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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Getreidearten.
sonders in dem Jahre 1804, so große Verwüstungen in England anrichtete, in
Ansehung seiner Gestalt neuerlich genau beschrieben, und unter starker Vergrö-
ßerung genau abbilden lassen, in welcher man freilich die Form der Schwämme
erkennt. (Die Abhandlung steht übersetzt in No. 1. der Landwirthschaftlichen
Zeitung vom Jahre 1806.) Die Botaniker halten es für ein jeder Pflanzenart
eigenes parasitisches Gewächs, Aecidium genannt. Mir ist es bis jetzt noch
wahrscheinlicher daß es eine Hautkrankheit sey, die bei den Pflanzen, wie bei den
Thieren, ihre determinirte Form haben. Nimmt die Krankheit überhand, so zehrt
die Pflanze ab, und setzt keine oder sehr zusammengeschrumpfte Körner an. Die
große Hoffnung welche man auf eine Frucht setzte, geht plötzlich verloren.

Die Krankheit ist in gewissen Klimaten und Gegenden häufiger, besonders
in solchen, wo es viele Nebel giebt. Gewisse Feldmarken, die an Mooren an-
grenzen, werden davon fast alljährig heimgesucht. Aber sonderbar ist es, daß
der Berberitzenstrauch dieses Uebel, oder doch ein sehr ähnliches, in seiner Nach-
barschaft auf einem sehr weitem Umfange erzeugt. Die Thatsache ist nicht zu
bezweifeln, denn es stimmen gar zu viele Beobachtungen aus allen Zeiten und
von allen Nationen darin überein. Aber wie die Berberitze wirke, ist noch nicht
befriedigend erklärt. Mein seliger Freund Einhof hat hier viele Versuche ange-
stellt, Getreide mit dem Aecidium zu infiolren, indem er ganz damit bedeckte
Zweige der Berberitze, frisch abgeschnitten, über das Getreide schüttelte, oder sie
dazwischen steckte; aber er hat nie seinen Zweck erreicht. Es ist also nicht die
Mittheilung dieses Staubes, sondern das wirkliche Wachsen der Berberitze in der
Nähe eines Kornfeldes, was die Krankheit hervorbringt. Auch hat man das
Uebel nicht bemerkt, wenn junge Berberitzenhecken gepflanzt waren, sondern erst
nachdem sie heranwuchsen, und dann vermehrte es sich in seinem Umfange von
Jahr zu Jahren, bis man die Berberitzen ausrottete. Nun war es gleich weg.

Der Mehlthau, wo die Pflanzen mit einem weißen Anfluge befallen wer-
den, äußert sich bei dem Getreide nicht, aber desto öfter bei den Hülsenfrüch-
ten, und scheint eine gleiche Ursach mit dem Honigthau zu haben, wird auch im
Namen oft damit verwechselt. Er befällt die ihm ausgesetzten Gewächse aber
nicht in ihrer Jugend, sondern im reifern Alter, und dieses, nicht die Jahreszeit,
scheint die Pflanze für die Krankheit empfänglich zu machen.


Getreidearten.
ſonders in dem Jahre 1804, ſo große Verwuͤſtungen in England anrichtete, in
Anſehung ſeiner Geſtalt neuerlich genau beſchrieben, und unter ſtarker Vergroͤ-
ßerung genau abbilden laſſen, in welcher man freilich die Form der Schwaͤmme
erkennt. (Die Abhandlung ſteht uͤberſetzt in No. 1. der Landwirthſchaftlichen
Zeitung vom Jahre 1806.) Die Botaniker halten es fuͤr ein jeder Pflanzenart
eigenes paraſitiſches Gewaͤchs, Aecidium genannt. Mir iſt es bis jetzt noch
wahrſcheinlicher daß es eine Hautkrankheit ſey, die bei den Pflanzen, wie bei den
Thieren, ihre determinirte Form haben. Nimmt die Krankheit uͤberhand, ſo zehrt
die Pflanze ab, und ſetzt keine oder ſehr zuſammengeſchrumpfte Koͤrner an. Die
große Hoffnung welche man auf eine Frucht ſetzte, geht ploͤtzlich verloren.

Die Krankheit iſt in gewiſſen Klimaten und Gegenden haͤufiger, beſonders
in ſolchen, wo es viele Nebel giebt. Gewiſſe Feldmarken, die an Mooren an-
grenzen, werden davon faſt alljaͤhrig heimgeſucht. Aber ſonderbar iſt es, daß
der Berberitzenſtrauch dieſes Uebel, oder doch ein ſehr aͤhnliches, in ſeiner Nach-
barſchaft auf einem ſehr weitem Umfange erzeugt. Die Thatſache iſt nicht zu
bezweifeln, denn es ſtimmen gar zu viele Beobachtungen aus allen Zeiten und
von allen Nationen darin uͤberein. Aber wie die Berberitze wirke, iſt noch nicht
befriedigend erklaͤrt. Mein ſeliger Freund Einhof hat hier viele Verſuche ange-
ſtellt, Getreide mit dem Aecidium zu infiolren, indem er ganz damit bedeckte
Zweige der Berberitze, friſch abgeſchnitten, uͤber das Getreide ſchuͤttelte, oder ſie
dazwiſchen ſteckte; aber er hat nie ſeinen Zweck erreicht. Es iſt alſo nicht die
Mittheilung dieſes Staubes, ſondern das wirkliche Wachſen der Berberitze in der
Naͤhe eines Kornfeldes, was die Krankheit hervorbringt. Auch hat man das
Uebel nicht bemerkt, wenn junge Berberitzenhecken gepflanzt waren, ſondern erſt
nachdem ſie heranwuchſen, und dann vermehrte es ſich in ſeinem Umfange von
Jahr zu Jahren, bis man die Berberitzen ausrottete. Nun war es gleich weg.

Der Mehlthau, wo die Pflanzen mit einem weißen Anfluge befallen wer-
den, aͤußert ſich bei dem Getreide nicht, aber deſto oͤfter bei den Huͤlſenfruͤch-
ten, und ſcheint eine gleiche Urſach mit dem Honigthau zu haben, wird auch im
Namen oft damit verwechſelt. Er befaͤllt die ihm ausgeſetzten Gewaͤchſe aber
nicht in ihrer Jugend, ſondern im reifern Alter, und dieſes, nicht die Jahreszeit,
ſcheint die Pflanze fuͤr die Krankheit empfaͤnglich zu machen.


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[37/0061] Getreidearten. ſonders in dem Jahre 1804, ſo große Verwuͤſtungen in England anrichtete, in Anſehung ſeiner Geſtalt neuerlich genau beſchrieben, und unter ſtarker Vergroͤ- ßerung genau abbilden laſſen, in welcher man freilich die Form der Schwaͤmme erkennt. (Die Abhandlung ſteht uͤberſetzt in No. 1. der Landwirthſchaftlichen Zeitung vom Jahre 1806.) Die Botaniker halten es fuͤr ein jeder Pflanzenart eigenes paraſitiſches Gewaͤchs, Aecidium genannt. Mir iſt es bis jetzt noch wahrſcheinlicher daß es eine Hautkrankheit ſey, die bei den Pflanzen, wie bei den Thieren, ihre determinirte Form haben. Nimmt die Krankheit uͤberhand, ſo zehrt die Pflanze ab, und ſetzt keine oder ſehr zuſammengeſchrumpfte Koͤrner an. Die große Hoffnung welche man auf eine Frucht ſetzte, geht ploͤtzlich verloren. Die Krankheit iſt in gewiſſen Klimaten und Gegenden haͤufiger, beſonders in ſolchen, wo es viele Nebel giebt. Gewiſſe Feldmarken, die an Mooren an- grenzen, werden davon faſt alljaͤhrig heimgeſucht. Aber ſonderbar iſt es, daß der Berberitzenſtrauch dieſes Uebel, oder doch ein ſehr aͤhnliches, in ſeiner Nach- barſchaft auf einem ſehr weitem Umfange erzeugt. Die Thatſache iſt nicht zu bezweifeln, denn es ſtimmen gar zu viele Beobachtungen aus allen Zeiten und von allen Nationen darin uͤberein. Aber wie die Berberitze wirke, iſt noch nicht befriedigend erklaͤrt. Mein ſeliger Freund Einhof hat hier viele Verſuche ange- ſtellt, Getreide mit dem Aecidium zu infiolren, indem er ganz damit bedeckte Zweige der Berberitze, friſch abgeſchnitten, uͤber das Getreide ſchuͤttelte, oder ſie dazwiſchen ſteckte; aber er hat nie ſeinen Zweck erreicht. Es iſt alſo nicht die Mittheilung dieſes Staubes, ſondern das wirkliche Wachſen der Berberitze in der Naͤhe eines Kornfeldes, was die Krankheit hervorbringt. Auch hat man das Uebel nicht bemerkt, wenn junge Berberitzenhecken gepflanzt waren, ſondern erſt nachdem ſie heranwuchſen, und dann vermehrte es ſich in ſeinem Umfange von Jahr zu Jahren, bis man die Berberitzen ausrottete. Nun war es gleich weg. Der Mehlthau, wo die Pflanzen mit einem weißen Anfluge befallen wer- den, aͤußert ſich bei dem Getreide nicht, aber deſto oͤfter bei den Huͤlſenfruͤch- ten, und ſcheint eine gleiche Urſach mit dem Honigthau zu haben, wird auch im Namen oft damit verwechſelt. Er befaͤllt die ihm ausgeſetzten Gewaͤchſe aber nicht in ihrer Jugend, ſondern im reifern Alter, und dieſes, nicht die Jahreszeit, ſcheint die Pflanze fuͤr die Krankheit empfaͤnglich zu machen.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/61>, abgerufen am 18.04.2024.