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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 5. Hauptst. von der allgemeinen
darinnen/ daß man sich in dieser bemühet/ ein-
ander gutes zu thun/ da man in jener nur besor-
get wäre einander nicht zu schaden und wider-
umb bestehet der Unterscheid zwischen der abson-
derlichen warhafftigen und Schein-Liebe
darinnen/ daß in jener die Gutthaten wahr-
hafftig/
in dieser aber dieselbigen nur Schein-
Gutthaten
sind/ welches wir unten schon zu sei-
ner Zeit mit mehrern erklären wollen.

16.

Jedoch wird es nicht vergebens seyn/ wenn
wir auch einen Unterschied in der allgemeinen
Liebe zwischen der Schein-Liebe und warhaff-
tigen Liebe
machen. Ein Unweiser thut des-
wegen allen Menschen insgemein auch dem
Scheine nach nicht viel zu gute/ weil er nicht
von allen einen Vortheil hofft/ oder weil er befin-
det/ daß ihm nicht alle anstehen wegen unterschie-
dener Ungleichheiten. Aber ein Weiser/ der kei-
nen Vortheil bey andern sucht/ wäre bereit allen
gutes zu thun/ und sich mit allen rechtschaffen
zu vereinigen/ wenn man nur seine Liebe anneh-
men wolte und nicht von sich stiesse/ oder wenn
man nur nicht von ihm an statt wahrer Guttha-
ten unnützliche Dinge begehrte.

17.

Ob nun aber wohl die absonderliche ver-
nünfftige Liebe wegen gedachter Ursachen viel
vortrefflicher ist als die allgemeine Liebe/ in
dem sie diese recht vollkommen machet/ und die
wahre Gemüths-Ruhe zuwege bringet/ welches
der Mensche in der allgemeinen Liebe nicht finden

kan.

Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
darinnen/ daß man ſich in dieſer bemuͤhet/ ein-
ander gutes zu thun/ da man in jener nur beſor-
get waͤre einander nicht zu ſchaden und wider-
umb beſtehet der Unterſcheid zwiſchen der abſon-
derlichen warhafftigen und Schein-Liebe
darinnen/ daß in jener die Gutthaten wahr-
hafftig/
in dieſer aber dieſelbigen nur Schein-
Gutthaten
ſind/ welches wir unten ſchon zu ſei-
ner Zeit mit mehrern erklaͤren wollen.

16.

Jedoch wird es nicht vergebens ſeyn/ wenn
wir auch einen Unterſchied in der allgemeinen
Liebe zwiſchen der Schein-Liebe und warhaff-
tigen Liebe
machen. Ein Unweiſer thut des-
wegen allen Menſchen insgemein auch dem
Scheine nach nicht viel zu gute/ weil er nicht
von allen einen Vortheil hofft/ oder weil er befin-
det/ daß ihm nicht alle anſtehen wegen unterſchie-
dener Ungleichheiten. Aber ein Weiſer/ der kei-
nen Vortheil bey andern ſucht/ waͤre bereit allen
gutes zu thun/ und ſich mit allen rechtſchaffen
zu vereinigen/ wenn man nur ſeine Liebe anneh-
men wolte und nicht von ſich ſtieſſe/ oder wenn
man nur nicht von ihm an ſtatt wahrer Guttha-
ten unnuͤtzliche Dinge begehrte.

17.

Ob nun aber wohl die abſonderliche ver-
nuͤnfftige Liebe wegen gedachter Urſachen viel
vortrefflicher iſt als die allgemeine Liebe/ in
dem ſie dieſe recht vollkommen machet/ und die
wahre Gemuͤths-Ruhe zuwege bringet/ welches
der Menſche in der allgemeinen Liebe nicht finden

kan.
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[206[204]/0236] Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen darinnen/ daß man ſich in dieſer bemuͤhet/ ein- ander gutes zu thun/ da man in jener nur beſor- get waͤre einander nicht zu ſchaden und wider- umb beſtehet der Unterſcheid zwiſchen der abſon- derlichen warhafftigen und Schein-Liebe darinnen/ daß in jener die Gutthaten wahr- hafftig/ in dieſer aber dieſelbigen nur Schein- Gutthaten ſind/ welches wir unten ſchon zu ſei- ner Zeit mit mehrern erklaͤren wollen. 16. Jedoch wird es nicht vergebens ſeyn/ wenn wir auch einen Unterſchied in der allgemeinen Liebe zwiſchen der Schein-Liebe und warhaff- tigen Liebe machen. Ein Unweiſer thut des- wegen allen Menſchen insgemein auch dem Scheine nach nicht viel zu gute/ weil er nicht von allen einen Vortheil hofft/ oder weil er befin- det/ daß ihm nicht alle anſtehen wegen unterſchie- dener Ungleichheiten. Aber ein Weiſer/ der kei- nen Vortheil bey andern ſucht/ waͤre bereit allen gutes zu thun/ und ſich mit allen rechtſchaffen zu vereinigen/ wenn man nur ſeine Liebe anneh- men wolte und nicht von ſich ſtieſſe/ oder wenn man nur nicht von ihm an ſtatt wahrer Guttha- ten unnuͤtzliche Dinge begehrte. 17. Ob nun aber wohl die abſonderliche ver- nuͤnfftige Liebe wegen gedachter Urſachen viel vortrefflicher iſt als die allgemeine Liebe/ in dem ſie dieſe recht vollkommen machet/ und die wahre Gemuͤths-Ruhe zuwege bringet/ welches der Menſche in der allgemeinen Liebe nicht finden kan.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 206[204]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/236>, abgerufen am 28.03.2024.