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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Viehzucht.
§. 1.

Wir verstehen unter Viehzucht nicht bloß die Auferziehung des Viehes, son-
dern im Allgemeinen die Haltung desselben, wenn sie auch mit keiner Aufzucht
verbunden wäre.

Ueber die Nothwendigkeit der Verbindung der Viehzucht mit dem Acker-
bau und das Verhältniß beider zu einander, ist im ersten Bande geredet. Es
giebt nur seltene Ausnahmen, wo diese Verbindung minder nothwendig wird,
wo man nämlich zureichenden Mist erkaufen kann, oder wo man fremdes Vieh
auf den Hof nimmt, entweder gegen bestimmtes Kostgeld, oder wo man eine
gewisse Quantität gewonnenen Futters an Viehhälter verkauft, unter der Be-
dingung, daß sie es von einer ihnen beliebigen Kopfzahl Vieh auf dem Hofe
unter ihrer Aufsicht verzehren lassen. Die letzte Einrichtung hat für den Acker-
bauer große Bequemlichkeit, und findet in manchen Gegenden Englands statt,
wo das aus Schottland kommende Vieh auf den Pachthöfen gemästet wird;
so wie auch in der Schweiz, wo das Milchvieh im Winter von den Alpenwei-
den herabkommt, und in den niedrigern Gegenden durchgewintert wird. Diese
Einrichtung ist selten in andren Gegenden nachzuahmen.

Die oft verhandelte Frage: ob bei dem Ackerbau oder bei der Viehzucht
mehr Vortheil sey, und ob man diese oder jene deshalb mehr betreiben müsse,
kann im Allgemeinen nicht beantwortet werden. Der baare Vortheil aus der
Viehzucht ist größer oder geringer, je nachdem bei kultivirten Nationen der
Wohlstand im Steigen oder Fallen ist, weil die Konsumtion thierischer Pro-
dukte mit der Zunahme desselben gleich stärker wird. Jedoch kann auch eine
stärkere Exportation eines thierischen Produkts, die von der anerkannten Güte
der Waare herrührt, den Preis erhöhen, wie das z. B. in Hollstein mit der

Vierter Theil. P p
Die Viehzucht.
§. 1.

Wir verſtehen unter Viehzucht nicht bloß die Auferziehung des Viehes, ſon-
dern im Allgemeinen die Haltung deſſelben, wenn ſie auch mit keiner Aufzucht
verbunden waͤre.

Ueber die Nothwendigkeit der Verbindung der Viehzucht mit dem Acker-
bau und das Verhaͤltniß beider zu einander, iſt im erſten Bande geredet. Es
giebt nur ſeltene Ausnahmen, wo dieſe Verbindung minder nothwendig wird,
wo man naͤmlich zureichenden Miſt erkaufen kann, oder wo man fremdes Vieh
auf den Hof nimmt, entweder gegen beſtimmtes Koſtgeld, oder wo man eine
gewiſſe Quantitaͤt gewonnenen Futters an Viehhaͤlter verkauft, unter der Be-
dingung, daß ſie es von einer ihnen beliebigen Kopfzahl Vieh auf dem Hofe
unter ihrer Aufſicht verzehren laſſen. Die letzte Einrichtung hat fuͤr den Acker-
bauer große Bequemlichkeit, und findet in manchen Gegenden Englands ſtatt,
wo das aus Schottland kommende Vieh auf den Pachthoͤfen gemaͤſtet wird;
ſo wie auch in der Schweiz, wo das Milchvieh im Winter von den Alpenwei-
den herabkommt, und in den niedrigern Gegenden durchgewintert wird. Dieſe
Einrichtung iſt ſelten in andren Gegenden nachzuahmen.

Die oft verhandelte Frage: ob bei dem Ackerbau oder bei der Viehzucht
mehr Vortheil ſey, und ob man dieſe oder jene deshalb mehr betreiben muͤſſe,
kann im Allgemeinen nicht beantwortet werden. Der baare Vortheil aus der
Viehzucht iſt groͤßer oder geringer, je nachdem bei kultivirten Nationen der
Wohlſtand im Steigen oder Fallen iſt, weil die Konſumtion thieriſcher Pro-
dukte mit der Zunahme deſſelben gleich ſtaͤrker wird. Jedoch kann auch eine
ſtaͤrkere Exportation eines thieriſchen Produkts, die von der anerkannten Guͤte
der Waare herruͤhrt, den Preis erhoͤhen, wie das z. B. in Hollſtein mit der

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[[297]/0321] Die Viehzucht. §. 1. Wir verſtehen unter Viehzucht nicht bloß die Auferziehung des Viehes, ſon- dern im Allgemeinen die Haltung deſſelben, wenn ſie auch mit keiner Aufzucht verbunden waͤre. Ueber die Nothwendigkeit der Verbindung der Viehzucht mit dem Acker- bau und das Verhaͤltniß beider zu einander, iſt im erſten Bande geredet. Es giebt nur ſeltene Ausnahmen, wo dieſe Verbindung minder nothwendig wird, wo man naͤmlich zureichenden Miſt erkaufen kann, oder wo man fremdes Vieh auf den Hof nimmt, entweder gegen beſtimmtes Koſtgeld, oder wo man eine gewiſſe Quantitaͤt gewonnenen Futters an Viehhaͤlter verkauft, unter der Be- dingung, daß ſie es von einer ihnen beliebigen Kopfzahl Vieh auf dem Hofe unter ihrer Aufſicht verzehren laſſen. Die letzte Einrichtung hat fuͤr den Acker- bauer große Bequemlichkeit, und findet in manchen Gegenden Englands ſtatt, wo das aus Schottland kommende Vieh auf den Pachthoͤfen gemaͤſtet wird; ſo wie auch in der Schweiz, wo das Milchvieh im Winter von den Alpenwei- den herabkommt, und in den niedrigern Gegenden durchgewintert wird. Dieſe Einrichtung iſt ſelten in andren Gegenden nachzuahmen. Die oft verhandelte Frage: ob bei dem Ackerbau oder bei der Viehzucht mehr Vortheil ſey, und ob man dieſe oder jene deshalb mehr betreiben muͤſſe, kann im Allgemeinen nicht beantwortet werden. Der baare Vortheil aus der Viehzucht iſt groͤßer oder geringer, je nachdem bei kultivirten Nationen der Wohlſtand im Steigen oder Fallen iſt, weil die Konſumtion thieriſcher Pro- dukte mit der Zunahme deſſelben gleich ſtaͤrker wird. Jedoch kann auch eine ſtaͤrkere Exportation eines thieriſchen Produkts, die von der anerkannten Guͤte der Waare herruͤhrt, den Preis erhoͤhen, wie das z. B. in Hollſtein mit der Vierter Theil. P p

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. [297]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/321>, abgerufen am 28.03.2024.