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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Ursprung aller menschl. Glückseelig.
zu werden verlanget/ als andere Menschen/ so
verfehlet er doch diesen Endzweck am allerwei-
testen/ und indem er meinet alles zu seinen Ver-
gnügen zuthun/ stürtzet er sich in das gröste Un-
glück und Unruhe/ und ist ein Sclave unver-
nünfftiger Menschen seines gleichen/ oder eines
todten Geld-Klumpens/ die er so dann zu seinen
GOtt machet/ ihnen in der That vertrauet/ und
sie fürchret/ ob er sich schon mit äusserlichen Ce-
remonien anstellet/ als ob er GOtt wahrhafftig
diene.

72.

So ist demnach ein Weltweiser Mann
der GOtt nach Anleitung der Vernunfft/ wie er
sol/ erkennet/ alleine ein Mensch/ ein Atheiste
und ein Abergläubischer sind Bestien/ jedoch mit
diesem Unterscheid: Ein Atheiste ist einem
Affen nicht ungleich/ weil er einem wahren Phi-
losopho
zimlich nahe kömmt/ und in vielen nach-
äffet/ aber er ist doch kein Mensch/ weil er von
GOtt so wenig weiß als ein Affe. Ein Aber-
gläubischer
aber ist wie ein tummer Esel oder
wie ein Schwein u. s. w. dessen äußerliches Thun
gantz offenbahr von dem menschlichen Thun und
Lassen entschieden ist.

73.

So ist demnach ein Abergläubischer
und Abgöttischer mehr als ein Atheiste/ weil
er in der That öffenlich lebet/ als ob kein
GOTT wäre/ und seiner Boßheit kei-
ne Scheu hat/ da doch ein Atheiste/ der in sei-
ner Speculation über die Schnur gehauen/ nicht

alleine
K 4

Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeelig.
zu werden verlanget/ als andere Menſchen/ ſo
verfehlet er doch dieſen Endzweck am allerwei-
teſten/ und indem er meinet alles zu ſeinen Ver-
gnuͤgen zuthun/ ſtuͤrtzet er ſich in das groͤſte Un-
gluͤck und Unruhe/ und iſt ein Sclave unver-
nuͤnfftiger Menſchen ſeines gleichen/ oder eines
todten Geld-Klumpens/ die er ſo dann zu ſeinen
GOtt machet/ ihnen in der That vertrauet/ und
ſie fuͤrchret/ ob er ſich ſchon mit aͤuſſerlichen Ce-
remonien anſtellet/ als ob er GOtt wahrhafftig
diene.

72.

So iſt demnach ein Weltweiſer Mann
der GOtt nach Anleitung der Vernunfft/ wie er
ſol/ erkennet/ alleine ein Menſch/ ein Atheiſte
und ein Aberglaͤubiſcher ſind Beſtien/ jedoch mit
dieſem Unterſcheid: Ein Atheiſte iſt einem
Affen nicht ungleich/ weil er einem wahren Phi-
loſopho
zimlich nahe koͤmmt/ und in vielen nach-
aͤffet/ aber er iſt doch kein Menſch/ weil er von
GOtt ſo wenig weiß als ein Affe. Ein Aber-
glaͤubiſcher
aber iſt wie ein tummer Eſel oder
wie ein Schwein u. ſ. w. deſſen aͤußerliches Thun
gantz offenbahr von dem menſchlichen Thun und
Laſſen entſchieden iſt.

73.

So iſt demnach ein Aberglaͤubiſcher
und Abgoͤttiſcher mehr als ein Atheiſte/ weil
er in der That oͤffenlich lebet/ als ob kein
GOTT waͤre/ und ſeiner Boßheit kei-
ne Scheu hat/ da doch ein Atheiſte/ der in ſei-
ner Speculation uͤber die Schnur gehauen/ nicht

alleine
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[151/0183] Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeelig. zu werden verlanget/ als andere Menſchen/ ſo verfehlet er doch dieſen Endzweck am allerwei- teſten/ und indem er meinet alles zu ſeinen Ver- gnuͤgen zuthun/ ſtuͤrtzet er ſich in das groͤſte Un- gluͤck und Unruhe/ und iſt ein Sclave unver- nuͤnfftiger Menſchen ſeines gleichen/ oder eines todten Geld-Klumpens/ die er ſo dann zu ſeinen GOtt machet/ ihnen in der That vertrauet/ und ſie fuͤrchret/ ob er ſich ſchon mit aͤuſſerlichen Ce- remonien anſtellet/ als ob er GOtt wahrhafftig diene. 72. So iſt demnach ein Weltweiſer Mann der GOtt nach Anleitung der Vernunfft/ wie er ſol/ erkennet/ alleine ein Menſch/ ein Atheiſte und ein Aberglaͤubiſcher ſind Beſtien/ jedoch mit dieſem Unterſcheid: Ein Atheiſte iſt einem Affen nicht ungleich/ weil er einem wahren Phi- loſopho zimlich nahe koͤmmt/ und in vielen nach- aͤffet/ aber er iſt doch kein Menſch/ weil er von GOtt ſo wenig weiß als ein Affe. Ein Aber- glaͤubiſcher aber iſt wie ein tummer Eſel oder wie ein Schwein u. ſ. w. deſſen aͤußerliches Thun gantz offenbahr von dem menſchlichen Thun und Laſſen entſchieden iſt. 73. So iſt demnach ein Aberglaͤubiſcher und Abgoͤttiſcher mehr als ein Atheiſte/ weil er in der That oͤffenlich lebet/ als ob kein GOTT waͤre/ und ſeiner Boßheit kei- ne Scheu hat/ da doch ein Atheiſte/ der in ſei- ner Speculation uͤber die Schnur gehauen/ nicht alleine K 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/183>, abgerufen am 19.04.2024.