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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.

Es giebt Gegenden, wo die zunftmäßigen Schäfer so sehr verdorben sind,
daß kaum ein anderes Mittel bleibt, als junge gut geartete Burschen entweder
selbst zu Schäfern anzuziehen, oder sie in einer musterhaft betriebenen Schäfe-
rei in einer anderen Gegend anlernen zu lassen. Es wäre daher sehr zu wün-
schen, daß die Schäferschulen, welche man schon oft empfohlen und beabsichtigt
hat, wirklich mehr ausgeführt und zweckmäßig eingerichtet würden. Da die
Schäfer schon seit alten Zeiten das Zutrauen des Volks, auch bei Krankheiten
anderer Thiere und sogar der Menschen besitzen, mancherlei abergläubische Mit-
tel ausgeben und selbst Operationen verrichten, so könnte man dieses einmal
entstandene Zutrauen benutzen, wenn man den Schäfern zugleich einen verstän-
digen empirischen Unterricht in der Thierarznehkunde überhaupt dabei ertheilte;
wo sie dann das Metier eines Thierarztes, welches allein seinen Mann nur in
wenigen Gegenden nähren wird, füglich daneben betreiben könnten.

Den Nachtheil der alten Einrichtung, dem Schaafmeister sowohl als den
Knechten eigenes Vieh nach einem gewissen Verhältnisse in der Heerde zu gestat-
ten, hat man wohl allgemein anerkannt. Es war natürlich, daß das Vieh
des Schäfers immer das beste und seine Lämmer die vorzüglichsten waren, und
daß das Vieh nie ihm, sondern immer dem Herrn starb, auch alle Controlle
unmöglich wurde. Diese Einrichtung war aber schwer abzuschaffen, weil alle
gelernten Schäfer auf ihre Beibehaltung bestanden, und man nicht leicht unter
andern Bedingungen einen erfahrnen Schäfer erhielt. Sie ward deshalb in den
Preußischen und mehreren andern Staaten gesetzlich verboten und der Schaaf-
herr zu einer nahmhaften Strafe condemnirt, der eine solche Einrichtung ferner
machte und fortsetzte. Hiernach mußten sich also die Schäfer zu einer anderen Ein-
richtung bequemen.

Man bestimmte ihnen nun einen gewissen Antheil, den sie an dem ganzen
Ertrage der Heerde haben sollten, und nach diesem Antheile mußten sie sich in die
Schäferei einkaufen, ohne jedoch bestimmtes eigenes Vieh zu haben. Sie muß-
ten dann aber auch zu diesem Theil alle Nebenkosten mittragen, und man setzte
nur eine gewisse Quantität Heu fest, welches die Schäferei unentgeldlich erhalten
sollte. Was darüber gefüttert auch an Körnern, Salz u. s. w. gegeben und an
übrigen Kosten aufgewandt wurde, mußten sie zu ihren Theilen tragen. Diese

Die Schaafzucht.

Es giebt Gegenden, wo die zunftmaͤßigen Schaͤfer ſo ſehr verdorben ſind,
daß kaum ein anderes Mittel bleibt, als junge gut geartete Burſchen entweder
ſelbſt zu Schaͤfern anzuziehen, oder ſie in einer muſterhaft betriebenen Schaͤfe-
rei in einer anderen Gegend anlernen zu laſſen. Es waͤre daher ſehr zu wuͤn-
ſchen, daß die Schaͤferſchulen, welche man ſchon oft empfohlen und beabſichtigt
hat, wirklich mehr ausgefuͤhrt und zweckmaͤßig eingerichtet wuͤrden. Da die
Schaͤfer ſchon ſeit alten Zeiten das Zutrauen des Volks, auch bei Krankheiten
anderer Thiere und ſogar der Menſchen beſitzen, mancherlei aberglaͤubiſche Mit-
tel ausgeben und ſelbſt Operationen verrichten, ſo koͤnnte man dieſes einmal
entſtandene Zutrauen benutzen, wenn man den Schaͤfern zugleich einen verſtaͤn-
digen empiriſchen Unterricht in der Thierarznehkunde uͤberhaupt dabei ertheilte;
wo ſie dann das Metier eines Thierarztes, welches allein ſeinen Mann nur in
wenigen Gegenden naͤhren wird, fuͤglich daneben betreiben koͤnnten.

Den Nachtheil der alten Einrichtung, dem Schaafmeiſter ſowohl als den
Knechten eigenes Vieh nach einem gewiſſen Verhaͤltniſſe in der Heerde zu geſtat-
ten, hat man wohl allgemein anerkannt. Es war natuͤrlich, daß das Vieh
des Schaͤfers immer das beſte und ſeine Laͤmmer die vorzuͤglichſten waren, und
daß das Vieh nie ihm, ſondern immer dem Herrn ſtarb, auch alle Controlle
unmoͤglich wurde. Dieſe Einrichtung war aber ſchwer abzuſchaffen, weil alle
gelernten Schaͤfer auf ihre Beibehaltung beſtanden, und man nicht leicht unter
andern Bedingungen einen erfahrnen Schaͤfer erhielt. Sie ward deshalb in den
Preußiſchen und mehreren andern Staaten geſetzlich verboten und der Schaaf-
herr zu einer nahmhaften Strafe condemnirt, der eine ſolche Einrichtung ferner
machte und fortſetzte. Hiernach mußten ſich alſo die Schaͤfer zu einer anderen Ein-
richtung bequemen.

Man beſtimmte ihnen nun einen gewiſſen Antheil, den ſie an dem ganzen
Ertrage der Heerde haben ſollten, und nach dieſem Antheile mußten ſie ſich in die
Schaͤferei einkaufen, ohne jedoch beſtimmtes eigenes Vieh zu haben. Sie muß-
ten dann aber auch zu dieſem Theil alle Nebenkoſten mittragen, und man ſetzte
nur eine gewiſſe Quantitaͤt Heu feſt, welches die Schaͤferei unentgeldlich erhalten
ſollte. Was daruͤber gefuͤttert auch an Koͤrnern, Salz u. ſ. w. gegeben und an
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[426/0450] Die Schaafzucht. Es giebt Gegenden, wo die zunftmaͤßigen Schaͤfer ſo ſehr verdorben ſind, daß kaum ein anderes Mittel bleibt, als junge gut geartete Burſchen entweder ſelbſt zu Schaͤfern anzuziehen, oder ſie in einer muſterhaft betriebenen Schaͤfe- rei in einer anderen Gegend anlernen zu laſſen. Es waͤre daher ſehr zu wuͤn- ſchen, daß die Schaͤferſchulen, welche man ſchon oft empfohlen und beabſichtigt hat, wirklich mehr ausgefuͤhrt und zweckmaͤßig eingerichtet wuͤrden. Da die Schaͤfer ſchon ſeit alten Zeiten das Zutrauen des Volks, auch bei Krankheiten anderer Thiere und ſogar der Menſchen beſitzen, mancherlei aberglaͤubiſche Mit- tel ausgeben und ſelbſt Operationen verrichten, ſo koͤnnte man dieſes einmal entſtandene Zutrauen benutzen, wenn man den Schaͤfern zugleich einen verſtaͤn- digen empiriſchen Unterricht in der Thierarznehkunde uͤberhaupt dabei ertheilte; wo ſie dann das Metier eines Thierarztes, welches allein ſeinen Mann nur in wenigen Gegenden naͤhren wird, fuͤglich daneben betreiben koͤnnten. Den Nachtheil der alten Einrichtung, dem Schaafmeiſter ſowohl als den Knechten eigenes Vieh nach einem gewiſſen Verhaͤltniſſe in der Heerde zu geſtat- ten, hat man wohl allgemein anerkannt. Es war natuͤrlich, daß das Vieh des Schaͤfers immer das beſte und ſeine Laͤmmer die vorzuͤglichſten waren, und daß das Vieh nie ihm, ſondern immer dem Herrn ſtarb, auch alle Controlle unmoͤglich wurde. Dieſe Einrichtung war aber ſchwer abzuſchaffen, weil alle gelernten Schaͤfer auf ihre Beibehaltung beſtanden, und man nicht leicht unter andern Bedingungen einen erfahrnen Schaͤfer erhielt. Sie ward deshalb in den Preußiſchen und mehreren andern Staaten geſetzlich verboten und der Schaaf- herr zu einer nahmhaften Strafe condemnirt, der eine ſolche Einrichtung ferner machte und fortſetzte. Hiernach mußten ſich alſo die Schaͤfer zu einer anderen Ein- richtung bequemen. Man beſtimmte ihnen nun einen gewiſſen Antheil, den ſie an dem ganzen Ertrage der Heerde haben ſollten, und nach dieſem Antheile mußten ſie ſich in die Schaͤferei einkaufen, ohne jedoch beſtimmtes eigenes Vieh zu haben. Sie muß- ten dann aber auch zu dieſem Theil alle Nebenkoſten mittragen, und man ſetzte nur eine gewiſſe Quantitaͤt Heu feſt, welches die Schaͤferei unentgeldlich erhalten ſollte. Was daruͤber gefuͤttert auch an Koͤrnern, Salz u. ſ. w. gegeben und an uͤbrigen Koſten aufgewandt wurde, mußten ſie zu ihren Theilen tragen. Dieſe

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/450>, abgerufen am 20.04.2024.