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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 5. Hauptst. von der allgemeinen
gen gesucht/ daß nemlich ein Mensche allerdings
schuldig sey sein dißfalls gethanes/ durch Gewalt
erpreßtes Versprechen zu halten/ indem derjenige/
so die Gewalt verübet/ zwar in Verübung dersel-
ben unrecht gethan/ aber gleichwohl dadurch
nicht verhindert worden das gethane Verspre-
chen anzunehmen/ und dannenhero daraus ein
Recht erhalten die versprochene Sache einzutrei-
ben. So könne auch hierinnen keine Compen-
sation
statt finden in Ansehen vielmehr davor zu
halten sey/ daß der versprechende Theil gleichsam
bey dem Versprechen sich des Rechts/ daß er sonst
gehabt hätte/ die mit Gewalt erpreßte Sache
wieder zu fordern/ oder Satisfaction deshalben
zu begehren/ sich stillschweigend begeben habe.

43.

Bey dieser Uneinigkeit aber so vieler ge-
lehrten Leute/ scheinet der Ungrund der ersten
Meynung
gar handgreifflich zu seyn/ indem es ja
eine blosse und unnütze Subtilität wäre/ wenn ich
fragen wolte/ der Gewaltthäter hätte Macht die
versprochene Sache zu begehren/ er müste aber
solche also fort dem Gewaltleidenden wiederge-
ben/ zugeschweigen/ daß nach denen Römi-
schen Rechten
der Unterscheid/ ob einer gar kei-
ne Klage anstellen könne/ oder ob man ihm eine
zugelassen/ die aber von dem Beklagten durch ei-
ne zulängliche Ausflucht elidiret worden/ keinen
andern Nutzen gehabt/ als vor diesem das Ambt
des Stadt-Schulteißen und des Unterrichters
zu unterscheiden.

44. Un-

Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
gen geſucht/ daß nemlich ein Menſche allerdings
ſchuldig ſey ſein dißfalls gethanes/ durch Gewalt
erpreßtes Verſprechen zu halten/ indem derjenige/
ſo die Gewalt veruͤbet/ zwar in Veruͤbung derſel-
ben unrecht gethan/ aber gleichwohl dadurch
nicht verhindert worden das gethane Verſpre-
chen anzunehmen/ und dannenhero daraus ein
Recht erhalten die verſprochene Sache einzutrei-
ben. So koͤnne auch hierinnen keine Compen-
ſation
ſtatt finden in Anſehen vielmehr davor zu
halten ſey/ daß der verſprechende Theil gleichſam
bey dem Verſprechen ſich des Rechts/ daß er ſonſt
gehabt haͤtte/ die mit Gewalt erpreßte Sache
wieder zu fordern/ oder Satisfaction deshalben
zu begehren/ ſich ſtillſchweigend begeben habe.

43.

Bey dieſer Uneinigkeit aber ſo vieler ge-
lehrten Leute/ ſcheinet der Ungrund der erſten
Meynung
gar handgreifflich zu ſeyn/ indem es ja
eine bloſſe und unnuͤtze Subtilitaͤt waͤre/ wenn ich
fragen wolte/ der Gewaltthaͤter haͤtte Macht die
verſprochene Sache zu begehren/ er muͤſte aber
ſolche alſo fort dem Gewaltleidenden wiederge-
ben/ zugeſchweigen/ daß nach denen Roͤmi-
ſchen Rechten
der Unterſcheid/ ob einer gar kei-
ne Klage anſtellen koͤnne/ oder ob man ihm eine
zugelaſſen/ die aber von dem Beklagten durch ei-
ne zulaͤngliche Ausflucht elidiret worden/ keinen
andern Nutzen gehabt/ als vor dieſem das Ambt
des Stadt-Schulteißen und des Unterrichters
zu unterſcheiden.

44. Un-
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[220[218]/0250] Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen gen geſucht/ daß nemlich ein Menſche allerdings ſchuldig ſey ſein dißfalls gethanes/ durch Gewalt erpreßtes Verſprechen zu halten/ indem derjenige/ ſo die Gewalt veruͤbet/ zwar in Veruͤbung derſel- ben unrecht gethan/ aber gleichwohl dadurch nicht verhindert worden das gethane Verſpre- chen anzunehmen/ und dannenhero daraus ein Recht erhalten die verſprochene Sache einzutrei- ben. So koͤnne auch hierinnen keine Compen- ſation ſtatt finden in Anſehen vielmehr davor zu halten ſey/ daß der verſprechende Theil gleichſam bey dem Verſprechen ſich des Rechts/ daß er ſonſt gehabt haͤtte/ die mit Gewalt erpreßte Sache wieder zu fordern/ oder Satisfaction deshalben zu begehren/ ſich ſtillſchweigend begeben habe. 43. Bey dieſer Uneinigkeit aber ſo vieler ge- lehrten Leute/ ſcheinet der Ungrund der erſten Meynung gar handgreifflich zu ſeyn/ indem es ja eine bloſſe und unnuͤtze Subtilitaͤt waͤre/ wenn ich fragen wolte/ der Gewaltthaͤter haͤtte Macht die verſprochene Sache zu begehren/ er muͤſte aber ſolche alſo fort dem Gewaltleidenden wiederge- ben/ zugeſchweigen/ daß nach denen Roͤmi- ſchen Rechten der Unterſcheid/ ob einer gar kei- ne Klage anſtellen koͤnne/ oder ob man ihm eine zugelaſſen/ die aber von dem Beklagten durch ei- ne zulaͤngliche Ausflucht elidiret worden/ keinen andern Nutzen gehabt/ als vor dieſem das Ambt des Stadt-Schulteißen und des Unterrichters zu unterſcheiden. 44. Un-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 220[218]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/250>, abgerufen am 28.03.2024.