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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Die Bewässerung.
kann, und zwar gerade in dem Maaße, in welchem sie deren bedürfen. Die Be-
rieselung wird zwar auch im Herbste, Winter und Frühjahr zur Beschlammung
des Bodens gegeben, aber auch, nachdem die Vegetation begonnen und die Pflan-
zen emporgewachsen sind, so oft und so lange wiederholt, als es die Witterung,
der Boden und die Pflanzenart erfordert. Man läßt das Wasser zuweilen in der
Nacht noch überrieseln, wenn man am folgenden Morgen die Sense ansetzen will,
um dem Grase einen um so frischeren Stand zu geben. Nach jedem heißen aus-
dürrenden Tage erquickt man das Gras durch einen nächtlichen Wasserzulauf, und
setzt es in den Stand, von der Hitze der Tage den höchsten Vortheil zu ziehen,
wenn diese auf unbewässertem Boden alles schmachten und verdorren läßt. Durch
diese Bewässerungsart allein kann sich der Landwirth über den Einfluß der Witte-
rung und des Klimas erheben. Denn so wie die der dürren heißen Tage, wird
auch die Schädlichkeit der kalten Nächte und der Morgenreife dadurch überwun-
den. Weil das Wasser hierbei in einer beständigen Bewegung ist, so kann, wie
sonst bei heißer Witterung der Fall ist, dieses Wasser keine Fäulniß erregen, und
keine ungesunden Ausdünstungen. Das in dieser Feuchtigkeit aufgewachsene Gras
bleibt allen Viehracen gedeihlich, und selbst in seinem grünen Zustande ist es als
Weide -- während welcher natürlich die Fläche trocken gelegt wird -- dem Viehe
ganz unschädlich, welches sonst von dem an feuchten Orten gewachsenen Grase so
leicht erkrankt. Durch eine zureichende und mit hinlänglicher Aufmerksamkeit
gegebene Berieselung wird selbst der unfruchtbarste Sand zur höchsten Produktion
gebracht, und paßt sich manchmal gerade am besten zum Wiesengrunde.

Der unfruchtbare und nahrungslose Boden wird mit der Zeit durch die Ueber-
rieselung mit fruchtbaren Theilen beschwängert, und dies geschiehet um so früher,
je mehr das Wasser solche Theile mit sich führt. Sind letztere in dem Wasser we-
nig oder gar nicht enthalten, so dauert es, wenn man die Sache der Natur allein
überläßt, freilich lange. Es erzeugen sich dann durch die Hülfe des Wassers auf
dem Boden zuerst nur Flechten und Moose, welche in Fäulniß übergehn, und so
langsam den erforderlichen Humus bilden, welcher anderen Pflanzen Nahrung ge-
ben kann. Die Erfahrung hat es jedoch bewiesen, daß selbst gehaltloses Wasser
auf dem unfruchtbarsten Sandboden innerhalb zehn Jahren eine reichhaltige Gras-
narbe gebildet, und ihn bei fortdauernder Berieselung zu einer fruchtbaren Wiese

B b 2

Die Bewaͤſſerung.
kann, und zwar gerade in dem Maaße, in welchem ſie deren beduͤrfen. Die Be-
rieſelung wird zwar auch im Herbſte, Winter und Fruͤhjahr zur Beſchlammung
des Bodens gegeben, aber auch, nachdem die Vegetation begonnen und die Pflan-
zen emporgewachſen ſind, ſo oft und ſo lange wiederholt, als es die Witterung,
der Boden und die Pflanzenart erfordert. Man laͤßt das Waſſer zuweilen in der
Nacht noch uͤberrieſeln, wenn man am folgenden Morgen die Senſe anſetzen will,
um dem Graſe einen um ſo friſcheren Stand zu geben. Nach jedem heißen aus-
duͤrrenden Tage erquickt man das Gras durch einen naͤchtlichen Waſſerzulauf, und
ſetzt es in den Stand, von der Hitze der Tage den hoͤchſten Vortheil zu ziehen,
wenn dieſe auf unbewaͤſſertem Boden alles ſchmachten und verdorren laͤßt. Durch
dieſe Bewaͤſſerungsart allein kann ſich der Landwirth uͤber den Einfluß der Witte-
rung und des Klimas erheben. Denn ſo wie die der duͤrren heißen Tage, wird
auch die Schaͤdlichkeit der kalten Naͤchte und der Morgenreife dadurch uͤberwun-
den. Weil das Waſſer hierbei in einer beſtaͤndigen Bewegung iſt, ſo kann, wie
ſonſt bei heißer Witterung der Fall iſt, dieſes Waſſer keine Faͤulniß erregen, und
keine ungeſunden Ausduͤnſtungen. Das in dieſer Feuchtigkeit aufgewachſene Gras
bleibt allen Viehracen gedeihlich, und ſelbſt in ſeinem gruͤnen Zuſtande iſt es als
Weide — waͤhrend welcher natuͤrlich die Flaͤche trocken gelegt wird — dem Viehe
ganz unſchaͤdlich, welches ſonſt von dem an feuchten Orten gewachſenen Graſe ſo
leicht erkrankt. Durch eine zureichende und mit hinlaͤnglicher Aufmerkſamkeit
gegebene Berieſelung wird ſelbſt der unfruchtbarſte Sand zur hoͤchſten Produktion
gebracht, und paßt ſich manchmal gerade am beſten zum Wieſengrunde.

Der unfruchtbare und nahrungsloſe Boden wird mit der Zeit durch die Ueber-
rieſelung mit fruchtbaren Theilen beſchwaͤngert, und dies geſchiehet um ſo fruͤher,
je mehr das Waſſer ſolche Theile mit ſich fuͤhrt. Sind letztere in dem Waſſer we-
nig oder gar nicht enthalten, ſo dauert es, wenn man die Sache der Natur allein
uͤberlaͤßt, freilich lange. Es erzeugen ſich dann durch die Huͤlfe des Waſſers auf
dem Boden zuerſt nur Flechten und Mooſe, welche in Faͤulniß uͤbergehn, und ſo
langſam den erforderlichen Humus bilden, welcher anderen Pflanzen Nahrung ge-
ben kann. Die Erfahrung hat es jedoch bewieſen, daß ſelbſt gehaltloſes Waſſer
auf dem unfruchtbarſten Sandboden innerhalb zehn Jahren eine reichhaltige Gras-
narbe gebildet, und ihn bei fortdauernder Berieſelung zu einer fruchtbaren Wieſe

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[195/0217] Die Bewaͤſſerung. kann, und zwar gerade in dem Maaße, in welchem ſie deren beduͤrfen. Die Be- rieſelung wird zwar auch im Herbſte, Winter und Fruͤhjahr zur Beſchlammung des Bodens gegeben, aber auch, nachdem die Vegetation begonnen und die Pflan- zen emporgewachſen ſind, ſo oft und ſo lange wiederholt, als es die Witterung, der Boden und die Pflanzenart erfordert. Man laͤßt das Waſſer zuweilen in der Nacht noch uͤberrieſeln, wenn man am folgenden Morgen die Senſe anſetzen will, um dem Graſe einen um ſo friſcheren Stand zu geben. Nach jedem heißen aus- duͤrrenden Tage erquickt man das Gras durch einen naͤchtlichen Waſſerzulauf, und ſetzt es in den Stand, von der Hitze der Tage den hoͤchſten Vortheil zu ziehen, wenn dieſe auf unbewaͤſſertem Boden alles ſchmachten und verdorren laͤßt. Durch dieſe Bewaͤſſerungsart allein kann ſich der Landwirth uͤber den Einfluß der Witte- rung und des Klimas erheben. Denn ſo wie die der duͤrren heißen Tage, wird auch die Schaͤdlichkeit der kalten Naͤchte und der Morgenreife dadurch uͤberwun- den. Weil das Waſſer hierbei in einer beſtaͤndigen Bewegung iſt, ſo kann, wie ſonſt bei heißer Witterung der Fall iſt, dieſes Waſſer keine Faͤulniß erregen, und keine ungeſunden Ausduͤnſtungen. Das in dieſer Feuchtigkeit aufgewachſene Gras bleibt allen Viehracen gedeihlich, und ſelbſt in ſeinem gruͤnen Zuſtande iſt es als Weide — waͤhrend welcher natuͤrlich die Flaͤche trocken gelegt wird — dem Viehe ganz unſchaͤdlich, welches ſonſt von dem an feuchten Orten gewachſenen Graſe ſo leicht erkrankt. Durch eine zureichende und mit hinlaͤnglicher Aufmerkſamkeit gegebene Berieſelung wird ſelbſt der unfruchtbarſte Sand zur hoͤchſten Produktion gebracht, und paßt ſich manchmal gerade am beſten zum Wieſengrunde. Der unfruchtbare und nahrungsloſe Boden wird mit der Zeit durch die Ueber- rieſelung mit fruchtbaren Theilen beſchwaͤngert, und dies geſchiehet um ſo fruͤher, je mehr das Waſſer ſolche Theile mit ſich fuͤhrt. Sind letztere in dem Waſſer we- nig oder gar nicht enthalten, ſo dauert es, wenn man die Sache der Natur allein uͤberlaͤßt, freilich lange. Es erzeugen ſich dann durch die Huͤlfe des Waſſers auf dem Boden zuerſt nur Flechten und Mooſe, welche in Faͤulniß uͤbergehn, und ſo langſam den erforderlichen Humus bilden, welcher anderen Pflanzen Nahrung ge- ben kann. Die Erfahrung hat es jedoch bewieſen, daß ſelbſt gehaltloſes Waſſer auf dem unfruchtbarſten Sandboden innerhalb zehn Jahren eine reichhaltige Gras- narbe gebildet, und ihn bei fortdauernder Berieſelung zu einer fruchtbaren Wieſe B b 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/217>, abgerufen am 29.03.2024.