davon geben zu ko&#x0364;nnen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 296.</head><lb/>
              <p><note place="left">Begriff der-<lb/>
&#x017F;elben.</note>Das Ganze der Operation be&#x017F;teht darin: <hi rendition="#g">die Erde von der ein Flußthal<lb/>
umgebenden Anho&#x0364;he, mittel&#x017F;t des von einer noch ho&#x0364;heren Stelle<lb/>
hinein geleiteten Wa&#x017F;&#x017F;ers, herab und in den niedrigen mehren-<lb/>
theils mora&#x017F;tigen Theil des Thales hinein zu &#x017F;chwemmen, und &#x017F;o<lb/>
aus den abge&#x017F;chwemmten Anho&#x0364;hen und der ausgefu&#x0364;llten Niede-<lb/>
rung eine ebene gelind abha&#x0364;ngige Fla&#x0364;che zu bilden, die nachher<lb/>
durch den bei der Ab&#x017F;chwemmung ent&#x017F;tandenen und beuferten Gra-<lb/>
ben von der Ho&#x0364;he herab jederzeit berie&#x017F;elt werden kann</hi>. Die&#x017F;e Be-<lb/>
rie&#x017F;elung kann dann um &#x017F;o bequemer und voll&#x017F;ta&#x0364;ndiger ge&#x017F;chehen, da durch die Ab-<lb/>
&#x017F;chwemmung und die natu&#x0364;rliche Verbreitung der Erde vermittel&#x017F;t des Wa&#x017F;&#x017F;ers eine &#x017F;o<lb/>
ebene, mehr oder minder abha&#x0364;ngige Fla&#x0364;che gebildet wird, wie &#x017F;ie durch keine Hand-<lb/>
arbeit erreicht werden kann.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 297.</head><lb/>
              <p><note place="left">Be&#x017F;chreibung<lb/>
der Operation.</note>Ich werde ver&#x017F;uchen, die&#x017F;e Vorrichtung &#x017F;o deutlich, als es mir mit Worten und<lb/>
mit Hu&#x0364;lfe einiger Figuren mo&#x0364;glich i&#x017F;t, zu be&#x017F;chreiben, obwohl ein einziger Anblick von<lb/>
der Sache eine weit deutlichere Vor&#x017F;tellung giebt, als ich durch die&#x017F;e Be&#x017F;chreibung zu<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0228] Die Abſchwemmung oder Anlage der Schwemmwieſen. der erſten Anlage nicht ſcheute, ſondern unbedenklich dazu ſchritt. Dies wurde ihm dadurch erleichtert, daß ſich Kompagnien von Wieſenſchwemmern gebildet hatten, die von einem Orte zum andern zogen, und fuͤr ein, nach der Groͤße und Beſchaffen- heit der Flaͤche vorher bedungenes Quantum die Arbeit unternahmen. Durch viele Uebung hatten ſich die Meiſter dieſer Kompagnien ein ſo richtiges Augenmaaß erwor- ben, daß ſie mit keinem andern Nivellirinſtrumente, als einem Richtſcheit und Setz- wage verſehen, die Anlage mehrentheils richtig ausfuͤhrten, und die dabei vorkommen- den Arbeiten und Schwierigkeiten genau genug ſchaͤtzen konnten. Die Sache iſt bisher allein von meinem nun verewigten Freunde J. F. Meyer in einer Preisſchrift: „uͤber die Anlage der Bewaͤſſerungswieſen, be- ſonders derjenigen, welche durch Schwemmen hervorgebracht wer- den,“ in den Annalen der Niederſaͤchſiſchen Landwirthſchaft, zweiten Jahrgangs drittem Stuͤcke beſchrieben; indeſſen nicht deutlich genug, um demjenigen, der ſie nicht aus eigener Anſicht kennt, einen klaren Begriff davon geben zu koͤnnen. §. 296. Das Ganze der Operation beſteht darin: die Erde von der ein Flußthal umgebenden Anhoͤhe, mittelſt des von einer noch hoͤheren Stelle hinein geleiteten Waſſers, herab und in den niedrigen mehren- theils moraſtigen Theil des Thales hinein zu ſchwemmen, und ſo aus den abgeſchwemmten Anhoͤhen und der ausgefuͤllten Niede- rung eine ebene gelind abhaͤngige Flaͤche zu bilden, die nachher durch den bei der Abſchwemmung entſtandenen und beuferten Gra- ben von der Hoͤhe herab jederzeit berieſelt werden kann. Dieſe Be- rieſelung kann dann um ſo bequemer und vollſtaͤndiger geſchehen, da durch die Ab- ſchwemmung und die natuͤrliche Verbreitung der Erde vermittelſt des Waſſers eine ſo ebene, mehr oder minder abhaͤngige Flaͤche gebildet wird, wie ſie durch keine Hand- arbeit erreicht werden kann. Begriff der- ſelben. §. 297. Ich werde verſuchen, dieſe Vorrichtung ſo deutlich, als es mir mit Worten und mit Huͤlfe einiger Figuren moͤglich iſt, zu beſchreiben, obwohl ein einziger Anblick von der Sache eine weit deutlichere Vorſtellung giebt, als ich durch dieſe Beſchreibung zu Beſchreibung der Operation.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/228
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/228>, abgerufen am 23.04.2024.