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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 8. H. von der vernünfftigen
von keinen Menschen praetendiren/ daß er dieselbe
gedultig aushalten solle; Weswegen man auch
wiederum von uns nicht dieselbe praetendiren
könne.

21.

Aus diesen Gründen antworten wir nun
auff die vorgelegte Frage. Daß die Liebe
nicht von uns erfordere/ daß wir die von
unsern Feinden uns gedrohete entstehende
Gewalt gedultig aushalten müssen/
sondern
daß wir dieselbe gar wohl der Liebe unbeschadet
mit Gegen-Gewalt/ und wenn es auch mit Er-
tödtung unsers Gegners selbst wäre/ abtreiben
können.

22.

Jch rede aber von instehender Gewalt.
Denn wegen der Bedrohung brauchen wir die-
ses gewaltsame Mittel nicht/ theils weil wir da-
durch vielmehr die Bedrohungen/ als eine all-
bereit zugefügte Schmach rächen würden/ wel-
ches wider die allgemeine Gedult streitet/ theils
weil wir wider die Bedrohungen durch ander-
wärtige Vorsorge und praeparirung/ däß wir
künfftig Gewalt mit Gewalt vertreiben können/
gnugsam versichert sind.

23.

Sprichst du gleich/ es sey gantz unver-
nünfftig/ die gewaltsame Ertödtung eines
Menschen vor ein Werck der Liebe auszu-
geben;
So ist doch gar leicht zu antworten/ daß
man ja niemaln gesagt/ daß man dadurch dem-
jenigen/ den man ertödtet/ Liebe bezeige/ sondern
es ist genung/ daß man ihm dadurch keinen Haß

erweise/

Das 8. H. von der vernuͤnfftigen
von keinen Menſchen prætendiren/ daß er dieſelbe
gedultig aushalten ſolle; Weswegen man auch
wiederum von uns nicht dieſelbe prætendiren
koͤnne.

21.

Aus dieſen Gruͤnden antworten wir nun
auff die vorgelegte Frage. Daß die Liebe
nicht von uns erfordere/ daß wir die von
unſern Feinden uns gedrohete entſtehende
Gewalt gedultig aushalten muͤſſen/
ſondern
daß wiꝛ dieſelbe gar wohl der Liebe unbeſchadet
mit Gegen-Gewalt/ und wenn es auch mit Er-
toͤdtung unſers Gegners ſelbſt waͤre/ abtreiben
koͤnnen.

22.

Jch rede aber von inſtehender Gewalt.
Denn wegen der Bedrohung brauchen wir die-
ſes gewaltſame Mittel nicht/ theils weil wir da-
durch vielmehr die Bedrohungen/ als eine all-
bereit zugefuͤgte Schmach raͤchen wuͤrden/ wel-
ches wider die allgemeine Gedult ſtreitet/ theils
weil wir wider die Bedrohungen durch ander-
waͤrtige Vorſorge und præparirung/ daͤß wir
kuͤnfftig Gewalt mit Gewalt vertreiben koͤnnen/
gnugſam verſichert ſind.

23.

Sprichſt du gleich/ es ſey gantz unver-
nuͤnfftig/ die gewaltſame Ertoͤdtung eines
Menſchen vor ein Werck der Liebe auszu-
geben;
So iſt doch gar leicht zu antworten/ daß
man ja niemaln geſagt/ daß man dadurch dem-
jenigen/ den man ertoͤdtet/ Liebe bezeige/ ſondern
es iſt genung/ daß man ihm dadurch keinen Haß

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[348[344]/0376] Das 8. H. von der vernuͤnfftigen von keinen Menſchen prætendiren/ daß er dieſelbe gedultig aushalten ſolle; Weswegen man auch wiederum von uns nicht dieſelbe prætendiren koͤnne. 21. Aus dieſen Gruͤnden antworten wir nun auff die vorgelegte Frage. Daß die Liebe nicht von uns erfordere/ daß wir die von unſern Feinden uns gedrohete entſtehende Gewalt gedultig aushalten muͤſſen/ ſondern daß wiꝛ dieſelbe gar wohl der Liebe unbeſchadet mit Gegen-Gewalt/ und wenn es auch mit Er- toͤdtung unſers Gegners ſelbſt waͤre/ abtreiben koͤnnen. 22. Jch rede aber von inſtehender Gewalt. Denn wegen der Bedrohung brauchen wir die- ſes gewaltſame Mittel nicht/ theils weil wir da- durch vielmehr die Bedrohungen/ als eine all- bereit zugefuͤgte Schmach raͤchen wuͤrden/ wel- ches wider die allgemeine Gedult ſtreitet/ theils weil wir wider die Bedrohungen durch ander- waͤrtige Vorſorge und præparirung/ daͤß wir kuͤnfftig Gewalt mit Gewalt vertreiben koͤnnen/ gnugſam verſichert ſind. 23. Sprichſt du gleich/ es ſey gantz unver- nuͤnfftig/ die gewaltſame Ertoͤdtung eines Menſchen vor ein Werck der Liebe auszu- geben; So iſt doch gar leicht zu antworten/ daß man ja niemaln geſagt/ daß man dadurch dem- jenigen/ den man ertoͤdtet/ Liebe bezeige/ ſondern es iſt genung/ daß man ihm dadurch keinen Haß erweiſe/

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 348[344]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/376>, abgerufen am 28.03.2024.