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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schweinezucht.
es im Sommer an einer, den Schweinen angemessenen und zureichenden Weide
auch an anderen grünem Nebenfutter fehlt. Ferner wird sie da minder rath-
sam seyn, wo aus anderen weniger kultivirten Gegenden viele Schweine her-
beigetrieben werden und man Gelegenheit hat, solche sehr wohlfeil zu kaufen.
Eben so wenig in der Nähe großer Städte, wo man nicht nur frische Milch und
selbst Molkerei-Abfälle, sondern auch Kartoffeln und andere Brachfrüchte unmit-
telbar vortheilhafter zu Gelde machen kann.

Vortheilhaft wird dagegen die Schweinezucht, wo ein starker Kartoffeln- und
Rübenbau zur Viehfütterung betrieben wird, oder viel Unkrautgesäme und leichte
Körner unter dem Getreide sind, und wo es für den Sommer bruchige und feuchte
Weiden, welche für die Schaafe nicht benutzt werden können, giebt. Ferner wo
beträchtliche Molkereien, die ihre Abfälle auf keine andere Weise vortheilhafter
benutzen können, dann auch ansehnliche Brau- und Branntweinbrennereien vor-
handen sind; besonders wenn keine sehr wohlfeile Verkaufsschweine aus anderen
Gegenden herbeigetrieben werden und also die erzogenen Schweine, mager oder fett,
gut absetzbar sind, oder auch Gelegenheit zum Handel mit eingesalzenem Fleische,
mit Speck und Schinken nach fernen Gegenden sich findet.

Es giebt aber vielleicht keinen Zweig der Viehzucht, dessen Vortheil von
einem Jahre zum andern, zumal in gewissen Gegenden, so veränderlich ist wie
dieser. Der Preis der Schweine fällt da innerhalb zwei Jahren oft um die Hälfte
herab und steigt auf das Doppelte; welches darin seinen Grund hat, daß dieser
Viehstapel so schnell vermehrt und wieder vermindert werden kann. Wenn die
Schweinezucht sich der guten Preise wegen vermehrt hat und die Kornpreise dage-
gen etwas steigen, so wird der Markt damit überfüllt, weil sich jeder von seinem
Ueberflusse loszumachen sucht. Man berechnet sich, daß besonders das Korn-
futter durch den Verkaufspreis der Schweine kaum bezahlt werde, und sucht alle
junge Schweine schnell zu verkaufen. Nach einem Jahre hat sich der Schweine-
stand in allen Wirthschaften der Gegend beträchtlich vermindert und der Preis steigt
auf den Märkten. Jedermann will nun für seinen Hausbedarf Schweine haben,
und überbietet den andern, und so wird der Preis im zweiten Jahre nachher oft
ins enorme getrieben. Ich erinnere mich, daß Faselschweine, die man zwei Jahre
früher kaum für 3 Rthl. verkaufen konnte, nun 10 bis 12 Rthl. galten, ohne daß

Die Schweinezucht.
es im Sommer an einer, den Schweinen angemeſſenen und zureichenden Weide
auch an anderen gruͤnem Nebenfutter fehlt. Ferner wird ſie da minder rath-
ſam ſeyn, wo aus anderen weniger kultivirten Gegenden viele Schweine her-
beigetrieben werden und man Gelegenheit hat, ſolche ſehr wohlfeil zu kaufen.
Eben ſo wenig in der Naͤhe großer Staͤdte, wo man nicht nur friſche Milch und
ſelbſt Molkerei-Abfaͤlle, ſondern auch Kartoffeln und andere Brachfruͤchte unmit-
telbar vortheilhafter zu Gelde machen kann.

Vortheilhaft wird dagegen die Schweinezucht, wo ein ſtarker Kartoffeln- und
Ruͤbenbau zur Viehfuͤtterung betrieben wird, oder viel Unkrautgeſaͤme und leichte
Koͤrner unter dem Getreide ſind, und wo es fuͤr den Sommer bruchige und feuchte
Weiden, welche fuͤr die Schaafe nicht benutzt werden koͤnnen, giebt. Ferner wo
betraͤchtliche Molkereien, die ihre Abfaͤlle auf keine andere Weiſe vortheilhafter
benutzen koͤnnen, dann auch anſehnliche Brau- und Branntweinbrennereien vor-
handen ſind; beſonders wenn keine ſehr wohlfeile Verkaufsſchweine aus anderen
Gegenden herbeigetrieben werden und alſo die erzogenen Schweine, mager oder fett,
gut abſetzbar ſind, oder auch Gelegenheit zum Handel mit eingeſalzenem Fleiſche,
mit Speck und Schinken nach fernen Gegenden ſich findet.

Es giebt aber vielleicht keinen Zweig der Viehzucht, deſſen Vortheil von
einem Jahre zum andern, zumal in gewiſſen Gegenden, ſo veraͤnderlich iſt wie
dieſer. Der Preis der Schweine faͤllt da innerhalb zwei Jahren oft um die Haͤlfte
herab und ſteigt auf das Doppelte; welches darin ſeinen Grund hat, daß dieſer
Viehſtapel ſo ſchnell vermehrt und wieder vermindert werden kann. Wenn die
Schweinezucht ſich der guten Preiſe wegen vermehrt hat und die Kornpreiſe dage-
gen etwas ſteigen, ſo wird der Markt damit uͤberfuͤllt, weil ſich jeder von ſeinem
Ueberfluſſe loszumachen ſucht. Man berechnet ſich, daß beſonders das Korn-
futter durch den Verkaufspreis der Schweine kaum bezahlt werde, und ſucht alle
junge Schweine ſchnell zu verkaufen. Nach einem Jahre hat ſich der Schweine-
ſtand in allen Wirthſchaften der Gegend betraͤchtlich vermindert und der Preis ſteigt
auf den Maͤrkten. Jedermann will nun fuͤr ſeinen Hausbedarf Schweine haben,
und uͤberbietet den andern, und ſo wird der Preis im zweiten Jahre nachher oft
ins enorme getrieben. Ich erinnere mich, daß Faſelſchweine, die man zwei Jahre
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[374/0398] Die Schweinezucht. es im Sommer an einer, den Schweinen angemeſſenen und zureichenden Weide auch an anderen gruͤnem Nebenfutter fehlt. Ferner wird ſie da minder rath- ſam ſeyn, wo aus anderen weniger kultivirten Gegenden viele Schweine her- beigetrieben werden und man Gelegenheit hat, ſolche ſehr wohlfeil zu kaufen. Eben ſo wenig in der Naͤhe großer Staͤdte, wo man nicht nur friſche Milch und ſelbſt Molkerei-Abfaͤlle, ſondern auch Kartoffeln und andere Brachfruͤchte unmit- telbar vortheilhafter zu Gelde machen kann. Vortheilhaft wird dagegen die Schweinezucht, wo ein ſtarker Kartoffeln- und Ruͤbenbau zur Viehfuͤtterung betrieben wird, oder viel Unkrautgeſaͤme und leichte Koͤrner unter dem Getreide ſind, und wo es fuͤr den Sommer bruchige und feuchte Weiden, welche fuͤr die Schaafe nicht benutzt werden koͤnnen, giebt. Ferner wo betraͤchtliche Molkereien, die ihre Abfaͤlle auf keine andere Weiſe vortheilhafter benutzen koͤnnen, dann auch anſehnliche Brau- und Branntweinbrennereien vor- handen ſind; beſonders wenn keine ſehr wohlfeile Verkaufsſchweine aus anderen Gegenden herbeigetrieben werden und alſo die erzogenen Schweine, mager oder fett, gut abſetzbar ſind, oder auch Gelegenheit zum Handel mit eingeſalzenem Fleiſche, mit Speck und Schinken nach fernen Gegenden ſich findet. Es giebt aber vielleicht keinen Zweig der Viehzucht, deſſen Vortheil von einem Jahre zum andern, zumal in gewiſſen Gegenden, ſo veraͤnderlich iſt wie dieſer. Der Preis der Schweine faͤllt da innerhalb zwei Jahren oft um die Haͤlfte herab und ſteigt auf das Doppelte; welches darin ſeinen Grund hat, daß dieſer Viehſtapel ſo ſchnell vermehrt und wieder vermindert werden kann. Wenn die Schweinezucht ſich der guten Preiſe wegen vermehrt hat und die Kornpreiſe dage- gen etwas ſteigen, ſo wird der Markt damit uͤberfuͤllt, weil ſich jeder von ſeinem Ueberfluſſe loszumachen ſucht. Man berechnet ſich, daß beſonders das Korn- futter durch den Verkaufspreis der Schweine kaum bezahlt werde, und ſucht alle junge Schweine ſchnell zu verkaufen. Nach einem Jahre hat ſich der Schweine- ſtand in allen Wirthſchaften der Gegend betraͤchtlich vermindert und der Preis ſteigt auf den Maͤrkten. Jedermann will nun fuͤr ſeinen Hausbedarf Schweine haben, und uͤberbietet den andern, und ſo wird der Preis im zweiten Jahre nachher oft ins enorme getrieben. Ich erinnere mich, daß Faſelſchweine, die man zwei Jahre fruͤher kaum fuͤr 3 Rthl. verkaufen konnte, nun 10 bis 12 Rthl. galten, ohne daß

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/398>, abgerufen am 28.03.2024.