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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
Seele in ihnen/ wie in denen kleinen Kindern
und harte schlaffenden) aber sie gedencken ver-
wirrt und närrisch/ weil die kleinen Theile im
Gehirne verrückt seyn/ oder wegen anderer Ur-
sachen. Und solchergestalt schickt sich dieses
Exempel wieder nicht darzuthun/ daß ein Mensch
ohne Bewegung der Seele leben könne.

35.

Jch weiß zwar wohl/ daß diese meine
Lehre denen/ die keine Cartesianer seyn/ wunder-
lich vorkommen werde; aber wenn sie deswe-
gen denen rasenden und närrischen die Ge-
dancken nehmen wollen/ weil ihre Gedan-
cken so unvernünfftig sind/
so müssen sie auch
sagen; daß die Treumenden nicht geden-
cken/
ja daß so viel wachende/ kluge/ gelehrte
und vornehme Leute nicht gedächten/ die z. e. vor-
geben/ man dörffe von seiner Vor fahren Meinun-
gen nicht abweichen/ man müsse einen Beruff
haben gutes zu thun; Erde/ Wasser/ Lufft/ und
Feuer wären vier Elemente/ u. s. w. welches doch
gewiß sehr unförmlich und von keinem Menschen
geglaubet werden würde.

45.

Endlich so ist es zwar an dem/ daß der
Mensch zur Noth von denen Gliedmassen sei-
nes Leibes einen Arm oder ein Bein missen
kan/ aber deswegen kan er den Kopff nicht
missen/ vielweniger eine hauptsächliche Verle-
tzung in Gehirne/ Hertzen/ denen grossen
Blut-Adern u. s. w. leiden/ geschweige denn daß

er ohne

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
Seele in ihnen/ wie in denen kleinen Kindern
und harte ſchlaffenden) aber ſie gedencken ver-
wirrt und naͤrriſch/ weil die kleinen Theile im
Gehirne verruͤckt ſeyn/ oder wegen anderer Ur-
ſachen. Und ſolchergeſtalt ſchickt ſich dieſes
Exempel wieder nicht darzuthun/ daß ein Menſch
ohne Bewegung der Seele leben koͤnne.

35.

Jch weiß zwar wohl/ daß dieſe meine
Lehre denen/ die keine Carteſianer ſeyn/ wunder-
lich vorkommen werde; aber wenn ſie deswe-
gen denen raſenden und naͤrriſchen die Ge-
dancken nehmen wollen/ weil ihre Gedan-
cken ſo unvernuͤnfftig ſind/
ſo muͤſſen ſie auch
ſagen; daß die Treumenden nicht geden-
cken/
ja daß ſo viel wachende/ kluge/ gelehrte
und vornehme Leute nicht gedaͤchten/ die z. e. vor-
geben/ man doͤrffe von ſeiner Vor fahren Meinun-
gen nicht abweichen/ man muͤſſe einen Beruff
haben gutes zu thun; Erde/ Waſſer/ Lufft/ und
Feuer waͤren vier Elemente/ u. ſ. w. welches doch
gewiß ſehr unfoͤrmlich und von keinem Menſchen
geglaubet werden wuͤrde.

45.

Endlich ſo iſt es zwar an dem/ daß der
Menſch zur Noth von denen Gliedmaſſen ſei-
nes Leibes einen Arm oder ein Bein miſſen
kan/ aber deswegen kan er den Kopff nicht
miſſen/ vielweniger eine hauptſaͤchliche Verle-
tzung in Gehirne/ Hertzen/ denen groſſen
Blut-Adern u. ſ. w. leiden/ geſchweige denn daß

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[70/0102] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten Seele in ihnen/ wie in denen kleinen Kindern und harte ſchlaffenden) aber ſie gedencken ver- wirrt und naͤrriſch/ weil die kleinen Theile im Gehirne verruͤckt ſeyn/ oder wegen anderer Ur- ſachen. Und ſolchergeſtalt ſchickt ſich dieſes Exempel wieder nicht darzuthun/ daß ein Menſch ohne Bewegung der Seele leben koͤnne. 35. Jch weiß zwar wohl/ daß dieſe meine Lehre denen/ die keine Carteſianer ſeyn/ wunder- lich vorkommen werde; aber wenn ſie deswe- gen denen raſenden und naͤrriſchen die Ge- dancken nehmen wollen/ weil ihre Gedan- cken ſo unvernuͤnfftig ſind/ ſo muͤſſen ſie auch ſagen; daß die Treumenden nicht geden- cken/ ja daß ſo viel wachende/ kluge/ gelehrte und vornehme Leute nicht gedaͤchten/ die z. e. vor- geben/ man doͤrffe von ſeiner Vor fahren Meinun- gen nicht abweichen/ man muͤſſe einen Beruff haben gutes zu thun; Erde/ Waſſer/ Lufft/ und Feuer waͤren vier Elemente/ u. ſ. w. welches doch gewiß ſehr unfoͤrmlich und von keinem Menſchen geglaubet werden wuͤrde. 45. Endlich ſo iſt es zwar an dem/ daß der Menſch zur Noth von denen Gliedmaſſen ſei- nes Leibes einen Arm oder ein Bein miſſen kan/ aber deswegen kan er den Kopff nicht miſſen/ vielweniger eine hauptſaͤchliche Verle- tzung in Gehirne/ Hertzen/ denen groſſen Blut-Adern u. ſ. w. leiden/ geſchweige denn daß er ohne

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/102>, abgerufen am 29.03.2024.