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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Liebe aller Menschen.
würcklich braucht; Und ist dannenhero gar leichte
zu erkennen/ worumb das andere Theil der Liebe
den Nahmen derselben für sich alleine hält/ bey
welchen wir nicht einmahl das Vermögen haben
den andern zu zwingen.

105.

Woltestu demnach die fünff special Tu-
genden der allgemeinen Liebe nach diesem Unter-
schied gegen einander halten/ so wirstu finden/
daß die Leutseeligkeit und Gedult die aller e-
delsten
darunter seyn/ weil man darzu nicht ein-
mahl gezwungen werden kan/ und also für sich ei-
nen liebreichen Menschen sattsam zu erkennen ge-
ben/ auch eine Anzeigung sind/ daß er nicht weni-
ger bescheiden/ verträglich und wahrhafftig sey;
Da hingegen die Bescheidenheit/ Verträg-
ligkeit
und Wahrhafftigkeit nicht so einen ho-
hen Grad in dieser allgemeinen Liebe einnehmen/ in
dem einer wohl bescheiden/ verträglich und wahr-
hafftig seyn kan/ der nicht Leutseelig und gedultig
ist/ weil er sich anderer Gestalt bey Unterlassung
jener drey Tugenden eines Zwangs befahrt/ des-
sen er sich bey diesen beyden nicht zu besorgen hat.

106.

Gleichwie aber das was wir jetzo gemel-
det/ sattsam weiset/ daß ein solcher Mensch nach
seinen äufferlichen Thun und Lassen/ und in Anse-
hen des äusserlichen Friedens zwar für gerecht/ o-
der zum wenigsten doch nicht für ungerecht gehal-
ten werden könne/ gleichwohl aber immermehr
bey andern Leuten seine allgemeine Liebe zu
rühmen einige Ursache hat; Also verliehret doch

des-
Q 4

Liebe aller Menſchen.
wuͤrcklich braucht; Und iſt dannenhero gar leichte
zu erkennen/ worumb das andere Theil der Liebe
den Nahmen derſelben fuͤr ſich alleine haͤlt/ bey
welchen wir nicht einmahl das Vermoͤgen haben
den andern zu zwingen.

105.

Wolteſtu demnach die fuͤnff ſpecial Tu-
genden der allgemeinen Liebe nach dieſem Unter-
ſchied gegen einander halten/ ſo wirſtu finden/
daß die Leutſeeligkeit und Gedult die aller e-
delſten
darunter ſeyn/ weil man darzu nicht ein-
mahl gezwungen werden kan/ und alſo fuͤr ſich ei-
nen liebreichen Menſchen ſattſam zu erkennen ge-
ben/ auch eine Anzeigung ſind/ daß er nicht weni-
ger beſcheiden/ vertraͤglich und wahrhafftig ſey;
Da hingegen die Beſcheidenheit/ Vertraͤg-
ligkeit
und Wahrhafftigkeit nicht ſo einen ho-
hen Grad in dieſer allgemeinen Liebe einnehmẽ/ in
dem einer wohl beſcheiden/ vertraͤglich und wahr-
hafftig ſeyn kan/ der nicht Leutſeelig und gedultig
iſt/ weil er ſich anderer Geſtalt bey Unterlaſſung
jener drey Tugenden eines Zwangs befahrt/ deſ-
ſen er ſich bey dieſen beyden nicht zu beſorgen hat.

106.

Gleichwie aber das was wir jetzo gemel-
det/ ſattſam weiſet/ daß ein ſolcher Menſch nach
ſeinen aͤufferlichen Thun und Laſſen/ und in Anſe-
hen des aͤuſſerlichen Friedens zwar fuͤr gerecht/ o-
der zum wenigſten doch nicht fuͤr ungerecht gehal-
ten werden koͤnne/ gleichwohl aber immermehr
bey andern Leuten ſeine allgemeine Liebe zu
ruͤhmen einige Urſache hat; Alſo verliehret doch

des-
Q 4
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[251[247]/0279] Liebe aller Menſchen. wuͤrcklich braucht; Und iſt dannenhero gar leichte zu erkennen/ worumb das andere Theil der Liebe den Nahmen derſelben fuͤr ſich alleine haͤlt/ bey welchen wir nicht einmahl das Vermoͤgen haben den andern zu zwingen. 105. Wolteſtu demnach die fuͤnff ſpecial Tu- genden der allgemeinen Liebe nach dieſem Unter- ſchied gegen einander halten/ ſo wirſtu finden/ daß die Leutſeeligkeit und Gedult die aller e- delſten darunter ſeyn/ weil man darzu nicht ein- mahl gezwungen werden kan/ und alſo fuͤr ſich ei- nen liebreichen Menſchen ſattſam zu erkennen ge- ben/ auch eine Anzeigung ſind/ daß er nicht weni- ger beſcheiden/ vertraͤglich und wahrhafftig ſey; Da hingegen die Beſcheidenheit/ Vertraͤg- ligkeit und Wahrhafftigkeit nicht ſo einen ho- hen Grad in dieſer allgemeinen Liebe einnehmẽ/ in dem einer wohl beſcheiden/ vertraͤglich und wahr- hafftig ſeyn kan/ der nicht Leutſeelig und gedultig iſt/ weil er ſich anderer Geſtalt bey Unterlaſſung jener drey Tugenden eines Zwangs befahrt/ deſ- ſen er ſich bey dieſen beyden nicht zu beſorgen hat. 106. Gleichwie aber das was wir jetzo gemel- det/ ſattſam weiſet/ daß ein ſolcher Menſch nach ſeinen aͤufferlichen Thun und Laſſen/ und in Anſe- hen des aͤuſſerlichen Friedens zwar fuͤr gerecht/ o- der zum wenigſten doch nicht fuͤr ungerecht gehal- ten werden koͤnne/ gleichwohl aber immermehr bey andern Leuten ſeine allgemeine Liebe zu ruͤhmen einige Urſache hat; Alſo verliehret doch des- Q 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 251[247]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/279>, abgerufen am 23.04.2024.