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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Getreidearten.

Im natürlichen Zustande sind diese drei Bestandtheile nur miteinander ge-
mengt. Durch das Kochen und Brodbacken werden sie inniger mit einander
vereinigt und können danach nicht mehr getrennt werden. Durch das Kochen
entsteht eine kleisterartige Masse, beim Brode aber geht eine Gährung vor,
welche Kohlensäure erzeugt und alles verdaulicher macht.

d) Die Hülsen, welche aus Faserstoff hauptsächlich bestehen, der von
der Verdauung unauflöslich scheint. Indessen enthalten sie doch noch etwas
auflösliche und gewissermaßen aromatische Materie, und übertreffen in ihrer
Nahrhaftigkeit wenigstens das Stroh.

e) Feuchtigkeit, welche auch in dem trockensten Getreide vorhanden ist,
das Gewicht der Masse vermehrt, aber doch das specifische Gewicht vermindert.
Sie giebt keine Nahrung und bringt keinen Nutzen, befördert aber im größern
Maaße das Verderben des Getreides, weshalb es möglichst trocken gehalten
werden muß. Die künstliche und stärkere Austrocknung, wie sie in den nörd-
lichern Ostseeischen Gegenden vermittelst der Darrscheuern gebräuchlich ist, be-
wirkt, daß sich solches Getreide lange halten kann, insbesondere wenn es in
großen Haufen aufgeschüttet wird, in welchen es weniger Feuchtigkeit wieder
anziehen kann. Das ungedörrte Getreide muß dagegen luftig und in flachen
Lagern aufbewahrt und oft umgerührt werden, damit die Feuchtigkeit, welche
es natürlich hat und immer wieder anzieht, verdunsten könne. Es ist nach ver-
schiedenen Bemerkungen glaublich, daß durch völlige Abschneidung der atmos-
phärischen Luft Getreide unverderblich gemacht werden könne, jedoch muß es
vorher ohne Zweifel sehr ausgetrocknet seyn.

Diese Bestandtheile sind nicht nur in den verschiedenen Getreidearten,
sondern auch in derselben Art quantitativisch verschieden. Jahres-Witterung,
Boden und Düngungsart, Reifegrad, Ernte, bewirken diesen Unterschied.
Das auf nassem Boden und bei nasser Witterung gewachsene Getreide hat
eine stärkere Hülfe, und dem zufolge in gleichem Volumen ein geringeres
Gewicht. Aber auch die übrigen Bestandtheile können, wie schon beim Kle-
ber bemerkt worden, verschieden seyn. Daher die Erfahrung, daß in einem
Jahre das Getreide besser nähre wie im andern.


Vierter Theil. D
Getreidearten.

Im natuͤrlichen Zuſtande ſind dieſe drei Beſtandtheile nur miteinander ge-
mengt. Durch das Kochen und Brodbacken werden ſie inniger mit einander
vereinigt und koͤnnen danach nicht mehr getrennt werden. Durch das Kochen
entſteht eine kleiſterartige Maſſe, beim Brode aber geht eine Gaͤhrung vor,
welche Kohlenſaͤure erzeugt und alles verdaulicher macht.

d) Die Huͤlſen, welche aus Faſerſtoff hauptſaͤchlich beſtehen, der von
der Verdauung unaufloͤslich ſcheint. Indeſſen enthalten ſie doch noch etwas
aufloͤsliche und gewiſſermaßen aromatiſche Materie, und uͤbertreffen in ihrer
Nahrhaftigkeit wenigſtens das Stroh.

e) Feuchtigkeit, welche auch in dem trockenſten Getreide vorhanden iſt,
das Gewicht der Maſſe vermehrt, aber doch das ſpecifiſche Gewicht vermindert.
Sie giebt keine Nahrung und bringt keinen Nutzen, befoͤrdert aber im groͤßern
Maaße das Verderben des Getreides, weshalb es moͤglichſt trocken gehalten
werden muß. Die kuͤnſtliche und ſtaͤrkere Austrocknung, wie ſie in den noͤrd-
lichern Oſtſeeiſchen Gegenden vermittelſt der Darrſcheuern gebraͤuchlich iſt, be-
wirkt, daß ſich ſolches Getreide lange halten kann, insbeſondere wenn es in
großen Haufen aufgeſchuͤttet wird, in welchen es weniger Feuchtigkeit wieder
anziehen kann. Das ungedoͤrrte Getreide muß dagegen luftig und in flachen
Lagern aufbewahrt und oft umgeruͤhrt werden, damit die Feuchtigkeit, welche
es natuͤrlich hat und immer wieder anzieht, verdunſten koͤnne. Es iſt nach ver-
ſchiedenen Bemerkungen glaublich, daß durch voͤllige Abſchneidung der atmos-
phaͤriſchen Luft Getreide unverderblich gemacht werden koͤnne, jedoch muß es
vorher ohne Zweifel ſehr ausgetrocknet ſeyn.

Dieſe Beſtandtheile ſind nicht nur in den verſchiedenen Getreidearten,
ſondern auch in derſelben Art quantitativiſch verſchieden. Jahres-Witterung,
Boden und Duͤngungsart, Reifegrad, Ernte, bewirken dieſen Unterſchied.
Das auf naſſem Boden und bei naſſer Witterung gewachſene Getreide hat
eine ſtaͤrkere Huͤlfe, und dem zufolge in gleichem Volumen ein geringeres
Gewicht. Aber auch die uͤbrigen Beſtandtheile koͤnnen, wie ſchon beim Kle-
ber bemerkt worden, verſchieden ſeyn. Daher die Erfahrung, daß in einem
Jahre das Getreide beſſer naͤhre wie im andern.


Vierter Theil. D
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[25/0049] Getreidearten. Im natuͤrlichen Zuſtande ſind dieſe drei Beſtandtheile nur miteinander ge- mengt. Durch das Kochen und Brodbacken werden ſie inniger mit einander vereinigt und koͤnnen danach nicht mehr getrennt werden. Durch das Kochen entſteht eine kleiſterartige Maſſe, beim Brode aber geht eine Gaͤhrung vor, welche Kohlenſaͤure erzeugt und alles verdaulicher macht. d) Die Huͤlſen, welche aus Faſerſtoff hauptſaͤchlich beſtehen, der von der Verdauung unaufloͤslich ſcheint. Indeſſen enthalten ſie doch noch etwas aufloͤsliche und gewiſſermaßen aromatiſche Materie, und uͤbertreffen in ihrer Nahrhaftigkeit wenigſtens das Stroh. e) Feuchtigkeit, welche auch in dem trockenſten Getreide vorhanden iſt, das Gewicht der Maſſe vermehrt, aber doch das ſpecifiſche Gewicht vermindert. Sie giebt keine Nahrung und bringt keinen Nutzen, befoͤrdert aber im groͤßern Maaße das Verderben des Getreides, weshalb es moͤglichſt trocken gehalten werden muß. Die kuͤnſtliche und ſtaͤrkere Austrocknung, wie ſie in den noͤrd- lichern Oſtſeeiſchen Gegenden vermittelſt der Darrſcheuern gebraͤuchlich iſt, be- wirkt, daß ſich ſolches Getreide lange halten kann, insbeſondere wenn es in großen Haufen aufgeſchuͤttet wird, in welchen es weniger Feuchtigkeit wieder anziehen kann. Das ungedoͤrrte Getreide muß dagegen luftig und in flachen Lagern aufbewahrt und oft umgeruͤhrt werden, damit die Feuchtigkeit, welche es natuͤrlich hat und immer wieder anzieht, verdunſten koͤnne. Es iſt nach ver- ſchiedenen Bemerkungen glaublich, daß durch voͤllige Abſchneidung der atmos- phaͤriſchen Luft Getreide unverderblich gemacht werden koͤnne, jedoch muß es vorher ohne Zweifel ſehr ausgetrocknet ſeyn. Dieſe Beſtandtheile ſind nicht nur in den verſchiedenen Getreidearten, ſondern auch in derſelben Art quantitativiſch verſchieden. Jahres-Witterung, Boden und Duͤngungsart, Reifegrad, Ernte, bewirken dieſen Unterſchied. Das auf naſſem Boden und bei naſſer Witterung gewachſene Getreide hat eine ſtaͤrkere Huͤlfe, und dem zufolge in gleichem Volumen ein geringeres Gewicht. Aber auch die uͤbrigen Beſtandtheile koͤnnen, wie ſchon beim Kle- ber bemerkt worden, verſchieden ſeyn. Daher die Erfahrung, daß in einem Jahre das Getreide beſſer naͤhre wie im andern. Vierter Theil. D

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/49>, abgerufen am 19.04.2024.