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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Liebe anderer Menschen überhaupt.
32.

Denn weil derselben die allermeisten
Menschen ergeben sind/ so gar auch/ daß deswe-
gen auch unter denen Philosophen diese den Na-
men der Liebe für sich behalten/ und der andern
Liebe/ die auff dergleichen Vereinigung nicht zie-
let/ den kaltsinnigen Nahmen der Freundschafft
zugeleget/ da doch in der wahren Philosophie
wahre Freundschafft und Liebe eines sind; als er-
mangelt es auch an Schein-Ursachen nicht/ durch
welche man diese Liebe wo nicht zu einer vernünff-
tigen Liebe zu machen/ dennoch aber aus der Zahl
unvernünfftiger Liebe auszunehmen sich bemühet.

33.

Und anfänglich zwar ist nicht zu läugnen/
daß die Vereinigung der menschlichen Seelen o-
der zweyer Willen nicht ihren Wesen nach derge-
stalt geschehen könne/ daß ohne Beytrag des Lei-
bes aus zwey Seelen würcklich und in der That
eine Seele und ein Mensch werde; Sondern es
muß allerdings dieselbe in nichts anders als in
der Gleichförmigkeit des von zweyen Willen

dirigirten äußerlichen Thun und Lassens des
Leibes
gesucht werden. Und solchergestalt kan
weder Freundschafft noch Liebe ohne gleichförmi-
ger Wirckung des Leibes begriffen werden: und
wenn man in der Gleichförmigkeit des Willens
die Vereinigung der Seelen suchet/ worumb sol-
te man auch nicht sagen/ daß wegen der Gleich-
förmigkeit der äusserlichen Leibes-Bewegung
auch bey einer jeden Freundschafft und Liebe die
Leiber vereiniget seyn/
und also aus zweyen

Freun-
Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt.
32.

Denn weil derſelben die allermeiſten
Menſchen ergeben ſind/ ſo gar auch/ daß deswe-
gen auch unter denen Philoſophen dieſe den Na-
men der Liebe fuͤr ſich behalten/ und der andern
Liebe/ die auff dergleichen Vereinigung nicht zie-
let/ den kaltſinnigen Nahmen der Freundſchafft
zugeleget/ da doch in der wahren Philoſophie
wahre Freundſchafft und Liebe eines ſind; als er-
mangelt es auch an Schein-Urſachen nicht/ durch
welche man dieſe Liebe wo nicht zu einer vernuͤnff-
tigen Liebe zu machen/ dennoch aber aus der Zahl
unvernuͤnfftiger Liebe auszunehmen ſich bemuͤhet.

33.

Und anfaͤnglich zwar iſt nicht zu laͤugnen/
daß die Vereinigung der menſchlichen Seelen o-
der zweyer Willen nicht ihren Weſen nach derge-
ſtalt geſchehen koͤnne/ daß ohne Beytrag des Lei-
bes aus zwey Seelen wuͤrcklich und in der That
eine Seele und ein Menſch werde; Sondern es
muß allerdings dieſelbe in nichts anders als in
der Gleichfoͤrmigkeit des von zweyen Willen

dirigirten aͤußerlichen Thun und Laſſens des
Leibes
geſucht werden. Und ſolchergeſtalt kan
weder Freundſchafft noch Liebe ohne gleichfoͤrmi-
ger Wirckung des Leibes begriffen werden: und
wenn man in der Gleichfoͤrmigkeit des Willens
die Vereinigung der Seelen ſuchet/ worumb ſol-
te man auch nicht ſagen/ daß wegen der Gleich-
foͤrmigkeit der aͤuſſerlichen Leibes-Bewegung
auch bey einer jeden Freundſchafft und Liebe die
Leiber vereiniget ſeyn/
und alſo aus zweyen

Freun-
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[171/0203] Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt. 32. Denn weil derſelben die allermeiſten Menſchen ergeben ſind/ ſo gar auch/ daß deswe- gen auch unter denen Philoſophen dieſe den Na- men der Liebe fuͤr ſich behalten/ und der andern Liebe/ die auff dergleichen Vereinigung nicht zie- let/ den kaltſinnigen Nahmen der Freundſchafft zugeleget/ da doch in der wahren Philoſophie wahre Freundſchafft und Liebe eines ſind; als er- mangelt es auch an Schein-Urſachen nicht/ durch welche man dieſe Liebe wo nicht zu einer vernuͤnff- tigen Liebe zu machen/ dennoch aber aus der Zahl unvernuͤnfftiger Liebe auszunehmen ſich bemuͤhet. 33. Und anfaͤnglich zwar iſt nicht zu laͤugnen/ daß die Vereinigung der menſchlichen Seelen o- der zweyer Willen nicht ihren Weſen nach derge- ſtalt geſchehen koͤnne/ daß ohne Beytrag des Lei- bes aus zwey Seelen wuͤrcklich und in der That eine Seele und ein Menſch werde; Sondern es muß allerdings dieſelbe in nichts anders als in der Gleichfoͤrmigkeit des von zweyen Willen dirigirten aͤußerlichen Thun und Laſſens des Leibes geſucht werden. Und ſolchergeſtalt kan weder Freundſchafft noch Liebe ohne gleichfoͤrmi- ger Wirckung des Leibes begriffen werden: und wenn man in der Gleichfoͤrmigkeit des Willens die Vereinigung der Seelen ſuchet/ worumb ſol- te man auch nicht ſagen/ daß wegen der Gleich- foͤrmigkeit der aͤuſſerlichen Leibes-Bewegung auch bey einer jeden Freundſchafft und Liebe die Leiber vereiniget ſeyn/ und alſo aus zweyen Freun-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/203>, abgerufen am 28.03.2024.