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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Liebe aller Menschen.
welcher Meinung auch das Römische Recht
nur in wenigen abweicht/ indem dasselbige fast
aus eben dem Grunde demjenigen/ der derglei-
chen Gewalt verübet/ zwar eine Klage und
action vergönnet/ aber dabeneben auch dem Ge-
gewaltleidenden eine Ausflucht und Exception,
durch welche er sich von der gestellten Klage be-
freyen könne/ vergönstiget.

41.

Wiederumb andere als schon vor längst
Cicero, und nach ihm der hochgelehrte Herr
von
Pufendorff halten dafür/ daß in diesem
Fall derjenige/ den man gewaltthätiger weise
zum Versprechen gezwungen habe/ nicht schuldig
sey dasselbige zu halten/ theils weil man in denen
Versprechungen nicht alleine darauff sehen müs-
se/ ob einer mit Wissen und Willen etwas ver-
sprochen habe/ sondern ob auch der andere dem
dieses Versprechen ge schehen/ solches aus dem
Recht der Natur anzunehmen befugt sey/ theils
auch weil die Verbündligkeit des versprechen-
den Theils (wenn ja allen Falls deren eine in
diesem Fall erwachsen seyn solte) durch des an-
dern seine Schuld/ Krafft deren er verpflichtet ist/
wegen des geschehenen Unrechts dem ersten ge-
nung zu thun/ gleichsam compensiret/ und auff
gehoben werde.

42.

Wider diese Meinung hat ein gelehrter
Mann unserer Zeit in
einem Büchlein/ daß er
von Verpflichtung der Menschen die aus der Re-
de entstehet/ geschrieben/ die Dritte zu vertheidi-

gen
O 5

Liebe aller Menſchen.
welcher Meinung auch das Roͤmiſche Recht
nur in wenigen abweicht/ indem daſſelbige faſt
aus eben dem Grunde demjenigen/ der derglei-
chen Gewalt veruͤbet/ zwar eine Klage und
action vergoͤnnet/ aber dabeneben auch dem Ge-
gewaltleidenden eine Ausflucht und Exception,
durch welche er ſich von der geſtellten Klage be-
freyen koͤnne/ vergoͤnſtiget.

41.

Wiederumb andere als ſchon vor laͤngſt
Cicero, und nach ihm der hochgelehrte Herr
von
Pufendorff halten dafuͤr/ daß in dieſem
Fall derjenige/ den man gewaltthaͤtiger weiſe
zum Verſprechen gezwungen habe/ nicht ſchuldig
ſey daſſelbige zu halten/ theils weil man in denen
Verſprechungen nicht alleine darauff ſehen muͤſ-
ſe/ ob einer mit Wiſſen und Willen etwas ver-
ſprochen habe/ ſondern ob auch der andere dem
dieſes Verſprechen ge ſchehen/ ſolches aus dem
Recht der Natur anzunehmen befugt ſey/ theils
auch weil die Verbuͤndligkeit des verſprechen-
den Theils (wenn ja allen Falls deren eine in
dieſem Fall erwachſen ſeyn ſolte) durch des an-
dern ſeine Schuld/ Krafft deren er verpflichtet iſt/
wegen des geſchehenen Unrechts dem erſten ge-
nung zu thun/ gleichſam compenſiret/ und auff
gehoben werde.

42.

Wider dieſe Meinung hat ein gelehrter
Mann unſerer Zeit in
einem Buͤchlein/ daß er
von Verpflichtung der Menſchen die aus der Re-
de entſtehet/ geſchrieben/ die Dritte zu vertheidi-

gen
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[219[217]/0249] Liebe aller Menſchen. welcher Meinung auch das Roͤmiſche Recht nur in wenigen abweicht/ indem daſſelbige faſt aus eben dem Grunde demjenigen/ der derglei- chen Gewalt veruͤbet/ zwar eine Klage und action vergoͤnnet/ aber dabeneben auch dem Ge- gewaltleidenden eine Ausflucht und Exception, durch welche er ſich von der geſtellten Klage be- freyen koͤnne/ vergoͤnſtiget. 41. Wiederumb andere als ſchon vor laͤngſt Cicero, und nach ihm der hochgelehrte Herr von Pufendorff halten dafuͤr/ daß in dieſem Fall derjenige/ den man gewaltthaͤtiger weiſe zum Verſprechen gezwungen habe/ nicht ſchuldig ſey daſſelbige zu halten/ theils weil man in denen Verſprechungen nicht alleine darauff ſehen muͤſ- ſe/ ob einer mit Wiſſen und Willen etwas ver- ſprochen habe/ ſondern ob auch der andere dem dieſes Verſprechen ge ſchehen/ ſolches aus dem Recht der Natur anzunehmen befugt ſey/ theils auch weil die Verbuͤndligkeit des verſprechen- den Theils (wenn ja allen Falls deren eine in dieſem Fall erwachſen ſeyn ſolte) durch des an- dern ſeine Schuld/ Krafft deren er verpflichtet iſt/ wegen des geſchehenen Unrechts dem erſten ge- nung zu thun/ gleichſam compenſiret/ und auff gehoben werde. 42. Wider dieſe Meinung hat ein gelehrter Mann unſerer Zeit in einem Buͤchlein/ daß er von Verpflichtung der Menſchen die aus der Re- de entſtehet/ geſchrieben/ die Dritte zu vertheidi- gen O 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 219[217]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/249>, abgerufen am 16.04.2024.