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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Getreidearten.
kümmerliches Ansehen, die bestaudete hatte alle ihre Blätter verloren, die an-
fangs weiß, nachher halb verfault auf dem Acker lagen; von den jüngern sahe
man gar nichts. Auch dauerte es mit dem Rocken bis zu Ende Aprils, mit
dem Weizen bis zu Ende Mays, ehe er frische grüne Triebe zeigte. Denn der
Frost war über 3 Fuß tief in die Erde gedrungen, und zog allen Wärmestoff
an, den die Atmosphäre absetzte. Dann aber trieben die Pflanzen schnell und
kräftig wieder aus. Nur wo der Boden Risse bekommen hatte, in welchen man
das Bein zu brechen Gefahr lief, gab es Fehlstellen, die sich aber doch ziemlich
wieder ausglichen; und dann war der Rocken auf Sandrücken weg, wo er sich
nicht vor Winter bestaudet hatte, der strenge Ostwind mit dem Sande spielte,
und die Wurzeln völlig entblößte.

Unter einer Schneedecke hält sich die Saat freylich immer besser, besonders
wenn die Oberfläche bevor der Schnee fällt, etwas erstarrt ist. Sie wächst dann
darunter fort, und die kurz zuvor eingebrachte kommt darunter heraus. Der
Winterfrost mag so strenge und so anhaltend seyn, wie er wolle, so leidet die
bedeckte Saat nicht dabei, und die strengsten Winter haben fast immer die stärk-
sten Winterungsernten zur Folge gehabt. Gelinde und sehr wechselnde Winter
sind ihr auf feuchtem Boden gefährlicher; aber diese Gefahr wird durch gute
Abwässerung auch gehoben. Jeboch kann sie es durchaus nicht ertragen, daß
der Schnee zusammen gepreßt werde, und wo auf hohem Schnee ein Fahrweg
oder Fußsteig darüber gemacht worden, gehet sie größtentheils weg.

§. 21.

Austritt aus
dem Winter.
Weit gefährlicher, und die gefährlichste unter allen, ist die Periode des
Aufgehens des Schnees und Frostes für die Saat. Sie kann ersäuft werden,
wenn der Schnee schnell mit Regen aufgehet, das Wasser in Kesseln gar keinen
Abzug hat oder die Graben von gefrornem Schnee so voll sind, daß man sie
nicht zum Zuge bringen kann. Hier rettet oft die größte Thätigkeit des Land-
wirths nur, wenn er mit allen Kräften den Abzug herzustellen sucht; zuweilen
aber ist es unmöglich. Auf durchlassendem Boden kann man zuweilen hoffen,
daß das Wasser einziehen werde, bevor die Pflanze erstickt wird; aber nicht
wenn der Frost tief in den Untergrund eingedrungen ist.


Getreidearten.
kuͤmmerliches Anſehen, die beſtaudete hatte alle ihre Blaͤtter verloren, die an-
fangs weiß, nachher halb verfault auf dem Acker lagen; von den juͤngern ſahe
man gar nichts. Auch dauerte es mit dem Rocken bis zu Ende Aprils, mit
dem Weizen bis zu Ende Mays, ehe er friſche gruͤne Triebe zeigte. Denn der
Froſt war uͤber 3 Fuß tief in die Erde gedrungen, und zog allen Waͤrmeſtoff
an, den die Atmoſphaͤre abſetzte. Dann aber trieben die Pflanzen ſchnell und
kraͤftig wieder aus. Nur wo der Boden Riſſe bekommen hatte, in welchen man
das Bein zu brechen Gefahr lief, gab es Fehlſtellen, die ſich aber doch ziemlich
wieder ausglichen; und dann war der Rocken auf Sandruͤcken weg, wo er ſich
nicht vor Winter beſtaudet hatte, der ſtrenge Oſtwind mit dem Sande ſpielte,
und die Wurzeln voͤllig entbloͤßte.

Unter einer Schneedecke haͤlt ſich die Saat freylich immer beſſer, beſonders
wenn die Oberflaͤche bevor der Schnee faͤllt, etwas erſtarrt iſt. Sie waͤchſt dann
darunter fort, und die kurz zuvor eingebrachte kommt darunter heraus. Der
Winterfroſt mag ſo ſtrenge und ſo anhaltend ſeyn, wie er wolle, ſo leidet die
bedeckte Saat nicht dabei, und die ſtrengſten Winter haben faſt immer die ſtaͤrk-
ſten Winterungsernten zur Folge gehabt. Gelinde und ſehr wechſelnde Winter
ſind ihr auf feuchtem Boden gefaͤhrlicher; aber dieſe Gefahr wird durch gute
Abwaͤſſerung auch gehoben. Jeboch kann ſie es durchaus nicht ertragen, daß
der Schnee zuſammen gepreßt werde, und wo auf hohem Schnee ein Fahrweg
oder Fußſteig daruͤber gemacht worden, gehet ſie groͤßtentheils weg.

§. 21.

Austritt aus
dem Winter.
Weit gefaͤhrlicher, und die gefaͤhrlichſte unter allen, iſt die Periode des
Aufgehens des Schnees und Froſtes fuͤr die Saat. Sie kann erſaͤuft werden,
wenn der Schnee ſchnell mit Regen aufgehet, das Waſſer in Keſſeln gar keinen
Abzug hat oder die Graben von gefrornem Schnee ſo voll ſind, daß man ſie
nicht zum Zuge bringen kann. Hier rettet oft die groͤßte Thaͤtigkeit des Land-
wirths nur, wenn er mit allen Kraͤften den Abzug herzuſtellen ſucht; zuweilen
aber iſt es unmoͤglich. Auf durchlaſſendem Boden kann man zuweilen hoffen,
daß das Waſſer einziehen werde, bevor die Pflanze erſtickt wird; aber nicht
wenn der Froſt tief in den Untergrund eingedrungen iſt.


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[30/0054] Getreidearten. kuͤmmerliches Anſehen, die beſtaudete hatte alle ihre Blaͤtter verloren, die an- fangs weiß, nachher halb verfault auf dem Acker lagen; von den juͤngern ſahe man gar nichts. Auch dauerte es mit dem Rocken bis zu Ende Aprils, mit dem Weizen bis zu Ende Mays, ehe er friſche gruͤne Triebe zeigte. Denn der Froſt war uͤber 3 Fuß tief in die Erde gedrungen, und zog allen Waͤrmeſtoff an, den die Atmoſphaͤre abſetzte. Dann aber trieben die Pflanzen ſchnell und kraͤftig wieder aus. Nur wo der Boden Riſſe bekommen hatte, in welchen man das Bein zu brechen Gefahr lief, gab es Fehlſtellen, die ſich aber doch ziemlich wieder ausglichen; und dann war der Rocken auf Sandruͤcken weg, wo er ſich nicht vor Winter beſtaudet hatte, der ſtrenge Oſtwind mit dem Sande ſpielte, und die Wurzeln voͤllig entbloͤßte. Unter einer Schneedecke haͤlt ſich die Saat freylich immer beſſer, beſonders wenn die Oberflaͤche bevor der Schnee faͤllt, etwas erſtarrt iſt. Sie waͤchſt dann darunter fort, und die kurz zuvor eingebrachte kommt darunter heraus. Der Winterfroſt mag ſo ſtrenge und ſo anhaltend ſeyn, wie er wolle, ſo leidet die bedeckte Saat nicht dabei, und die ſtrengſten Winter haben faſt immer die ſtaͤrk- ſten Winterungsernten zur Folge gehabt. Gelinde und ſehr wechſelnde Winter ſind ihr auf feuchtem Boden gefaͤhrlicher; aber dieſe Gefahr wird durch gute Abwaͤſſerung auch gehoben. Jeboch kann ſie es durchaus nicht ertragen, daß der Schnee zuſammen gepreßt werde, und wo auf hohem Schnee ein Fahrweg oder Fußſteig daruͤber gemacht worden, gehet ſie groͤßtentheils weg. §. 21. Weit gefaͤhrlicher, und die gefaͤhrlichſte unter allen, iſt die Periode des Aufgehens des Schnees und Froſtes fuͤr die Saat. Sie kann erſaͤuft werden, wenn der Schnee ſchnell mit Regen aufgehet, das Waſſer in Keſſeln gar keinen Abzug hat oder die Graben von gefrornem Schnee ſo voll ſind, daß man ſie nicht zum Zuge bringen kann. Hier rettet oft die groͤßte Thaͤtigkeit des Land- wirths nur, wenn er mit allen Kraͤften den Abzug herzuſtellen ſucht; zuweilen aber iſt es unmoͤglich. Auf durchlaſſendem Boden kann man zuweilen hoffen, daß das Waſſer einziehen werde, bevor die Pflanze erſtickt wird; aber nicht wenn der Froſt tief in den Untergrund eingedrungen iſt. Austritt aus dem Winter.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/54>, abgerufen am 29.03.2024.