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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Der Wiesenbau.
nisse unter einander stehen, und dieses Verhältniß muß wieder dem Boden und
allen seinen Eigenschaften angemessen seyn. Man hat daher durch künstliche Be-
saamungen wohl Grasfelder, aber selten eigentliche Wiesen gebildet: man hat ho-
hes, aber kein dichtes und ausdaurendes Gras, keinen wahren Rasen bekommen.
Oder aber die ausgesäeten Gräser haben erst zum Theil verschwinden und anderen
Platz machen müssen. Haben solche mit ausgewählten Gräsern besaamte Gras-
felder, deren natürliche Grasnarbe durch die Beackerung zerstört worden, auch im
ersten und zweiten Jahre die natürlichen Wiesen auf gleichem Boden übertroffen,
so haben sie sich doch auf die Dauer nicht erhalten, sind zurückgeschlagen, und ha-
ben lange Zeit den Ertrag der alten Wiesen nicht wieder erreichen können.

§. 323.

Besaamung.Wenn man bei künstlichen Grasbesaamungen das gerechte Verhältniß der
Wiesenpflanzen unter einander und zum Boden träfe, so würde man dadurch ohne
Zweifel früher eine neue erwünschte Wiesennarbe bilden, als wenn man dieses der
Natur überläßt. Aber dieses Verhältniß ist a priori schwer auszufinden. Es
kommt dabei vornehmlich auf das gerechte Verhältniß des hohen Grases zum
Untergrase, des frühen, welches den ersten Schnitt giebt, zum späteren, welches
hauptsächlich den zweiten ausmacht, an. Einige, die jenes Verhältniß ziemlich
richtig getroffen haben, bildeten gute Wiesen; Andere, die es nicht trafen, er-
hielten schlechte, die sie bald wieder umbrechen mußten. Bei den besten, die ich
kenne, war der Saame an Ort und Stelle und von Wiesen gleicher Natur aufge-
nommen; wogegen die Operation mehrentheils bei denen verunglückte, die ihre
Saamenauswahl nach der an sich richtigen Beschreibung einzelner Gräser machten,
und den Saamen aus den Niederlagen der Saamenhändler erhielten. Letztere
trafen nämlich minder das richtige Verhältniß der Gräser unter einander und zu
ihrem Boden.

Bis jetzt scheint mir also das zweckmäßigste Verfahren, um sich guten Wie-
sensaamen zu verschaffen, -- denn ich unterscheide Wiesenbau vom kurzdaurenden
Futterkrautbau -- folgendes zu seyn.

Man wähle einen Wiesenfleck aus, welcher mit der zu besaamenden Wiese
eine gleiche Grundbeschaffenheit, besonders in Ansehung des Humusgehalts und der
Feuchtigkeit, hat, und worauf vorzüglich gutes Gras stehet, mit dessen Ergiebigkeit

Der Wieſenbau.
niſſe unter einander ſtehen, und dieſes Verhaͤltniß muß wieder dem Boden und
allen ſeinen Eigenſchaften angemeſſen ſeyn. Man hat daher durch kuͤnſtliche Be-
ſaamungen wohl Grasfelder, aber ſelten eigentliche Wieſen gebildet: man hat ho-
hes, aber kein dichtes und ausdaurendes Gras, keinen wahren Raſen bekommen.
Oder aber die ausgeſaͤeten Graͤſer haben erſt zum Theil verſchwinden und anderen
Platz machen muͤſſen. Haben ſolche mit ausgewaͤhlten Graͤſern beſaamte Gras-
felder, deren natuͤrliche Grasnarbe durch die Beackerung zerſtoͤrt worden, auch im
erſten und zweiten Jahre die natuͤrlichen Wieſen auf gleichem Boden uͤbertroffen,
ſo haben ſie ſich doch auf die Dauer nicht erhalten, ſind zuruͤckgeſchlagen, und ha-
ben lange Zeit den Ertrag der alten Wieſen nicht wieder erreichen koͤnnen.

§. 323.

Beſaamung.Wenn man bei kuͤnſtlichen Grasbeſaamungen das gerechte Verhaͤltniß der
Wieſenpflanzen unter einander und zum Boden traͤfe, ſo wuͤrde man dadurch ohne
Zweifel fruͤher eine neue erwuͤnſchte Wieſennarbe bilden, als wenn man dieſes der
Natur uͤberlaͤßt. Aber dieſes Verhaͤltniß iſt a priori ſchwer auszufinden. Es
kommt dabei vornehmlich auf das gerechte Verhaͤltniß des hohen Graſes zum
Untergraſe, des fruͤhen, welches den erſten Schnitt giebt, zum ſpaͤteren, welches
hauptſaͤchlich den zweiten ausmacht, an. Einige, die jenes Verhaͤltniß ziemlich
richtig getroffen haben, bildeten gute Wieſen; Andere, die es nicht trafen, er-
hielten ſchlechte, die ſie bald wieder umbrechen mußten. Bei den beſten, die ich
kenne, war der Saame an Ort und Stelle und von Wieſen gleicher Natur aufge-
nommen; wogegen die Operation mehrentheils bei denen verungluͤckte, die ihre
Saamenauswahl nach der an ſich richtigen Beſchreibung einzelner Graͤſer machten,
und den Saamen aus den Niederlagen der Saamenhaͤndler erhielten. Letztere
trafen naͤmlich minder das richtige Verhaͤltniß der Graͤſer unter einander und zu
ihrem Boden.

Bis jetzt ſcheint mir alſo das zweckmaͤßigſte Verfahren, um ſich guten Wie-
ſenſaamen zu verſchaffen, — denn ich unterſcheide Wieſenbau vom kurzdaurenden
Futterkrautbau — folgendes zu ſeyn.

Man waͤhle einen Wieſenfleck aus, welcher mit der zu beſaamenden Wieſe
eine gleiche Grundbeſchaffenheit, beſonders in Anſehung des Humusgehalts und der
Feuchtigkeit, hat, und worauf vorzuͤglich gutes Gras ſtehet, mit deſſen Ergiebigkeit

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[234/0256] Der Wieſenbau. niſſe unter einander ſtehen, und dieſes Verhaͤltniß muß wieder dem Boden und allen ſeinen Eigenſchaften angemeſſen ſeyn. Man hat daher durch kuͤnſtliche Be- ſaamungen wohl Grasfelder, aber ſelten eigentliche Wieſen gebildet: man hat ho- hes, aber kein dichtes und ausdaurendes Gras, keinen wahren Raſen bekommen. Oder aber die ausgeſaͤeten Graͤſer haben erſt zum Theil verſchwinden und anderen Platz machen muͤſſen. Haben ſolche mit ausgewaͤhlten Graͤſern beſaamte Gras- felder, deren natuͤrliche Grasnarbe durch die Beackerung zerſtoͤrt worden, auch im erſten und zweiten Jahre die natuͤrlichen Wieſen auf gleichem Boden uͤbertroffen, ſo haben ſie ſich doch auf die Dauer nicht erhalten, ſind zuruͤckgeſchlagen, und ha- ben lange Zeit den Ertrag der alten Wieſen nicht wieder erreichen koͤnnen. §. 323. Wenn man bei kuͤnſtlichen Grasbeſaamungen das gerechte Verhaͤltniß der Wieſenpflanzen unter einander und zum Boden traͤfe, ſo wuͤrde man dadurch ohne Zweifel fruͤher eine neue erwuͤnſchte Wieſennarbe bilden, als wenn man dieſes der Natur uͤberlaͤßt. Aber dieſes Verhaͤltniß iſt a priori ſchwer auszufinden. Es kommt dabei vornehmlich auf das gerechte Verhaͤltniß des hohen Graſes zum Untergraſe, des fruͤhen, welches den erſten Schnitt giebt, zum ſpaͤteren, welches hauptſaͤchlich den zweiten ausmacht, an. Einige, die jenes Verhaͤltniß ziemlich richtig getroffen haben, bildeten gute Wieſen; Andere, die es nicht trafen, er- hielten ſchlechte, die ſie bald wieder umbrechen mußten. Bei den beſten, die ich kenne, war der Saame an Ort und Stelle und von Wieſen gleicher Natur aufge- nommen; wogegen die Operation mehrentheils bei denen verungluͤckte, die ihre Saamenauswahl nach der an ſich richtigen Beſchreibung einzelner Graͤſer machten, und den Saamen aus den Niederlagen der Saamenhaͤndler erhielten. Letztere trafen naͤmlich minder das richtige Verhaͤltniß der Graͤſer unter einander und zu ihrem Boden. Beſaamung. Bis jetzt ſcheint mir alſo das zweckmaͤßigſte Verfahren, um ſich guten Wie- ſenſaamen zu verſchaffen, — denn ich unterſcheide Wieſenbau vom kurzdaurenden Futterkrautbau — folgendes zu ſeyn. Man waͤhle einen Wieſenfleck aus, welcher mit der zu beſaamenden Wieſe eine gleiche Grundbeſchaffenheit, beſonders in Anſehung des Humusgehalts und der Feuchtigkeit, hat, und worauf vorzuͤglich gutes Gras ſtehet, mit deſſen Ergiebigkeit

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/256>, abgerufen am 29.03.2024.