Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Brand im Weizen.
mehr oder minder deutliche Spur vom Schwarzwerden im Mark der Pflanze.
Dennoch treibt die Aehre manchmal in ausgezeichneter Länge hervor, und hat
Anfangs ein gesundes Ansehn, ist aber doch dünn und mager. Die Spelzen
sind grüner und nicht so länglicht, sondern oft mehr rundlicht gestaltet. Wenn
die Aehre älter wird, entdeckt man die durchscheinende schwarze Farbe; doch ist
die Spelze nicht so dünn und springt nicht so schnell auf, wie bei der Gerste,
bei welcher sie gleich nach ihrem Hervortreten berstet und den schwarzen Staub
entläßt. Wenn der Weizen lange steht, so platzt die Spelze zwar auch, so daß
Regen und Wind den schwarzen Staub wegführen und das gute Korn dann
nicht davon gefärbt wird. Wird aber, wie gewöhnlich, der Weizen früher ge-
mähet und ist die Witterung feucht und kühl, so bleibt der Staub darin, wird
mit in die Scheure gebracht und entwickelt sich nun erst unter dem Dreschflegel.
Hierdurch wird das gesunde Getreide geschwärzt, indem sich dieser Staub be-
sonders an den seinen Härchen, welche das Weizenkorn an der Spitze seiner
Spalte hat ansetzt. Diese äußere Färbung, wobei das innere Korn vollkommen
gesund ist und bleibt, nennt man dann den Nagel, den Nagelbrand, der Spitz-
brand, le bout, und verwechselt dies am meisten mit dem Stein- oder Korn-
brande. Da dieses bloß eine äußere Färbung am gesunden Korne ist, so hat
sie auf seine innere Konsistenz und Güte gar keinen Einfluß, kann jedoch das
Mehl allerdings etwas schwarz machen, wenn man das Getreide vor dem Mah-
len nicht davon reinigt. Dies kann aber auf verschiedene Weise geschehen:
durch das Abwaschen, welches dem Getreide durchaus nicht schadet, wenn es
nur gleich nachher vorsichtig getrocknet wird, oder durch das Abdreschen mit
Gerstenspreu oder auch mit trocknem Lehm, von welchem aber das Korn durch
mehrmaliges Durchlaufen auf der Staubemühle sorgfältig wieder gereinigt
werden muß.

Die Krankheit selbst hat ihren Grund durchaus nicht in der Forterbung
durch Saamen, sondern erzeugt sich am meisten auf feuchten und übergeilen
Boden bei feuchter warmer Witterung. Ich sage in der Forterbung; denn
daß ein unvollkommner oder dumpfig gewordener Saamen, in sofern er schwäch-
liche Pflanzen erzeugt, Veranlassung dazu gebe, ist allerdings nicht zu lengnen.
Aber eigentlich erblich ist die Krankheit nicht, weil der kranke Saamen ganz

Der Brand im Weizen.
mehr oder minder deutliche Spur vom Schwarzwerden im Mark der Pflanze.
Dennoch treibt die Aehre manchmal in ausgezeichneter Laͤnge hervor, und hat
Anfangs ein geſundes Anſehn, iſt aber doch duͤnn und mager. Die Spelzen
ſind gruͤner und nicht ſo laͤnglicht, ſondern oft mehr rundlicht geſtaltet. Wenn
die Aehre aͤlter wird, entdeckt man die durchſcheinende ſchwarze Farbe; doch iſt
die Spelze nicht ſo duͤnn und ſpringt nicht ſo ſchnell auf, wie bei der Gerſte,
bei welcher ſie gleich nach ihrem Hervortreten berſtet und den ſchwarzen Staub
entlaͤßt. Wenn der Weizen lange ſteht, ſo platzt die Spelze zwar auch, ſo daß
Regen und Wind den ſchwarzen Staub wegfuͤhren und das gute Korn dann
nicht davon gefaͤrbt wird. Wird aber, wie gewoͤhnlich, der Weizen fruͤher ge-
maͤhet und iſt die Witterung feucht und kuͤhl, ſo bleibt der Staub darin, wird
mit in die Scheure gebracht und entwickelt ſich nun erſt unter dem Dreſchflegel.
Hierdurch wird das geſunde Getreide geſchwaͤrzt, indem ſich dieſer Staub be-
ſonders an den ſeinen Haͤrchen, welche das Weizenkorn an der Spitze ſeiner
Spalte hat anſetzt. Dieſe aͤußere Faͤrbung, wobei das innere Korn vollkommen
geſund iſt und bleibt, nennt man dann den Nagel, den Nagelbrand, der Spitz-
brand, le bout, und verwechſelt dies am meiſten mit dem Stein- oder Korn-
brande. Da dieſes bloß eine aͤußere Faͤrbung am geſunden Korne iſt, ſo hat
ſie auf ſeine innere Konſiſtenz und Guͤte gar keinen Einfluß, kann jedoch das
Mehl allerdings etwas ſchwarz machen, wenn man das Getreide vor dem Mah-
len nicht davon reinigt. Dies kann aber auf verſchiedene Weiſe geſchehen:
durch das Abwaſchen, welches dem Getreide durchaus nicht ſchadet, wenn es
nur gleich nachher vorſichtig getrocknet wird, oder durch das Abdreſchen mit
Gerſtenſpreu oder auch mit trocknem Lehm, von welchem aber das Korn durch
mehrmaliges Durchlaufen auf der Staubemuͤhle ſorgfaͤltig wieder gereinigt
werden muß.

Die Krankheit ſelbſt hat ihren Grund durchaus nicht in der Forterbung
durch Saamen, ſondern erzeugt ſich am meiſten auf feuchten und uͤbergeilen
Boden bei feuchter warmer Witterung. Ich ſage in der Forterbung; denn
daß ein unvollkommner oder dumpfig gewordener Saamen, in ſofern er ſchwaͤch-
liche Pflanzen erzeugt, Veranlaſſung dazu gebe, iſt allerdings nicht zu lengnen.
Aber eigentlich erblich iſt die Krankheit nicht, weil der kranke Saamen ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0093" n="69"/><fw place="top" type="header">Der Brand im Weizen.</fw><lb/>
mehr oder minder deutliche Spur vom Schwarzwerden im Mark der Pflanze.<lb/>
Dennoch treibt die Aehre manchmal in ausgezeichneter La&#x0364;nge hervor, und hat<lb/>
Anfangs ein ge&#x017F;undes An&#x017F;ehn, i&#x017F;t aber doch du&#x0364;nn und mager. Die Spelzen<lb/>
&#x017F;ind gru&#x0364;ner und nicht &#x017F;o la&#x0364;nglicht, &#x017F;ondern oft mehr rundlicht ge&#x017F;taltet. Wenn<lb/>
die Aehre a&#x0364;lter wird, entdeckt man die durch&#x017F;cheinende &#x017F;chwarze Farbe; doch i&#x017F;t<lb/>
die Spelze nicht &#x017F;o du&#x0364;nn und &#x017F;pringt nicht &#x017F;o &#x017F;chnell auf, wie bei der Ger&#x017F;te,<lb/>
bei welcher &#x017F;ie gleich nach ihrem Hervortreten ber&#x017F;tet und den &#x017F;chwarzen Staub<lb/>
entla&#x0364;ßt. Wenn der Weizen lange &#x017F;teht, &#x017F;o platzt die Spelze zwar auch, &#x017F;o daß<lb/>
Regen und Wind den &#x017F;chwarzen Staub wegfu&#x0364;hren und das gute Korn dann<lb/>
nicht davon gefa&#x0364;rbt wird. Wird aber, wie gewo&#x0364;hnlich, der Weizen fru&#x0364;her ge-<lb/>
ma&#x0364;het und i&#x017F;t die Witterung feucht und ku&#x0364;hl, &#x017F;o bleibt der Staub darin, wird<lb/>
mit in die Scheure gebracht und entwickelt &#x017F;ich nun er&#x017F;t unter dem Dre&#x017F;chflegel.<lb/>
Hierdurch wird das ge&#x017F;unde Getreide ge&#x017F;chwa&#x0364;rzt, indem &#x017F;ich die&#x017F;er Staub be-<lb/>
&#x017F;onders an den &#x017F;einen Ha&#x0364;rchen, welche das Weizenkorn an der Spitze &#x017F;einer<lb/>
Spalte hat an&#x017F;etzt. Die&#x017F;e a&#x0364;ußere Fa&#x0364;rbung, wobei das innere Korn vollkommen<lb/>
ge&#x017F;und i&#x017F;t und bleibt, nennt man dann den Nagel, den Nagelbrand, der Spitz-<lb/>
brand, <hi rendition="#aq">le bout,</hi> und verwech&#x017F;elt dies am mei&#x017F;ten mit dem <hi rendition="#g">Stein-</hi> oder Korn-<lb/>
brande. Da die&#x017F;es bloß eine a&#x0364;ußere Fa&#x0364;rbung am ge&#x017F;unden Korne i&#x017F;t, &#x017F;o hat<lb/>
&#x017F;ie auf &#x017F;eine innere Kon&#x017F;i&#x017F;tenz und Gu&#x0364;te gar keinen Einfluß, kann jedoch das<lb/>
Mehl allerdings etwas &#x017F;chwarz machen, wenn man das Getreide vor dem Mah-<lb/>
len nicht davon reinigt. Dies kann aber auf ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e ge&#x017F;chehen:<lb/>
durch das Abwa&#x017F;chen, welches dem Getreide durchaus nicht &#x017F;chadet, wenn es<lb/>
nur gleich nachher vor&#x017F;ichtig getrocknet wird, oder durch das Abdre&#x017F;chen mit<lb/>
Ger&#x017F;ten&#x017F;preu oder auch mit trocknem Lehm, von welchem aber das Korn durch<lb/>
mehrmaliges Durchlaufen auf der Staubemu&#x0364;hle &#x017F;orgfa&#x0364;ltig wieder gereinigt<lb/>
werden muß.</p><lb/>
              <p>Die Krankheit &#x017F;elb&#x017F;t hat ihren Grund durchaus nicht in der Forterbung<lb/>
durch Saamen, &#x017F;ondern erzeugt &#x017F;ich am mei&#x017F;ten auf feuchten und u&#x0364;bergeilen<lb/>
Boden bei feuchter warmer Witterung. Ich &#x017F;age in der Forterbung; denn<lb/>
daß ein unvollkommner oder dumpfig gewordener Saamen, in &#x017F;ofern er &#x017F;chwa&#x0364;ch-<lb/>
liche Pflanzen erzeugt, Veranla&#x017F;&#x017F;ung dazu gebe, i&#x017F;t allerdings nicht zu lengnen.<lb/>
Aber eigentlich erblich i&#x017F;t die Krankheit nicht, weil der kranke Saamen ganz<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0093] Der Brand im Weizen. mehr oder minder deutliche Spur vom Schwarzwerden im Mark der Pflanze. Dennoch treibt die Aehre manchmal in ausgezeichneter Laͤnge hervor, und hat Anfangs ein geſundes Anſehn, iſt aber doch duͤnn und mager. Die Spelzen ſind gruͤner und nicht ſo laͤnglicht, ſondern oft mehr rundlicht geſtaltet. Wenn die Aehre aͤlter wird, entdeckt man die durchſcheinende ſchwarze Farbe; doch iſt die Spelze nicht ſo duͤnn und ſpringt nicht ſo ſchnell auf, wie bei der Gerſte, bei welcher ſie gleich nach ihrem Hervortreten berſtet und den ſchwarzen Staub entlaͤßt. Wenn der Weizen lange ſteht, ſo platzt die Spelze zwar auch, ſo daß Regen und Wind den ſchwarzen Staub wegfuͤhren und das gute Korn dann nicht davon gefaͤrbt wird. Wird aber, wie gewoͤhnlich, der Weizen fruͤher ge- maͤhet und iſt die Witterung feucht und kuͤhl, ſo bleibt der Staub darin, wird mit in die Scheure gebracht und entwickelt ſich nun erſt unter dem Dreſchflegel. Hierdurch wird das geſunde Getreide geſchwaͤrzt, indem ſich dieſer Staub be- ſonders an den ſeinen Haͤrchen, welche das Weizenkorn an der Spitze ſeiner Spalte hat anſetzt. Dieſe aͤußere Faͤrbung, wobei das innere Korn vollkommen geſund iſt und bleibt, nennt man dann den Nagel, den Nagelbrand, der Spitz- brand, le bout, und verwechſelt dies am meiſten mit dem Stein- oder Korn- brande. Da dieſes bloß eine aͤußere Faͤrbung am geſunden Korne iſt, ſo hat ſie auf ſeine innere Konſiſtenz und Guͤte gar keinen Einfluß, kann jedoch das Mehl allerdings etwas ſchwarz machen, wenn man das Getreide vor dem Mah- len nicht davon reinigt. Dies kann aber auf verſchiedene Weiſe geſchehen: durch das Abwaſchen, welches dem Getreide durchaus nicht ſchadet, wenn es nur gleich nachher vorſichtig getrocknet wird, oder durch das Abdreſchen mit Gerſtenſpreu oder auch mit trocknem Lehm, von welchem aber das Korn durch mehrmaliges Durchlaufen auf der Staubemuͤhle ſorgfaͤltig wieder gereinigt werden muß. Die Krankheit ſelbſt hat ihren Grund durchaus nicht in der Forterbung durch Saamen, ſondern erzeugt ſich am meiſten auf feuchten und uͤbergeilen Boden bei feuchter warmer Witterung. Ich ſage in der Forterbung; denn daß ein unvollkommner oder dumpfig gewordener Saamen, in ſofern er ſchwaͤch- liche Pflanzen erzeugt, Veranlaſſung dazu gebe, iſt allerdings nicht zu lengnen. Aber eigentlich erblich iſt die Krankheit nicht, weil der kranke Saamen ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/93
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/93>, abgerufen am 18.04.2024.