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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 7. H. von der unterschiedenen
verstehen sey. Jn der ungleichen gehöret die
Submission hauptsächlich für die geringere Per-
son/ die sich so dann begnügen lässet/ wenn die
vortrefflichere diese mit einer Erniedrigung ihr
geleistete Dienste freundlich annimmbt/ und
ohne Submission andere geringe Dienste ihr
wieder bezeiget.

8.

Jedoch weil die Liebe an die Gesetze der Ge-
rechtigkeit nicht gebunden ist/ als ist aus dieser An-
merckung zwar so viel zu sehen/ daß ein tugend-
hafft er
Mann nicht gehalten sey/ durch die Ge-
fälligkeit sich dem geringern zu unterwerffen;
Jedoch ist es ihme nicht verboten/ solches zu thun/
und wenn er es thut/ ist es vielmehr eine Anzei-
gung eines Uberflusses der Liebe/
der ihn da-
durch mehr liebens würdig macht/ als einer un-
vernünfftigen Thorheit.
Denn wir haben
schon oben gedacht/ daß die Liebe zwar andern
Tugenden ihre Masse gebe/ für sich aber keine
Masse erkenne/ und nichts zuviel in derselben
könne vorgenommen werden.

9.

Aus eben dieser Anmerckung fließt eine an-
dere/ daß bey der gleichen Liebe auch zwey Ge-
müther so zu sagen zu gleicher Zeit einander zu
lieben anfangen/ und ihre Liebe durch die Gefäl-
ligkeit zu verstehen zu geben. Bey der unglei-
chen
aber fänget der geringere ordentlich an/
den vortrefflichern zu lieben/ und dieser erwiedert
so dann die bey ihm gesuchte Liebe durch eine Ge-
gen-Liebe. Wir wollen jenes eine Liebe der na-

tür-

Das 7. H. von der unterſchiedenen
verſtehen ſey. Jn der ungleichen gehoͤret die
Submiſſion hauptſaͤchlich fuͤr die geringere Per-
ſon/ die ſich ſo dann begnuͤgen laͤſſet/ wenn die
vortrefflichere dieſe mit einer Erniedrigung ihr
geleiſtete Dienſte freundlich annimmbt/ und
ohne Submiſſion andere geringe Dienſte ihr
wieder bezeiget.

8.

Jedoch weil die Liebe an die Geſetze der Ge-
rechtigkeit nicht gebunden iſt/ als iſt aus dieſer An-
merckung zwar ſo viel zu ſehen/ daß ein tugend-
hafft er
Mann nicht gehalten ſey/ durch die Ge-
faͤlligkeit ſich dem geringern zu unterwerffen;
Jedoch iſt es ihme nicht verboten/ ſolches zu thun/
und wenn er es thut/ iſt es vielmehr eine Anzei-
gung eines Uberfluſſes der Liebe/
der ihn da-
durch mehr liebens wuͤrdig macht/ als einer un-
vernuͤnfftigen Thorheit.
Denn wir haben
ſchon oben gedacht/ daß die Liebe zwar andern
Tugenden ihre Maſſe gebe/ fuͤr ſich aber keine
Maſſe erkenne/ und nichts zuviel in derſelben
koͤnne vorgenommen werden.

9.

Aus eben dieſer Anmerckung fließt eine an-
dere/ daß bey der gleichen Liebe auch zwey Ge-
muͤther ſo zu ſagen zu gleicher Zeit einander zu
lieben anfangen/ und ihre Liebe durch die Gefaͤl-
ligkeit zu verſtehen zu geben. Bey der unglei-
chen
aber faͤnget der geringere ordentlich an/
den vortrefflichern zu lieben/ und dieſer erwiedert
ſo dann die bey ihm geſuchte Liebe durch eine Ge-
gen-Liebe. Wir wollen jenes eine Liebe der na-

tuͤr-
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[318[314]/0346] Das 7. H. von der unterſchiedenen verſtehen ſey. Jn der ungleichen gehoͤret die Submiſſion hauptſaͤchlich fuͤr die geringere Per- ſon/ die ſich ſo dann begnuͤgen laͤſſet/ wenn die vortrefflichere dieſe mit einer Erniedrigung ihr geleiſtete Dienſte freundlich annimmbt/ und ohne Submiſſion andere geringe Dienſte ihr wieder bezeiget. 8. Jedoch weil die Liebe an die Geſetze der Ge- rechtigkeit nicht gebunden iſt/ als iſt aus dieſer An- merckung zwar ſo viel zu ſehen/ daß ein tugend- hafft er Mann nicht gehalten ſey/ durch die Ge- faͤlligkeit ſich dem geringern zu unterwerffen; Jedoch iſt es ihme nicht verboten/ ſolches zu thun/ und wenn er es thut/ iſt es vielmehr eine Anzei- gung eines Uberfluſſes der Liebe/ der ihn da- durch mehr liebens wuͤrdig macht/ als einer un- vernuͤnfftigen Thorheit. Denn wir haben ſchon oben gedacht/ daß die Liebe zwar andern Tugenden ihre Maſſe gebe/ fuͤr ſich aber keine Maſſe erkenne/ und nichts zuviel in derſelben koͤnne vorgenommen werden. 9. Aus eben dieſer Anmerckung fließt eine an- dere/ daß bey der gleichen Liebe auch zwey Ge- muͤther ſo zu ſagen zu gleicher Zeit einander zu lieben anfangen/ und ihre Liebe durch die Gefaͤl- ligkeit zu verſtehen zu geben. Bey der unglei- chen aber faͤnget der geringere ordentlich an/ den vortrefflichern zu lieben/ und dieſer erwiedert ſo dann die bey ihm geſuchte Liebe durch eine Ge- gen-Liebe. Wir wollen jenes eine Liebe der na- tuͤr-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 318[314]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/346>, abgerufen am 25.04.2024.