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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Hülsenfrüchte.
Die Hülsenfrüchte.
§. 120.

Der Bau der Hülsen- oder Schootenfrüchte -- denn in der landwirthschaft-Nährende
Bestandtheile
dieser Früchte.

lichen Sprache unterscheidet man beides bisher nicht -- ist ohne Zweifel so alt,
als der Bau des eigentlichen Getreides, weil Instinkt und Erfahrung die Menschen
lehrte, daß sie nichts nahrhafteres, der Natur des thierischen Körpers angemesse-
neres und zugleich ergiebigeres bauen könnten, wie diese Früchte.

Die Hülsenfrüchte enthalten eine große Menge von derjenigen Substanz, die
unser Einhof zuerst unter dem Namen der thierisch-vegetabilischen Sub-
stanz der Hülsenfrüchte darstellte. Sie ist der thierischen Materie sehr nahe ver-
wandt, und wenigstens eben so narhrhaft, wie der Gluten. Und da die Menge der-
selben in den Hülsenfrüchten überwiegend ist, so besitzen diese eine größere nährende
Kraft, wie die Getreidearten. Man hat es längst nach allgemeiner auf Empfin-
dung beruhender Erfahrung gewußt, daß Linsen, Erbsen, Bohnen, nicht nur sät-
tigender sind, länger vorhalten und dem Körper mehr Kraft geben, als alle andre
vegetabilische Produkte. Sie ersetzen dem arbeitenden Manne das Fleisch, welches
er nicht häufig genießen kann, und es ist als ob ein besonderer Trieb denselben
aufforderte, dem Körper durch ihren Genuß das zu ersetzen, was besonders Rocken
und Kartoffeln ihm nicht geben kann. Deshalb sind sie dem stark arbeitenden
gemeinen Manne bei uns, und noch mehr dem Matrosen, ein unentbehrliches Be-
dürfniß, und er ist nicht zufrieden, wenn er nicht wöchentlich ein Paar Mal eine
Mahlzeit davon haben kann. Was die Erfahrung also längst lehrte, ist durch die
chemische Untersuchung nur bestätigt worden, und beide stimmen vollkommen darin
überein, daß die Hülsenfrüchte das nahrhafteste sind, was das Pflanzenreich in un-
serm Klima liefert.

Im gleichen Verhältnisse würde das völlig ausgesogene Stroh der Hülsenfrüchte
gegen das Stroh des Getreides stehen. Da aber das Stroh, besonders der ran-
kenden Hülsenfrüchte, selten so stark wie das Getreidestroh durch die reifenden
Früchte ausgesogen wird, sondern noch Saft und Leben behält, wenn wir es ab-
ernten; so ist es um so nahrhafter. Auch überwiegt das vor Ansatz der Früchte
gemähete Kraut dieser Gewächse das Gras der Getreidearten an Nahrungskraft.


Huͤlſenfruͤchte.
Die Huͤlſenfruͤchte.
§. 120.

Der Bau der Huͤlſen- oder Schootenfruͤchte — denn in der landwirthſchaft-Naͤhrende
Beſtandtheile
dieſer Fruͤchte.

lichen Sprache unterſcheidet man beides bisher nicht — iſt ohne Zweifel ſo alt,
als der Bau des eigentlichen Getreides, weil Inſtinkt und Erfahrung die Menſchen
lehrte, daß ſie nichts nahrhafteres, der Natur des thieriſchen Koͤrpers angemeſſe-
neres und zugleich ergiebigeres bauen koͤnnten, wie dieſe Fruͤchte.

Die Huͤlſenfruͤchte enthalten eine große Menge von derjenigen Subſtanz, die
unſer Einhof zuerſt unter dem Namen der thieriſch-vegetabiliſchen Sub-
ſtanz der Huͤlſenfruͤchte darſtellte. Sie iſt der thieriſchen Materie ſehr nahe ver-
wandt, und wenigſtens eben ſo narhrhaft, wie der Gluten. Und da die Menge der-
ſelben in den Huͤlſenfruͤchten uͤberwiegend iſt, ſo beſitzen dieſe eine groͤßere naͤhrende
Kraft, wie die Getreidearten. Man hat es laͤngſt nach allgemeiner auf Empfin-
dung beruhender Erfahrung gewußt, daß Linſen, Erbſen, Bohnen, nicht nur ſaͤt-
tigender ſind, laͤnger vorhalten und dem Koͤrper mehr Kraft geben, als alle andre
vegetabiliſche Produkte. Sie erſetzen dem arbeitenden Manne das Fleiſch, welches
er nicht haͤufig genießen kann, und es iſt als ob ein beſonderer Trieb denſelben
aufforderte, dem Koͤrper durch ihren Genuß das zu erſetzen, was beſonders Rocken
und Kartoffeln ihm nicht geben kann. Deshalb ſind ſie dem ſtark arbeitenden
gemeinen Manne bei uns, und noch mehr dem Matroſen, ein unentbehrliches Be-
duͤrfniß, und er iſt nicht zufrieden, wenn er nicht woͤchentlich ein Paar Mal eine
Mahlzeit davon haben kann. Was die Erfahrung alſo laͤngſt lehrte, iſt durch die
chemiſche Unterſuchung nur beſtaͤtigt worden, und beide ſtimmen vollkommen darin
uͤberein, daß die Huͤlſenfruͤchte das nahrhafteſte ſind, was das Pflanzenreich in un-
ſerm Klima liefert.

Im gleichen Verhaͤltniſſe wuͤrde das voͤllig ausgeſogene Stroh der Huͤlſenfruͤchte
gegen das Stroh des Getreides ſtehen. Da aber das Stroh, beſonders der ran-
kenden Huͤlſenfruͤchte, ſelten ſo ſtark wie das Getreideſtroh durch die reifenden
Fruͤchte ausgeſogen wird, ſondern noch Saft und Leben behaͤlt, wenn wir es ab-
ernten; ſo iſt es um ſo nahrhafter. Auch uͤberwiegt das vor Anſatz der Fruͤchte
gemaͤhete Kraut dieſer Gewaͤchſe das Gras der Getreidearten an Nahrungskraft.


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[109/0133] Huͤlſenfruͤchte. Die Huͤlſenfruͤchte. §. 120. Der Bau der Huͤlſen- oder Schootenfruͤchte — denn in der landwirthſchaft- lichen Sprache unterſcheidet man beides bisher nicht — iſt ohne Zweifel ſo alt, als der Bau des eigentlichen Getreides, weil Inſtinkt und Erfahrung die Menſchen lehrte, daß ſie nichts nahrhafteres, der Natur des thieriſchen Koͤrpers angemeſſe- neres und zugleich ergiebigeres bauen koͤnnten, wie dieſe Fruͤchte. Naͤhrende Beſtandtheile dieſer Fruͤchte. Die Huͤlſenfruͤchte enthalten eine große Menge von derjenigen Subſtanz, die unſer Einhof zuerſt unter dem Namen der thieriſch-vegetabiliſchen Sub- ſtanz der Huͤlſenfruͤchte darſtellte. Sie iſt der thieriſchen Materie ſehr nahe ver- wandt, und wenigſtens eben ſo narhrhaft, wie der Gluten. Und da die Menge der- ſelben in den Huͤlſenfruͤchten uͤberwiegend iſt, ſo beſitzen dieſe eine groͤßere naͤhrende Kraft, wie die Getreidearten. Man hat es laͤngſt nach allgemeiner auf Empfin- dung beruhender Erfahrung gewußt, daß Linſen, Erbſen, Bohnen, nicht nur ſaͤt- tigender ſind, laͤnger vorhalten und dem Koͤrper mehr Kraft geben, als alle andre vegetabiliſche Produkte. Sie erſetzen dem arbeitenden Manne das Fleiſch, welches er nicht haͤufig genießen kann, und es iſt als ob ein beſonderer Trieb denſelben aufforderte, dem Koͤrper durch ihren Genuß das zu erſetzen, was beſonders Rocken und Kartoffeln ihm nicht geben kann. Deshalb ſind ſie dem ſtark arbeitenden gemeinen Manne bei uns, und noch mehr dem Matroſen, ein unentbehrliches Be- duͤrfniß, und er iſt nicht zufrieden, wenn er nicht woͤchentlich ein Paar Mal eine Mahlzeit davon haben kann. Was die Erfahrung alſo laͤngſt lehrte, iſt durch die chemiſche Unterſuchung nur beſtaͤtigt worden, und beide ſtimmen vollkommen darin uͤberein, daß die Huͤlſenfruͤchte das nahrhafteſte ſind, was das Pflanzenreich in un- ſerm Klima liefert. Im gleichen Verhaͤltniſſe wuͤrde das voͤllig ausgeſogene Stroh der Huͤlſenfruͤchte gegen das Stroh des Getreides ſtehen. Da aber das Stroh, beſonders der ran- kenden Huͤlſenfruͤchte, ſelten ſo ſtark wie das Getreideſtroh durch die reifenden Fruͤchte ausgeſogen wird, ſondern noch Saft und Leben behaͤlt, wenn wir es ab- ernten; ſo iſt es um ſo nahrhafter. Auch uͤberwiegt das vor Anſatz der Fruͤchte gemaͤhete Kraut dieſer Gewaͤchſe das Gras der Getreidearten an Nahrungskraft.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/133>, abgerufen am 19.04.2024.