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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.
Winterkälte den Lämmern schaden könne, ist durch Erfahrung ziemlich beseitigt.
Manche gute Schaafzüchter haben die Lammzeit schon bis in den Dezember vorgerückt.

§. 107.

Die Böcke, welche bis vor der Springzeit von den Müttern durchaus ab-
gesondert und unter dem Hammelhaufen gehalten werden müssen, läßt man nun,
nachdem sie schon vorher kräftig gefüttert worden, unter die Heerde. Wenn man
nicht eine Auswahl in der Begattung der Individuen zu machen hat, so scheint
kein Grund vorhanden zu seyn, sie bei Tage abzusondern und nur des Nachts
beizulassen. Will man indessen gewisse Schaafe nur von gewissen Widdern be-
springen lassen, so ist das Verfahren zu beobachten, was ich in dem Handbuche
für veredelte Schaafzucht S. 47. u. f. angegeben habe. Wenn die Springzeit,
welche etwa 4 Wochen dauert, vorüber ist, so sondert man die Widder am
besten wieder ab.

§. 108.

Zu Anfange der Trächtigkeit wind sich das Schaaf mit einer etwas spärliche-Lammzeit.
ren Weide oder Fütterung begnügen; so wie aber die Trächtigkeit zunimmt, muß
es reichlicher genähret werden. Je höher die Trächtigkeit steigt, desto sanfter
müssen die Schaafe behandelt, durchaus nicht vom Hunde gehetzt und mit Vor-
sicht aus und in den Stall gelassen werden, damit sie sich in der Thür nicht drän-
gen und pressen.

In der Lammzeit erfordern die Schaafe die höchste Aufmerksamkeit. Die
Zeichen des herannahenden Lammens sind das Aufschwellen der Geburtstheile,
der Ausfluß einer schleimigen Feuchtigkeit, Anschwellung des Euters und Milch-
erzeugung. Das Lammen wird in der Regel dem Schaafe nicht schwer, aber
es geht oft langsam damit, und man muß nur der Natur durch unzeitige Hülfe
nicht voreilen wollen. Die Hülfe kann nur Statt finden, wenn eine falsche Lage
des ganzen Lammes oder eines Theils in der Mutter entstanden ist, welches im
Ganzen bei gut gehaltenen Schaafen selten vorkommt. Um diese Hülfe aber an-
zubringen, ist eine vollständige Kenntniß von der natürlichen und abweichenden
Lage des Lammes und von der Art, wie man die letztere in erstere verwandeln
könne, durchaus nöthig, und ohne selbige wird man durch jede Hülfe öfterer
schaden als nutzen.


E e e 2

Die Schaafzucht.
Winterkaͤlte den Laͤmmern ſchaden koͤnne, iſt durch Erfahrung ziemlich beſeitigt.
Manche gute Schaafzuͤchter haben die Lammzeit ſchon bis in den Dezember vorgeruͤckt.

§. 107.

Die Boͤcke, welche bis vor der Springzeit von den Muͤttern durchaus ab-
geſondert und unter dem Hammelhaufen gehalten werden muͤſſen, laͤßt man nun,
nachdem ſie ſchon vorher kraͤftig gefuͤttert worden, unter die Heerde. Wenn man
nicht eine Auswahl in der Begattung der Individuen zu machen hat, ſo ſcheint
kein Grund vorhanden zu ſeyn, ſie bei Tage abzuſondern und nur des Nachts
beizulaſſen. Will man indeſſen gewiſſe Schaafe nur von gewiſſen Widdern be-
ſpringen laſſen, ſo iſt das Verfahren zu beobachten, was ich in dem Handbuche
fuͤr veredelte Schaafzucht S. 47. u. f. angegeben habe. Wenn die Springzeit,
welche etwa 4 Wochen dauert, voruͤber iſt, ſo ſondert man die Widder am
beſten wieder ab.

§. 108.

Zu Anfange der Traͤchtigkeit wind ſich das Schaaf mit einer etwas ſpaͤrliche-Lammzeit.
ren Weide oder Fuͤtterung begnuͤgen; ſo wie aber die Traͤchtigkeit zunimmt, muß
es reichlicher genaͤhret werden. Je hoͤher die Traͤchtigkeit ſteigt, deſto ſanfter
muͤſſen die Schaafe behandelt, durchaus nicht vom Hunde gehetzt und mit Vor-
ſicht aus und in den Stall gelaſſen werden, damit ſie ſich in der Thuͤr nicht draͤn-
gen und preſſen.

In der Lammzeit erfordern die Schaafe die hoͤchſte Aufmerkſamkeit. Die
Zeichen des herannahenden Lammens ſind das Aufſchwellen der Geburtstheile,
der Ausfluß einer ſchleimigen Feuchtigkeit, Anſchwellung des Euters und Milch-
erzeugung. Das Lammen wird in der Regel dem Schaafe nicht ſchwer, aber
es geht oft langſam damit, und man muß nur der Natur durch unzeitige Huͤlfe
nicht voreilen wollen. Die Huͤlfe kann nur Statt finden, wenn eine falſche Lage
des ganzen Lammes oder eines Theils in der Mutter entſtanden iſt, welches im
Ganzen bei gut gehaltenen Schaafen ſelten vorkommt. Um dieſe Huͤlfe aber an-
zubringen, iſt eine vollſtaͤndige Kenntniß von der natuͤrlichen und abweichenden
Lage des Lammes und von der Art, wie man die letztere in erſtere verwandeln
koͤnne, durchaus noͤthig, und ohne ſelbige wird man durch jede Huͤlfe oͤfterer
ſchaden als nutzen.


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[403/0427] Die Schaafzucht. Winterkaͤlte den Laͤmmern ſchaden koͤnne, iſt durch Erfahrung ziemlich beſeitigt. Manche gute Schaafzuͤchter haben die Lammzeit ſchon bis in den Dezember vorgeruͤckt. §. 107. Die Boͤcke, welche bis vor der Springzeit von den Muͤttern durchaus ab- geſondert und unter dem Hammelhaufen gehalten werden muͤſſen, laͤßt man nun, nachdem ſie ſchon vorher kraͤftig gefuͤttert worden, unter die Heerde. Wenn man nicht eine Auswahl in der Begattung der Individuen zu machen hat, ſo ſcheint kein Grund vorhanden zu ſeyn, ſie bei Tage abzuſondern und nur des Nachts beizulaſſen. Will man indeſſen gewiſſe Schaafe nur von gewiſſen Widdern be- ſpringen laſſen, ſo iſt das Verfahren zu beobachten, was ich in dem Handbuche fuͤr veredelte Schaafzucht S. 47. u. f. angegeben habe. Wenn die Springzeit, welche etwa 4 Wochen dauert, voruͤber iſt, ſo ſondert man die Widder am beſten wieder ab. §. 108. Zu Anfange der Traͤchtigkeit wind ſich das Schaaf mit einer etwas ſpaͤrliche- ren Weide oder Fuͤtterung begnuͤgen; ſo wie aber die Traͤchtigkeit zunimmt, muß es reichlicher genaͤhret werden. Je hoͤher die Traͤchtigkeit ſteigt, deſto ſanfter muͤſſen die Schaafe behandelt, durchaus nicht vom Hunde gehetzt und mit Vor- ſicht aus und in den Stall gelaſſen werden, damit ſie ſich in der Thuͤr nicht draͤn- gen und preſſen. Lammzeit. In der Lammzeit erfordern die Schaafe die hoͤchſte Aufmerkſamkeit. Die Zeichen des herannahenden Lammens ſind das Aufſchwellen der Geburtstheile, der Ausfluß einer ſchleimigen Feuchtigkeit, Anſchwellung des Euters und Milch- erzeugung. Das Lammen wird in der Regel dem Schaafe nicht ſchwer, aber es geht oft langſam damit, und man muß nur der Natur durch unzeitige Huͤlfe nicht voreilen wollen. Die Huͤlfe kann nur Statt finden, wenn eine falſche Lage des ganzen Lammes oder eines Theils in der Mutter entſtanden iſt, welches im Ganzen bei gut gehaltenen Schaafen ſelten vorkommt. Um dieſe Huͤlfe aber an- zubringen, iſt eine vollſtaͤndige Kenntniß von der natuͤrlichen und abweichenden Lage des Lammes und von der Art, wie man die letztere in erſtere verwandeln koͤnne, durchaus noͤthig, und ohne ſelbige wird man durch jede Huͤlfe oͤfterer ſchaden als nutzen. E e e 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/427>, abgerufen am 24.04.2024.